Devon Graves schlägt wieder zu - und dieses Mal langt er kräftig hin.
Die Geschichte meiner Lieblingsband Deadsoul Tribe geht zurück bis ins Jahr 1999, als sie gegründet wurde. Devon Graves, vielen sicher auch als Buddy Lackey von den legendären Psychotic Waltz bekannt, war nach seinem Ausstieg nach vier großartigen Alben (er fühlte sich als das schwächste Glied der Kette) zu seiner damaligen Frau nach Österreich gezogen und hatte damit begonnen, seiner neuen Vision Leben einzuhauchen. Vier Alben entstanden: Das gleichnamige Debüt (2002), "A Murder Or Crows" (2003), "The January Tree" (2004) und "The Dead Word" (2005). Devon singt auf diesen Alben nicht nur, er spielt auch Gitarre, Bass, Keyboard und seine Querflöte. Einzig die Drums erledigt sein Weggefährte Adel Moustafa.
Und jetzt sind wir also schon beim fünften Album der produktiven und nicht erfolglosen Band, deren Shows ebenfalls stets ausgezeichnete Kritiken bekommen. Markenzeichen von Deadsoul Tribe war bislang immer der sogenannte 'Tribal Metal'-Sound gewesen, der sich besonders in den Drums niedergeschlagen hat (Devon hat anfangs einfach ein paar Bongos an Moustafas Drumkit montiert, die dieser dann nach und nach ganz natürlich in sein Spiel einzubauen begann). Viele ruhige, melancholische Passagen gaben - ganz im Gegensatz zu früheren Psychotic Waltz-Zeiten - der sanften Seite von Graves' Stimme die Gelegenheit, richtig zu glänzen und machten nicht für alle, aber für viele den Reiz dieser Band aus.
…Und damit soll jetzt Schluss sein?
Devon hatte es zumindest angekündigt. Einen radikalen Stilwechsel weg vom Tribal-Sound, hin zum harten Metal hatte er verkündet, und der Promotext schlägt in die gleiche Kerbe.
Die völlige Abkehr vom bisherigen Sound bleibt jedoch auch auf "A Lullaby For The Devil" aus, soviel kann ich den Fans schon mal beruhigend zurufen. Das Album hält dennoch, was sie alle versprochen haben: Schon beim ersten Track "Psychosphere" knallt Devon uns einen ungewohnt unerbittlichen Brecher um die Ohren - dieser zumindest macht alle Versprechen wahr. Besonders überraschend, ja fast erschreckend: Devon Graves' Stimme. Elektronisch verzerrt, düster, rau. Man hätte den so prägnanten Sänger nicht erkannt!
Auch der folgende Song, "Goodbye City Life", kommt schwergewichtig, diesmal fast doomig, daher, bevor - ja! …Da ist sie! Devon hat seine ruhige, flehende Stimme noch, die vorerst in den Strophen gefangen bleibt. Danach schreit er uns an wie nie zuvor, wütend, melodielos. Dann wieder eine Strophe, die man diesmal fast ängstlich abwartet. Danach - wunderschön - eine Flötenpassage. Homogener, passender, dramatischer - besser als je zuvor klingt die Flöte des Masterminds. Sie dient den Songs mehr als vorher, schmiegt sich an die Strukturen, an die anderen Instrumente, umschmeichelt sie. Das gilt für das ganze Album, auf dem sie, darüber freuen wir uns, wieder mehr zum Einsatz kommt und besser in die Songs eingebettet ist als auf früheren Alben.
Noch eine Veränderung, die mir auffällt - sein Gitarrenspiel. Trotz der neuen Rolle seiner Stimme rückt sie noch mehr in den Vordergrund und macht einen traditionelleren Eindruck als bisher. Devon offenbart uns auch, dass er ein besserer Gitarrist ist, als ich bisher dachte, streut er doch, besonders in "Here Come The Pigs", einige tolle Soli ein, immer kurz, aber passend und unterhaltend, weil unkonventionell.
Die nächste Auffälligkeit ist keine mehr, denn sie bleibt auch auf diesem Album eine Konstante und heißt Adel Moustafa. Graves' ägyptisches Eigengewächs klopft mittlerweile nicht mehr nur an die Tür zur Weltspitze, er hat sie inzwischen eingetreten und ist eines der wichtigsten Merkmale von Deadsoul Tribe geworden. …Wer könnte sich diese Band noch ohne diesen herausragenden Drummer vorstellen? Ich nicht. So wie er wirklich in jedem Song seine ganze Klasse zeigt, jeden Song enorm aufwertet und wie die absolut perfekte Ergänzung zum Frontmann wirkt - phänomenal; ich kann ihn nicht genug loben. Bei ihm gibt es einfach kein 'normales' Rhythmushalten. Er ist immer außergewöhnlich und glänzt auf diesem Album sogar mehr als je zuvor - und das, obwohl er fast vollständig ohne seinen Trademark-Sound auskommt. Gib diesen Jungen nie mehr her, Devon!
Tja, und wie gut ist dieses Album, das übrigens eine sehr deutliche Hommage an Ian Anderson, der Devon zum Flötenspielen inspiriert hat, auf dem Cover hat, nun wirklich?
Ausgesprochen gut, lautet die Antwort, denn alles ist flexibler. Das Material zuallererst, was jedoch nie die Grundstimmung zerstört. Es ist immer noch Deadsoul Tribe. Und es gibt immer noch die ruhigen Passagen mit dem so eindringlichen Gesang, die die straffen Songs auflockern. Das Gitarrenspiel ist besser, das Flötenspiel hat die nächste Ebene erreicht, der Gesang ist viel flexibler und variantenreicher, das Schlagzeug ist tatsächlich noch besser geworden, sodass man sich fragen muss, wo das noch hinführen soll. Dazu kommt noch, dass "A Lullaby For The Devil" mehr wie ein Album wirkt als die Vorgänger "The Dead Word" und "The January Tree".
Kurzum: Alles in allem ist es das bislang stärkste Deadsoul Tribe-Album, auch wenn sich meine Lieblingssongs nach wie vor auf anderen Alben befinden. Auf der Verkaufsversion gibt es sogar noch eine Multimedia-Sektion mit vier Akustik-Livesongs obendrauf; davon zwei von Psychotic Waltz. …Echt überwältigend, wie viele Asse Devon Graves noch im Ärmel hatte - und vielleicht immer noch hat.
Und da denkt man, man kennt Jemanden…
Line-up:
Devon Graves (vocals, guitars, bass, keyboards, transverse flute)
Adel Moustafa (drums)
Tracklist |
01:Psychosphere
02:Goodbye City Life
03:Here Come The Pigs
04:Lost In You
05:A Stairway To Nowhere
06:The Gossamer Strand
07:Any Sign At All
08:Fear
09:Further Down
10:A Lullaby For The Devil
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