Deamon's Child / Same
Same Spielzeit: 32:08
Medium: CD
Label: Zygmatron Music, 2014
Stil: Stoner Rock, Psychedelic

Review vom 15.04.2014


Joachim 'Joe' Brookes
Deamon's Child kommt aus Hannover, eines der kreativen Zentren unserer Republik. Von dem Trio um die singende und dicke Saiten zupfende Frontfrau Ana Muhi bekommt man keine scharfen Fotos geliefert. Dafür sind die neun Songs von Deamon's Child mit Gitarrist Missu sowie Tim Mohr am Schlagzeug einfach zu divergent.
Zwischen einem Track, den die Formation Ideal nie spielen konnte und psychedelischen Bewegungsmustern, bei denen unter anderem die Entdeckung der Langsamkeit spürbar wird, ist bei diesem kreativen Dreier so ziemlich alles drin. Zur Umsetzung kulturell-ungewöhnlicher Ideen aus der niedersächsischen Landeshauptstadt erhält Deamon's Child den Zuschlag. Minimalistischer Aufwand (Trio) erzeugt große Effekte und eine Win-Win-Situation.
Die Combo hat bereits eine EP auf den Markt gebracht und so, wie sich die Tracklist der vorliegenden Platte liest, gibt es auf dem ersten Longplayer ein Wiederhören mit der einen oder anderen Nummer. Ana Muhi singt deutsche Texte und die sind schon im hypnotisierenden Opener "Äffchen fährt Fahrrad" (die zehn Sekunden "Ison" können vernachlässigt werden) eine zirzensische Sensation in der Sparte Neo-NDW, was hier besonders durch den Gesang zum Ausdruck gebracht wird.
Sind die letzten Töne dieses Stücks starker Rockmusik verklungen, glaubt der Hörer keinen Prophezeiungen oder orakelnden Tieren, wenn man ihm zu diesem Zeitpunkt ins Ohr flüstern würde, dass "Geier zwei" oder "Venus" Lieder mit der Qualität von Waberlampen, Kaleidoskopen oder wilden Phantasien sein können. Deamon's Child verkaufen musikalische Drogen von bester Reinheit. Da hat man schon viel aus dieser Sparte gehört, aber dieses Trio bringt die Leute vor den Lautsprechern in einen fast jungfräulichen Zustand, denn was man über fast neun Minuten in den beiden instrumentalen Tracks in einer Art Jam-Session abliefert darf getrost als exquisit eingestuft werden. Okay, ganz am Schluss von "Venus" gibt es ein klitzekleines Stückchen Text.
"Gedichte" haben keinen zarten Schmelz. Deamon's Child will es kratzbürstig, demonstrativ gegen den Strom einer Vereinheitlichung schwimmen. Gefühle brauchen Platz und wenn sich der durch Lautstärke, Schnelligkeit und heftig-verletzlich-tiefergelegte Gitarrenriffs, dramatisch pumpende Bässe und Stakkato-Drumming Raum verschafft, ist man bei diesem Trio an genau der richtigen Adresse.
Deamon's Child ist einfach unkalkulierbar. Cool sind die Schlagzeug-Einleitungen von "Äffchen fährt Fahrrad" beziehungsweise "Delfine". Der Weichspüler bleibt in seiner Verpackung und der Flaschengeist des Stoner Rock befreit einen aus der Zwangsjacke:
»Ratte beisst Einhorn tot
Leider nein!
Fee schlägt Taube ins Gesicht
Schulterblatt & Arschgesicht
Ja, na klar!
Und dann all die Delfine...
Sieh nur, all die Delfine!«
So viel zur künstlerischen Freiheit der Texte. Die Musik dazu ist knackig-scharfe Stoner-Kost mit Flipper-gleich-wird-er-kommen-Nachtisch im Lied-Abgang. "Alles Bio, immer Bio" avanciert definitiv nicht zur neuen Hymne der ökologisch denkenden, basisdemokratischen Gärtner-Kommune aus dem Süden Hannovers, sondern ist viel eher das Stück zur nächsten Apfelernte im eigenen Garten, denn bei dem Tempo, das hier vorgelegt wird, sind die Bäume ruckzuck leer. Klasse Album!
Line-up:
Ana Muhi (bass, vocals)
Missu (guitar)
Tim Mohr (drums)
Tracklist
01:Ison (0:10)
02:Äffchen fährt Fahrrad (3:00)
03:Delfine (3:25)
04:Alles Bio, immer Bio (4:26)
05:Mine leer (2:19)
06:Lutscher! (4:53)
07:Geier zwei (3:40)
08:Venus (5:17)
09:Gedichte (4:58)
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