Wir machen Rock aus Deutschland aber keinen Deutschrock
Rocktimes Interview RockTimes traf sich mit den Mitgliedern von Deep Green Sunset zum Gespräch. Dabei wurde über deren neues Album "Nova" diskutiert, die deutsche Musikszene ausgeleuchtet und schließlich das Geheimnis gelüftet, warum die Band nur 40 Sekunden Zeit hatte, einen Bandnamen zu finden.


Interview vom 31.05.2009


Alexander Mathias
RockTimes: Herzlich Willkommen bei RockTimes! Wir freuen uns sehr, mal wieder eine Band aus unserer Region begrüßen zu dürfen.
Chris: Hallo. Wir freuen uns bei euch zu sein.
RockTimes: Vor Kurzem haben wir hier Euer aktuelles Album Nova besprochen. Wie läuft es denn jetzt mit der Scheibe? Seid Ihr mit der bisherigen Resonanz zufrieden?
Chris: Absolut. "Nova" hat unsere Erwartungen übertroffen. Man hat ein diffuses Bild vor Augen, wenn man sich an die Produktion eines Albums macht. Jetzt, da wir den Maßstab unserer Vorstellungen an das Endprodukt anlegen können, sind wir mehr als zufrieden. Besonders schön ist es, dass die Platte bei Rezensionen und - was noch viel bedeutsamer ist - bei unserem Publikum ausgesprochen gut weg- und ankommt. Das ist wichtig.
RockTimes: Ihr habt Euch ja in der Vergangenheit einen sehr guten Ruf als Live-Act erarbeitet. Zur Zeit steht die "so weit und weiter"-Tour an. Erzählt mal ein bisschen, was Ihr da bisher erlebt habt und was in diesem Rahmen noch auf Euch zukommen wird.
Chris: Schön zu hören, dass wir diesen Ruf genießen. Wir sind eine Liveband und sind froh, dass wir als solche auch überzeugen können. In der Vergangenheit war es oft so, dass sogar die Kritiker unsere Bühnenqualitäten gelobt haben. Wenn wir Songs schreiben, dann denken wir an die Bühne, an die Leute und erst dann an das Album. Gerade deshalb ist es uns nun auch wichtig die Songs des neuen Albums an dem Ort vorzustellen, für den sie geschrieben worden sind - auf der Bühne. Die "so weit und weiter"-Tour macht uns ne Menge Spaß und ist auch so etwas wie eine Wiedergutmachung für die Entbehrungen während der produktionsbedingten Konzertabstinenz. Der Startschuss war die Release mit den Donots. Das war ein gebührender Anfang und wir hatten ne tolle Zeit. In der Folge haben wir alle Arten von Gigs gespielt. Alles hat seinen Reiz und wir haben nette Menschen kennengelernt, die in Zukunft alte Freunde sein werden. Besonders skurril war eine Aftershowparty in einem Club in Baden-Baden. Wir waren mit den Jungs vom Management und den Veranstaltern am feiern, als jemand einen Raum mit Theaterrequisiten entdeckte. Wir haben das mit Fotos dokumentiert. Leider hat das nur geringe Pressetauglichkeit. Wir freuen uns jetzt besonders auf den Juni und das Fly-High-Festival in Battweiler, wo wir mit Die Happy und Crosscut die Bretter teilen werden. Das wird ein Highlight sein.
RockTimes: 2004 habt Ihr Eure sogenannte 'Kreativzentrale' von Pirmasens nach Karlsruhe verlegt. Was war denn der Grund dafür?
Chris: Wir leben weit verstreut. Karlsruhe war sozusagen die Mitte. Zudem wohnen zwei Bandmitglieder in Karlsruhe, was Karlsruhe logistisch zu einem sinnvollen Standort macht. Ne schöne Stadt mit einer tollen Musikszene ist Karlsruhe noch dazu.
RockTimes: Wie schätzt Ihr die deutsche Musikszene ein? Einerseits gibt es den radiotauglichen Einheitsbrei und die dazugehörigen Sponsoren, andererseits etliche Bands, die ausgezeichnete Musik machen, aber nie den verdienten Bekanntheitsgrad erlangen. Was müsste da Eurer Meinung nach anders laufen?
Chris: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass selbst kleine und regionale Radiosender fast bevormundend mit ihrer Hörerschaft umgehen. Es scheint fast so, als wollte man die Leute davor bewahren mal etwas anderes zu hören. Wir wollen keine Namen nennen aber es ging uns selbst schon so, dass wir zu Radiospecials eingeladen waren und uns dann im Studio vom Musikredakteur anhören mussten, dass es absolut unmöglich sei auch nur einen Song unseres Albums in voller Länge zu spielen. Wir sind der Meinung, dass derartige Denkweisen regelrechte Kulturkiller sind. Gerade so entsteht doch der Einheitsbrei. Jede gute deutsche Band - und es gibt sehr viele gute davon - hat in aller Regel nur dann die Chance bei größeren Sendern zu landen, wenn sie klingen wie X. Das macht vieles am deutschen Radio zu einer Art Recycling. Glücklicherweise gibt es auch Ausnahmen. Auch wir werden bald bei zwei der großen deutschen Radiosender ein Feature bekommen. Es gibt also auch dort Kulturinteressierte, die unsere Musik gut finden, vorstellen und spielen. Wir würden uns wünschen, dass der Authentizität mehr Platz gelassen wird. Das würde auch angenommen. Schaut doch nur einmal, wie viele Leute eher Internetradios hören - eben deshalb, weil es interessant ist Neues und Unprostituiertes zu hören. Unser Plädoyer für mehr Offenheit und Mut für Neues! Es gibt so viel 'unerhört' Gutes in der deutschen Musikszene - welch ein Wortspiel.
RockTimes: Wo würdet Ihr Euch zur Zeit innerhalb dieser Szene einstufen?
Chris: Wir machen Rock aus Deutschland aber keinen Deutschrock. Offiziell läuft das bei uns mittlerweile unter 'Stagerock'. Wir machen was wir machen und haben unseren Spaß dabei.
RockTimes: Gibt es überhaupt genügend ZuhörerInnen, die Musik außerhalb der kommerziellen Schiene hören wollen? Wenn man das Radio oder das Fernsehen einschaltet, hat man nicht unbedingt diesen Eindruck.
Chris: Wie man an den Abonnementen von Internetradios sieht, ist es überraschend, wie viele Menschen etwas anderes hören wollen. Auch Network-Plattformen wie etwa Myspace florieren. Wir nutzen dieses Forum und sind immer wieder überrascht wie viele Menschen Interesse an unserer Sache haben. Wir leben in einer Mediengesellschaft die vielleicht gerade eine Revolution erlebt. Die kommerzielle Leitkultur gibt es noch. Neue Entwicklungen machen es aber möglich, dass die ganze Breite der Musikkultur wieder in den Blick kommt.
RockTimes: Welche Möglichkeiten hat eine Band heutzutage, ohne ein großes Label einen akzeptablen Bekanntheitsgrad zu erlangen. Das Internet gibt sicherlich einiges her, aber reicht das aus?
Chris: Auf jeden Fall reicht das aus. Für viele Bands ist es wahrscheinlich das Beste, wenn sie sich selbst die notwendigen Strukturen schaffen. Hat man einen kompetenten Partner, der Management und Booking übernimmt, dazu einen Vertrieb und eine funktionierende Arbeitsteilung in der Band, dann hat man alles am Start, was notwendig ist. Nicht jeder Deal bringt Vorteile mit sich. Oft wird den Künstlern das Geld aus der Tasche gezogen und die Gegenleistungen sind kaum der Rede wert - natürlich ist das nicht immer so. Uns wurden jedenfalls Plattenverträge angeboten... die reinste Bauernfängerei. Wichtig ist, dass eine Band weiß, wie das Business läuft und ein Auge dafür entwickelt, was wirklich gebraucht wird. Wenn die Mucke gut ist, dann gibt es auch Leute, die das gut finden und die Band über den Kauf der Platten und Merch-Artikel unterstützen. Die richtigen Leute müssen aber erreicht werden. Das ist die Herausforderung und das Internet bietet sehr viele Möglichkeiten. Die Netzpräsenz ist so wichtig. Uns hat es enorm viel gebracht mit Julius und Daniel von SEEBACH & TRETTER Eventmanagement zusammenzukommen. Die Jungs machen einen phänomenal guten Job.
RockTimes: Deep Green Sunset ist auf den ersten Blick ein etwas verwirrender Name. Bisher war das Abendrot immer rot und nicht grün? Wie seid Ihr eigentlich auf diesen Namen gekommen?
Chris: Es würde wohl einiges hermachen, wenn wir jetzt was Philosophisches zur Namensgeburt loslassen würden. Die Wahrheit ist aber eine andere Geschichte: Unser erster Proberaum war ein Kellerraum direkt unter einem Musikclub. Wir hatten damals noch keinen Namen, verstanden uns eher als Projekt. Jedenfalls stand plötzlich die Veranstalterin im Proberaum und gab zu verstehen, dass eine Band ausgefallen sei. So kam es zu unserem chaotischen ersten Konzert. Deep Green Sunset war das Originellste, was uns in den verbleibenden vierzig Sekunden bis zur Ansage eingefallen war. Eine Sturzgeburt sozusagen: Eine Stimmung. Kein Symbol für etwas Konkretes. Die zehn Jahre Haltbarkeit sprechen aber für den Namen.
RockTimes: Kommen wir nochmal zurück zu "Nova". Drei der Tracks singt Ihr auf Deutsch, was durchaus seinen Charme hat. Kann man damit rechnen, dass Ihr zukünftig ein komplett deutsches Album veröffentlicht?
Chris: Nichts ist unmöglich. Es scheint so, als käme das Texten in zwei Sprachen immer als 'wir können uns nicht entscheiden?!' rüber. Aber sein wir mal ehrlich: Welche Musik hört man denn? Dinge die uns beeinflussen und künstlerisches Schaffen inspirieren sind doch eben sehr oft englischsprachig. Das verstecken wir nicht - englischsprachige Musik war und ist eben ein wichtiger Einfluss. Andererseits ist Deutsch aber auch die Sprache in der sich unser Alltag abspielt und manchmal ist es eben so, dass man Erfahrungen und Stimmungen, die man ins Songwriting einfließen lässt besser und authentischer kommen, wenn man deutsch textet. Außerdem klingen Sprachen musikalisch unterschiedlich. Man kann den Charakter eines Songs total verändern, wenn man sich einer anderen Sprache bedient. Wir machen eben beides - und das ist gut so. Was die Zukunft bringt, bringt die Zukunft.
RockTimes: Und was habt Ihr für Pläne für die Zukunft?
Chris: Der Umgang mit Zeit ist ein Hauptmotiv im neuen Album "Nova". Oft hetzt man sich selbst zu sehr hinterher und verliert dabei aus dem Blick, was gerade geschieht. Wir sind froh, dass jetzt alles so toll läuft und wir für unsere Mühen belohnt werden. Wir genießen es, dass wir gerade in der Gegenwart sind, Gigs anstehen und viel geschieht. Das heißt nicht, dass wir nicht auch schon weiterdenken. Spruchreif ist aber noch nichts. Ihr hört von uns.
RockTimes: Vielen Dank, dass Ihr Euch Zeit für RockTimes genommen habt. Natürlich werden wir auch weiterhin sehr aufmerksam beobachten, wie es mit Deep Green Sunset weitergeht. Und wir werden gewiss die Feder zücken, wenn es von Euch neues zu berichten gibt. Viel Erfolg und viel Spaß bei Eurer Tour und hoffentlich bis bald.
Chris: Wir bedanken uns. Auch euch alles Gute.
Wir danken Julius von der SEEBACH & TRETTER Eventmanagement GmbH, der uns das Gespräch mit Chris ermöglicht hat.
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