Trotzdem erscheinen ein paar Fragezeichen hinsichtlich dem "ultimative(n) Deep Purple Kompendium" angebracht:
Darf ein Nachschlagewerk als 'ultimativ' bezeichnet werden, das sich weitgehend auf die Studioalben bezieht?
Popoff beruft sich in seiner kurzen Begründung auf inflationär in den Markt gepumpte Livealben und Compilations. Dabei könne man leicht vom Hundertsten ins Tausendste geraten und den roten Faden verlieren, was man nachvollziehen kann.
Sollten nicht gewisse Mindeststandards beim Zitieren eingehalten werden? Hier liegt tatsächlich ein Schwachpunkt. Natürlich handelt es sich hier - wie eingangs angeführt - nicht um eine wissenschaftliche Arbeit. Die Texte basieren allerdings auf einer Vielzahl von wörtlichen Zitaten, ohne dass ersichtlich wäre, aus welchen Interviews und somit auch aus welchem zeitlichen Kontext sie stammen. Allerdings fügt er diese Angaben in den Quellennachweisen an. Andererseits könnte man ins Felde führen, dass es bei der Unmenge von genutzten Zitaten zu einer wahren 'Fußnotenorgie' gekommen wäre.
Der nächste Punkt schließt daran an: Stilistisch wirkt
Popoffs Werk durch die quasi in jedem dritten Satz angeführten wörtlichen Kommentare der Bandmitglieder oder engen Wegbegleiter ziemlich zerfahren. Hier hätte man sich auf die wirklich wichtigen Aussagen beschränken sollen und alles andere indirekt zitieren können. Ohnehin habe ich persönlich mich mit
Popoffs sprödem Schreibstil schwer getan, was aber auch an der Übersetzung ins Deutsche liegen kann.
Wie ernst kann oder darf man einen Autoren nehmen, der allen Ernstes die aktuelle Besetzung
Deep Purples als eine der stärksten einschätzt? Es zeugt schon von einer gewaltigen Portion 'Mut' (um jetzt eine Wertung zu vermeiden), bspw.
Machine Head und "Bananas" auf eine Stufe zu stellen. Hier scheint der Autor ganz bewusst ein wenig provozieren zu wollen, offenbar um Spannungspotenzial aufzubauen. Wenn es so wäre, fände ich es einen sehr gelungenen Ansatz, denn ein Buch sollte Reibungspunkte bieten, damit der Leser sich mit der jeweiligen Materie noch einmal neu auseinandersetzen kann!
Diese bieten sich durchaus auch am Rande. Einige kleine Seitenhiebe, bspw. zu
Led Zeppelin oder den
Scorpions, kann sich der Verfasser nicht verkneifen, was für manche Leser durchaus den Tatbestand der 'Majestätsbeleidigung' erfüllen könnte. Hier sollte man ggf. ein paar Lockerungsübungen zur Entspannung zwischen den Kapiteln einlegen.
Martin Popoff schreibt als Fan - zu keinem Zeitpunkt versucht er dies hinter einem objektiven Feigenblatt zu verbergen. Sollte er dies ausgerechnet bei einem Kompendium tun? Das ist, wie zumeist, Geschmackssache - mir persönlich gefällt diese offene, direkte Art... und, wie schon mehrfach angemerkt, ist "Das ultimative Deep Purple Kompendium" definitiv nicht
Popoffs Dissertation!
Die einzelnen Kapitel behandeln jeweils die Studio- sowie die beiden wichtigsten Livealben. Hier bringt Popoff viel persönliches Herzblut ein, auch das merkt man deutlich. Die beteiligten Musiker sowie Freunde und Wegbegleiter schildern die Umstände, in denen die jeweilige Scheibe entstanden ist, und beleuchten wichtige Hintergründe. So entsteht aus den einzelnen Schilderungen quasi puzzleartig eine Bandhistorie - ein sehr interessanter Ansatz, wie ich finde, auch wenn sich Popoff dann doch gelegentlich zu verzetteln und den 'roten Faden' zu verlieren scheint. Die Informationen der Kapitel sind immens. Ab und zu 'erschlägt' es den Leser beinahe und er sollte sich nicht scheuen, die wichtigsten Passagen zu markieren, falls er das Nachschlagewerk (wie unsereins) zur Arbeit benutzen sollte.
Im Anhang findet sich auszugsweise eine Diskographie, deren Sinn man allerdings im Zeitalter des weltweiten Web anzweifeln mag. Obendrein fehlen wichtige Angaben wie Line-up, Produzent, Aufnahmestudios und ähnliches. Des weiteren sind umfangreiche Quellenangaben (Interviews und Bibliographie) gelistet, die allerdings unter den o. g. Gesichtspunkten kritisch betrachtet werden müssen. Auch weiterführende Literaturempfehlungen fehlen nicht.
Als positiv dürfen die beiden Fotostrecken gewertet werden, deren Aufnahmen zwischen1974 und 1994 entstanden sind; die älteren sind fraglos etwas unscharf. Offen bleibt (oder habe ich da etwas überlesen?), wer die Bilder 'geschossen' hat.