Martin Popoff / Das ultimative Deep Purple Kompendium
Das ultimative Kompendium 504 Seiten, davon 75 Seiten farbige Abbildungen
Sprache: Deutsch
Medium: Buch
Gebundene Ausgabe
Erschienen bei Iron Pages Books, 2013
1. Auflage
ISBN-13: 978-3-931624-59-0
EUR 24,90 (A) / 25,60 (A)

Review vom 05.10.2013


Steve Braun
Wer eine heitere Gute-Nacht-Lektüre sucht, ist bei Martin Popoffs neuestem Werk sicherlich an der falschen Adresse. "Das ultimative Deep Purple Kompendium" macht seinem Namen alle Ehre und ist eindeutig mehr ein Nachschlagewerk als eine locker lesbare Bandhistorie. Ob es allerdings auch ein Lehrbuch (wie 'Kompendium' suggeriert) darstellt, darüber kann man - übrigens ebenso wie beim Adjektiv 'ultimativ' - durchaus geteilter Meinung sein. Hierfür hat das Buch nämlich einige handwerkliche Schwächen. Gut, dass es keine Doktorarbeit ist, denn - man erinnere sich an Gutti und die anderen Zwerge - es wäre Martin Popoff sprichwörtlich um die Ohren geschlagen worden. Doch dazu später mehr...
Der kanadische Musikjournalist Martin Popoff ist eine wahre Koryphäe auf seinem Gebiet. Das Tagesgeschäft kennt er als Chefredakteur der angesehenen Webseite Brave Words & Bloody Knuckles ebenso wie als freier Mitarbeiter diverser anderer Online- und Printmagazine. Auch als Autor zahlreicher Bücher hat er sich als ausgewiesener Experte, in hardrockigen wie metallischen Gefilden gleichermaßen, profilieren können. Zudem zählt Deep Purple seit jeher zu den Top-4 seiner persönlichen Hitliste. Popoffs Kompetenz kann daher zweifelsfrei als erwiesen angesehen werden.
Trotzdem erscheinen ein paar Fragezeichen hinsichtlich dem "ultimative(n) Deep Purple Kompendium" angebracht:
Darf ein Nachschlagewerk als 'ultimativ' bezeichnet werden, das sich weitgehend auf die Studioalben bezieht? Popoff beruft sich in seiner kurzen Begründung auf inflationär in den Markt gepumpte Livealben und Compilations. Dabei könne man leicht vom Hundertsten ins Tausendste geraten und den roten Faden verlieren, was man nachvollziehen kann.
Sollten nicht gewisse Mindeststandards beim Zitieren eingehalten werden? Hier liegt tatsächlich ein Schwachpunkt. Natürlich handelt es sich hier - wie eingangs angeführt - nicht um eine wissenschaftliche Arbeit. Die Texte basieren allerdings auf einer Vielzahl von wörtlichen Zitaten, ohne dass ersichtlich wäre, aus welchen Interviews und somit auch aus welchem zeitlichen Kontext sie stammen. Allerdings fügt er diese Angaben in den Quellennachweisen an. Andererseits könnte man ins Felde führen, dass es bei der Unmenge von genutzten Zitaten zu einer wahren 'Fußnotenorgie' gekommen wäre.
Der nächste Punkt schließt daran an: Stilistisch wirkt Popoffs Werk durch die quasi in jedem dritten Satz angeführten wörtlichen Kommentare der Bandmitglieder oder engen Wegbegleiter ziemlich zerfahren. Hier hätte man sich auf die wirklich wichtigen Aussagen beschränken sollen und alles andere indirekt zitieren können. Ohnehin habe ich persönlich mich mit Popoffs sprödem Schreibstil schwer getan, was aber auch an der Übersetzung ins Deutsche liegen kann.
Wie ernst kann oder darf man einen Autoren nehmen, der allen Ernstes die aktuelle Besetzung Deep Purples als eine der stärksten einschätzt? Es zeugt schon von einer gewaltigen Portion 'Mut' (um jetzt eine Wertung zu vermeiden), bspw. Machine Head und "Bananas" auf eine Stufe zu stellen. Hier scheint der Autor ganz bewusst ein wenig provozieren zu wollen, offenbar um Spannungspotenzial aufzubauen. Wenn es so wäre, fände ich es einen sehr gelungenen Ansatz, denn ein Buch sollte Reibungspunkte bieten, damit der Leser sich mit der jeweiligen Materie noch einmal neu auseinandersetzen kann!
Diese bieten sich durchaus auch am Rande. Einige kleine Seitenhiebe, bspw. zu Led Zeppelin oder denScorpions, kann sich der Verfasser nicht verkneifen, was für manche Leser durchaus den Tatbestand der 'Majestätsbeleidigung' erfüllen könnte. Hier sollte man ggf. ein paar Lockerungsübungen zur Entspannung zwischen den Kapiteln einlegen. Martin Popoff schreibt als Fan - zu keinem Zeitpunkt versucht er dies hinter einem objektiven Feigenblatt zu verbergen. Sollte er dies ausgerechnet bei einem Kompendium tun? Das ist, wie zumeist, Geschmackssache - mir persönlich gefällt diese offene, direkte Art... und, wie schon mehrfach angemerkt, ist "Das ultimative Deep Purple Kompendium" definitiv nicht Popoffs Dissertation!
Die einzelnen Kapitel behandeln jeweils die Studio- sowie die beiden wichtigsten Livealben. Hier bringt Popoff viel persönliches Herzblut ein, auch das merkt man deutlich. Die beteiligten Musiker sowie Freunde und Wegbegleiter schildern die Umstände, in denen die jeweilige Scheibe entstanden ist, und beleuchten wichtige Hintergründe. So entsteht aus den einzelnen Schilderungen quasi puzzleartig eine Bandhistorie - ein sehr interessanter Ansatz, wie ich finde, auch wenn sich Popoff dann doch gelegentlich zu verzetteln und den 'roten Faden' zu verlieren scheint. Die Informationen der Kapitel sind immens. Ab und zu 'erschlägt' es den Leser beinahe und er sollte sich nicht scheuen, die wichtigsten Passagen zu markieren, falls er das Nachschlagewerk (wie unsereins) zur Arbeit benutzen sollte.
Im Anhang findet sich auszugsweise eine Diskographie, deren Sinn man allerdings im Zeitalter des weltweiten Web anzweifeln mag. Obendrein fehlen wichtige Angaben wie Line-up, Produzent, Aufnahmestudios und ähnliches. Des weiteren sind umfangreiche Quellenangaben (Interviews und Bibliographie) gelistet, die allerdings unter den o. g. Gesichtspunkten kritisch betrachtet werden müssen. Auch weiterführende Literaturempfehlungen fehlen nicht.
Als positiv dürfen die beiden Fotostrecken gewertet werden, deren Aufnahmen zwischen1974 und 1994 entstanden sind; die älteren sind fraglos etwas unscharf. Offen bleibt (oder habe ich da etwas überlesen?), wer die Bilder 'geschossen' hat.
Möglichen Kritikpunkten und einiger Schwächen zum Trotz ist Martin Popoff hier ein gutes Nachschlagewerk gelungen - obendrein komplett in deutscher Sprache. Es hat durch seinen etwas anderen Ansatz sicher seinen Platz neben der ebenfalls guten Biografie von Jürgen Roth und Michael Sailer, "Deep Purple: Die Geschichte einer Band", im Bücherregal des Musikfreundes verdient.
Tracklist
01:Einleitung
02:Shades Of Deep Purple
03:The Book Of Taliesyn
04:Deep Purple
05:Concerto For Group And Orchestra
06:In Rock
07:Fireball
08:Machine Head
09:Made In Japan
10:Who Do We Think We Are
11:Burn
12:Stormbringer
13:Come Taste The Band
14:Made In Europe
15:Intermezzo
16:Perfect Strangers
17:The House Of Blue Light
18:Nobody's Perfect
19:Slaves And Masters
20:The Battle Rages On...
21:Come Hell Or High Water
22:Purpendicular
23:Abandon
24:In Concert With The London Symphony Orchestra
25:Bananas
26:Rapture Of The Deep
27:Epilog
28:Ausgewählte Diskografie
29:Quellenangaben
Externe Links: