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Deep Purple / 04.11.2008, Messehalle Erfurt Support: Gotthard
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Deep Purple
Erfurt, Messehalle
04. November 2008
Support: Gotthard
Konzertbericht
Stil: Hard Rock
Fotos: ©Axel Clemens
Artikel vom 12.11.2008
Ingolf Schmock
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Hard Rock-Jubilare auf Pensionstour?
Hard Rock-Legende Deep Purple gastierte auf ihrer 40th Jubilee-Tour in der Thüringischen Landeshauptstadt, Messe Erfurt, 04.11.08
Ein runder Geburtstag ist eigentlich immer etwas Besonderes und sollte gebührend gefeiert werden. Umso mehr, wenn man auf eine vierzig Jahre andauernde Berufslaufbahn in einer schroff umkämpften Musikindustrie zurückblicken kann. Wer hätte denn auch erahnen mögen, dass aus der Investitionsidee eines betuchten Textilgroßhändlers eine der einflussreichsten Hard Rock-Formationen und Mitbegründer eines Genres in der Geschichte der populären Musik, entstehen würde.
Die jungen britischen Wilden assimilierten damals den psychedelischen Rock der frühen Jahre, ein wenig Rhythm & Blues und Rock'n'Roll, schöpften aber auch noch das letzte Quantum vom Klassik-Rahm ab, um so allmählich ihr eigenes Hard Rock-Süppchen zu köcheln.
Sie ließen sich bei ihrer letztendlichen Namensgebung Deep Purple von einem
Schlagertext inspirieren - auch wenn einige eher die zeitgemäße Metapher für ein damals geläufiges Rauschmittel deuteten - um am 20. April 1968 im dänischen Tastrup als eine Band zu debütieren.
Sie waren nach dem Einstieg ihres gesangsakrobatischen Wahrzeichens Ian Gillan bestrebt, sich von dem effizienten Lärm der ehemaligen Konkurrenten sowie von den vom industrieproletarischen Kleinbürgertum verehrten Combos wie Black Sabbath & Co. abzunabeln.
Klassisch inspirierte, progressive Meisterwerke wurden in den Stein der Musikgeschichte
gemeißelt, sogar erstmalig eine konzertante Vermählung zwischen Rockgruppe und einem Sinfonieorchester inszeniert und auch verewigt.
Erst "Deep Purple In Rock" (1970), avancierte zum Hard Rock-Meilenstein und somit zu einer Stilmanifestierung der fünf Musiker. Die oftmals wie ein unartiges Kind kreischende Stimme von Ian Gillan, die heulenden Stratocaster-Akkorde Ritchie Blackmores, Jon Lords wuchtig-sakrale Hammondorgel, sowie die wummernd treibende Rhythmusmaschinerie der Herren Glover und Paice setzten viele Jahre Genremaßstäbe.
Vieles ist seither Geschichte: Umbesetzungen, Auszeiten, Höhen und Tiefen und ein
Gitarrenriff, welches bis heute von unzähligen Saitenkünstlern kopiert wurde bzw. Menschen in Ost und West bewegte.
"Smoke On The Water", dessen Popularität bzw. Idee während eines Grossfeuers im Casino von Montreux um den Auftritt von Frank Zappas Ensemble im Dezember 1971 geboren wurde, ist seit Erscheinen aus dem Konzertprogramm der Briten nicht mehr wegzudenken.
Selbst Chordiktator Gotthilf Fischer sorgte im vergangenen Sommer dafür, das 1802 simultan spielende Gitarristen mit eben dieser Komposition den Eingang ins Guinessbuch der Rekorde fand.
Nun sind die gereiften Herren von Deep Purple wieder auf den Bühnen dieser Welt
unterwegs, haben sich vierzig Jahre Leben auf ihre Plakate geschrieben und wollen die Mitgealterten und frisch missionierten Fans zum Ablass bewegen.
So auch diesen Dienstagabend in der prächtig gefüllten Erfurter Messehalle zum wiederholten Mal bei ihrem jubilierenden Geburtstagskonzert.
Als Vorheizer setzte der Tourneeveranstalter diesmal auf eine recht sichere Nummer und engagierte die seit Anfang der Neunziger international recht erfolgreiche schweizerische Formation Gotthard, die in unserem Land eine ansehnliche Fangemeinde ihr Eigen nennen kann.
Beachtliche sechzig Minuten schleuderten diese dann auch ihre, vom Tonmischer etwas übertriebenen, Gehör zerfetzenden Dezibelkanonaden ins euphorisierte Publikum, welches sich schon reichlich vor der Bühne begeisterte.
Bei den fünf Jungs vermisste man spätestens nach dem vierten Song die Abwechselung, wenig gefälligeren Sound und mehr ungezügelte knorrigere Riffs. Gotthard reproduzierten stattdessen substanzlosen, aalglatten Melodikrock mit perfekter Mitklatsch-Choreografie nebst rezeptiertem DJ Ötzi-Appeal und einen hyperaktiven und gesangsstarken Frontmann, welcher offensichtlich zu gern im langen Schatten eines Steven Tyler pointiert.
Kurzum, die Burschen musizierten über die volle Distanz jede Menge Schweizer Käse, welcher bekannterweise nicht zu dem Schlechtesten im Weltniveau zählt.
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Danach gilt es, den für 21.30 Uhr avancierten Showstart einer noch lebenden Legende - die oft zitierten 'Väter aller Schwermetaller' - fünf gereifte Männer, die so manchen gelernten DDR-Bürgern schlaflose Nächte vor den Kassettenrekordern bescherten, DIE Hard Rock-Institution Deep Purple huldvoll zu begrüßen.
Ihre Majestät stecken mit der "Pictures Of Home"-Eröffnung gleich ihre weitere, konzertante Marathonstrecke ab, verkünden mit Getöse wortlos die Botschaft der folgenden knapp zwei Stunden.
Die Protagonisten haben ihre exzessiven und konfliktreichen Bühnenjahre längst hinter sich gelassen, verschanzen sich nicht mehr hinter riesigen Verstärkertürmen und dehnen ihre Kompositionen nicht mehr zu ellenlangen, improvisationsgeladenen Jams aus. Heute bewegen sich Ian Gillan & Co. erhaben und mit sich selbst im Reinen über die Bühnenbretter, zelebrieren völlig unspektakulär ihre konsequenten Rock-Meisterwerke aus dem vier Jahrzehnte angefüllten Fundus.
An diesem Abend hatte sich die Band außerdem noch für ein, zwei Stücke vom bisher letzten Studioalbum Rapture Of The Deep (2005) entschieden, bevor sie mit einem Bruchteil Greatest Hits die zahlreichen Besucher in gedämpfte Hysterie versetzten.
Ein stark abgemagerter, gebräunter Ian Gillan taumelte ohne übertriebenen Gestus wie ein griechischer Volkstänzer von einem Bühnenende zum anderen, und versuchte sich des häufigeren im oktavengesteigerten Falsett-Gesang, was ihm viel zu selten gelang, mehr noch in einem hüstelnden Röcheln erstarb.
Nach den ersten vier überlauten, heruntergeratterten Stücken und offenbar ein paar Mikrofonproblemen, wandte sich der Sänger mit den üblichen Höflichkeitsfloskeln erstmalig
an die Geburtstagsgäste.
Danach preschten die fünf Routiniers mit allen ihren essenziellen, musikalischen Markenzeichen und reichlich verteilten, solistischen Einlagen durch das Programm, wobei Gitarrist Steve Morse, mit seinen 54 Lenzen jüngstes Bandmitglied, durch sein agiles tadelloses Spiel bzw. seiner limitiert akkuraten Wechselschlagtechnik die Szenerie über weite Strecken belebte. Der einzige Nichtbrite der Band, konnte mit seiner Music-Man Signature-Telecaster einerseits beim emphatischen "Contact Lost"-Soloausflug für sich punkten, erweckte aber über weite Strecken den Eindruck, er müsse die Kompositionen vor seiner Zeit mit brachialen Riffs geradewegs zerschreddern, was ihm auch formvollendet gelang.
Zu seiner Verteidigung muss man hinzusetzen, das der symphatische Saitenkünstler ein viel besserer, kollegialerer Mitstreiter innerhalb der Mannschaft ist, als es ein Ritchie Blackmore je war, und man deshalb letzterem keine Tränen nachweinen muss. Blackmores derzeitiges Musizierstück, welches mehr einem strumpfhosenbekleideten Minnespiel-Theater aus Molieres Feder gleichkommt, lässt diese Erkenntnis noch mehr erwachsen.
Auch der für den Bandstil tragende Hammondorganist Don Airey ist mittlerweile ein alter Hase an den Tasten, und weiß seine Bühnendienste exakt zu verrichten, lässt zwischendurch mit maximalen Science Fiction-Getöse und Kathedralen-Klassik-Adaptionen dass Hallendach erzittern. Über die beiden zuverlässigen Zwerchfell-traktierenden Rhythmiker Roger Glover und Urmitglied Ian Paice braucht man keine Oden mehr anstimmen, so dass alle fünf zusammen auch an diesem Abend eine Einheit verkörpern und die Szenerie mit ganzem Einsatz zu erobern vermochten.
Spätestens beim Jahrhundert-Riff zur Elementarhymne über Feuer und Wasser zerbrachen auch beim zurückhaltensten Fan alle Fesseln, und die Messehalle gerierte kurzzeitig zum Tollhaus.
Im folgenden Zugabeblock warteten die Hard Rocker dann auch noch mit einer Überraschung auf und intonierten entgegen der vorher ausgegebenen Setliste, kurzerhand "Speed King", improvisierten aber dabei etwas holprig und unbeholfen den solistischen Mittelteil, versuchten selbigen aber gleich mit einigen Elvis- und Roy Orbison- Rock'n'Roll-Zitaten zu rehabilitieren.
Dieser schweißtreibende, Serotonin erzeugende Konzertabend nahm schließlich auch ein Ende und entließ unzählige, freudig erregte Besuchergesichter in die ungemütlich kalte Novembernacht, hinterließ beim kritischen Betrachter aber auch einen faden Nachgeschmack.
Dass die sympathisch-altmodischen Qualitäten einer klassisch geschulten Rock'n'Roll-Band
in diesen von Negativnachrichten überschütteten Zeiten immer noch als eine Konstante in einem bröckelnden Marktumfeld gelten, zeigen uns die derzeit ekstatischen Ticketverkäufe für kommende Tourneen eben dieser gereiften Helden.
Im Fall Deep Purple und Ian Gillan, dessen gesangliche Qualitäten unter Livebedingungen mittlerweile als stark grenzwertig einzuordnen sind, sollten sich die Rock-Ikonen langsam Gedanken darüber machen, sich endgültig aus der Konzertbühnen-Boheme würdevoll zurückzuziehen. Dass Deep Purple schon lange den Schlüssel zum Rockolymp errungen haben, kann ihnen niemand mehr absprechen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um würdevoll in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen, müssen die reifen Herren für sich selbst entscheiden.
Vielleicht sollten sie ihre Kraft dafür verwenden, im heimischen Studio ein letztes Mal einen Meilenstein für die Nachwelt zu konservieren um ihren Mythos zu Lebzeiten bewahren, wie es einst die Schweden Abba vollbrachten.
RockTimes bedankt sich für die freundliche Betreuung und Unterstützung bei Irina Pötschke und Victoria Keilwerth von der Känguruh Production Konzertagentur GmbH.
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