»We're not a Heavy Metal-band. We're more Country & Western compared to Heavy Metal!«
Die einleitenden Worte Roger Glovers, Bassist der unsterblichen Mark-II-Besetzung, sorgen in den kurzem Intro-Clip für herzhafte Lacher.
Mark-II-Besetzung! Mit diesem Begriff ist eigentlich schon alles gesagt, steht er doch als Synonym für die legendärste aller Deep Purple-Zusammensetzungen: Ian Gillan, Ritchie Blackmore, Roger Glover, Jon Lord und Ian Paice. Ein Fünfer, der Großes geleistet hat und aus ganz Großen bestand. Letzteres war ja bekanntermaßen auch der casus knaktus, der zum Auseinanderbrechen der Formation führen sollte.
Von 1969 bis 1973 währte die erste Phase des höchst kreativen Quintetts. Nach der 'Ruhepause' gab es ab 1984 bis 1989 einen weiteren Versuch und schließlich rottete man sich noch ein letztes Mal von 1992 bis Ende 1993 zusammen. Und genau in den mittleren Zeitabschnitt fiel dann die Perfect Strangers-Tour, die die Band zum langersehnten Comeback (der Mark-II-Besetzung) nach elf Jahren Pause um die Welt führen sollte. Eine Tour, die mit Unterbrechungen letztendlich über drei Jahre dauerte und die wir im vorliegenden Fall mit einer neuen Veröffentlichung gewürdigt wissen. Neben der hier vorzustellenden DVD gibt es das Ganze auch noch als Doppel-CD, bzw. Doppel-Vinyl und in verschiedenen Kombinationen.
Der 27. November 1984 markierte den Tourbeginn im australischen Perth. Der gemeine Mitteleuropäer musste aber noch bis zum Sommer 1985 warten, denn dazwischen lagen neben den antipodischen Dates viele Shows in Nordamerika und Japan. Unser Konzert hier wurde während des ersten Abschnitts in Australien aufgezeichnet und dokumentiert neben der Darbietung fast aller Klassiker auch die Vorstellung des seinerzeit frisch erschienenen Albums "Perfect Strangers", dessen Titelsong nicht nur der Rezensent für einen der besten Purple-Songs überhaupt hält.
Selbiger vermag sich glücklich schätzen, auch eine Show der betreffenden Tour gesehen zu haben und sich zudem noch mit einer gewissen Genauigkeit daran erinnern zu können. Um aber die kleinen Lücken im Gedächtnis aufzufüllen, ist Eagle Rock ausgezogen, dieses Dokument unter die Leute zu bringen. Und das mit Recht, denn die Band war, vielleicht auch wegen der langen Abstinenz, in bester Verfassung, strotzte nur so vor Enthusiasmus und vermochte es uneingeschränkt, dieses dem Publikum zu vermitteln. (N. B. Wir stehen ja hier ganz am Anfang der Tour - später, gegen Ende, sollte das hin und wieder auch mal anders aussehen).
Davon jedoch sind wir noch weit entfernt und bekommen fünf Herren präsentiert, die sich durchaus noch nicht über den Zenit ihrer Schaffenskraft begeben haben. Vom ersten Track an ("Highway Star") ist eine energiegeladene Band zu sehen, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Logischerweise konzentriert sich der Betrachter (und der Kameramann) immer wieder auf die drei Hauptakteure Blackmore, Gillan und Lord. Jeder kennt das Reibungspotential und weiß um die internen Spannungen dieser drei Rock-Größen an Gitarre, Mikro und Tasten, die auch gar nicht Gegenstand meiner Ausführungen sein sollen. Hier erscheint die Band als Band (und nicht wie fünf einzelne Akteure, die jeder für sich ihr Ding machen) und die Kamera fängt auch immer wieder mal unmissverständliches Grinsen zwischen Blackmore und Gillan ein.
Letzterer kommt fast jugendlich frisch daher, vermag seinerzeit noch die Ausflüge in hohe Tonlagen schadlos zu überstehen. Jaja, ich weiß, die Messlatte liegt auf immer und ewig bei "Child In Time" und die Diskussion ist müßig, heute geht das nicht mehr. 1984 aber hat er das noch rausgehauen und es passte - ein grandioses Stück. Schaut Euch auch mal ganz genau das extralange "Strange Kind Of Woman" mit seinen stimmlichen Exkursen gegen Ende an! Zudem zeugen seine kleinen und heute ach so vermissten Duelle mit Ritchie Blackmore noch von seinem starken Potential.
Die nächste Frage stellt sich natürlich nach der Performance des Saitenhexers, dem ja nachgesagt wird, dass die Reunion-Phase zu seiner schlechtesten überhaupt gehört. Wir lassen das mal unkommentiert und behaupten stattdessen, alles Jammern geschieht auf allerhöchstem Niveau. Blackmores Show bietet ein paar (subjektive?) Schwachstellen und ebensolche Highlights. "Lazy" gehört vielleicht noch zur ersten Kategorie und auch das etwas übertriebene in-Szene-Setzen beim Solo zu "Space Truckin'". Dafür werden wir wir aber an vielen anderen Stellen massiv entschädigt und mir ist ein 'dahingerotztes' "Lazy" tausendmal lieber als sein von der Candice Night-Muse geküsstes Mittelalter-Gesülze… Ein persönlicher Leckerbissen ist mal wieder seine Intonation von "Freude schöner Götterfunken" ("Difficult To Cure"), bei der die gesamte Band später einsteigt, Ian Gillan entrückt die Congas bedient und die uns im Anschluss in eine Tasten-Orgie Jon Lords entführt, dass einem der Atem stockt.
Keine (frühere) Purple-Show ohne den Meister an den Tasten. Dass Jon Lord diesen Titel uneingeschränkt verdient hat, bedarf keines weiteren Kommentars und auch "Perfect Strangers Live" ist lediglich [sic!] ein weiteres Dokument seines großartigen Spiels. Hier jagt er die Töne über die Leslies, dass es eine wahre Freude ist, gibt sich den kleinen und auch mal etwas ausgedehnteren Wettstreiten mit seinem Spannmann Blackmore hin und schafft es, die ihm so eigene Bühnenpräsenz ohne großen Firlefanz, aber unglaublicher Hingabe zu kreieren.
Die damalige Setlist bestand einerseits aus den unverzichtbaren Hits, allein die Zugabe "Smoke On The Water" mit ihren mehr als zehn Minuten Spielzeit sei allen Käufern dieser DVD wärmstens ans Herz gelegt, aber natürlich auch aus Stücken der gerade veröffentlichten "Perfect Strangers", von der immerhin fünf Kompositionen gespielt werden, alle in der ersten Hälfte der Show. Ganz stark sind dabei "A Gypsy's Kiss" und "Knocking At Your Back Door". Der Rest ist eben besagten älteren Songs vorbehalten: "Child In Time", "Space Truckin'", "Black Night", "Speed King" und natürlich der olle Rauch überm Wasser.
Der Sound macht sich auch über die Anlage sehr gut und differenziert (ich vermute mal, dass die CD-Version ähnlich ist, jedoch muss ich mit einem Urteil dazu warten, bis mir das Teil vorliegt). Speziell bei den Bass- und Schlagzeugparts kommt das richtig fett rüber. Beide Musiker, Roger Glover und Ian Paice bekommen natürlich im Verlauf der Show ausreichend Gelegenheit ihre solistischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Die Bildqualität ist wohl dem Alter entsprechend in Ordnung, wobei das Konzert in 4:3 aufgenommen wurde, die Bonustakes in 16:9 zu sehen sind. Dass rote Lampen die Szenerie zu schlecht zu filmenden Sequenzen macht, ist ja kein Geheimnis und unter den gegebenen Umständen wollen wir nicht weiter maulen.
Die zusätzlichen rund zwanzig Minuten Dokumentation über die Tour machen zusammen mit dem zweistündigen Konzert eine lohnende Investition aus dem silbernen Rundling.
Denn, diese DVD zeugt in bestechender Weise von einer der besten Phasen Purple'scher Live-Performance. Für mich, und eigentlich müsste es jedem Liebhaber genauso gehen, ist sie jetzt schon ein unverzichtbarer Teil meiner Sammlung geworden und rangiert zumindest mal sehr weit oben auf der Skala.
Well done, Mr. Eagle Rock Entertainment!
Line-up:
Ian Gillan (vocals)
Ritchie Blackmore (guitar)
Roger Glover (bass)
Jon Lord (keyboards)
Ian Paice (drums)
Tracklist |
01:Highway Star
02:Nobody's Home
03:Strange Kind Of Woman
04:A Gypsy's Kiss
05:Perfect Strangers
06:Under The Gun
07:Knocking At Your Back Door
08:Lazy (incl. drum solo)
09:Child In Time
10:Difficult To Cure
11:Jon Lord Keyboard Solo
12:Space Truckin' (guitar solo)
13:Black Night
14:Speed King
15:Smoke On The Water
Bonus:
Tour Documentary
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