Delain / We Are The Others
We Are The Others Spielzeit: 47:50
Medium: CD
Label: Roadrunner Records, 2012
Stil: Gothic Metal

Review vom 04.07.2012


Boris Theobald
Delains dritte heißt also "We Are The Others". Hinter diesem Titel steckt die Geschichte, die im gleichnamigen Song erzählt wird. Es ist das schlimme Schicksal eines britischen Mädchens, das 2007 wegen ihres Gothic-Looks von anderen Jugendlichen ins Koma geprügelt wurde und daran starb. Delain haben also eine Hymne auf das Anderssein und einen Aufruf zur Toleranz geschrieben. Der Titel des Albums lässt einen aber auch automatisch darüber nachdenken, wie 'anders' eigentlich Delain sind... Das Album ist solide, teils stark, aber muss sich teils auch über lange Strecken von einem bis zum nächsten Highlight schleppen.
Der Opener "Mother Machine" legt erst mal einen guten Start hin, keine Frage. Das Riffing ist tief, hart, schnell und macht hohen Druck. Die einleitenden Melodien der Lead-Gitarre machen die Lauscher richtig schön frei, bevor erstmals die Stimme Charlotte Wessels geheimnisvoll und spannend einsetzt. Hat was von Lahannya. Der getragene, atmosphärische Chorus ist melodisch absolut erstklassig. Gespickt wird das ganze mit Fantasy-tauglichen Elementen. Hat was von Nightwish oder HolyHell. Ein dramatischer B-Part, ein lyrisches Break. Alles dabei.
Und klar kann man immer die Frage stellen: Wer erinnert eigentlich an wen? Der musikalische Kosmos ist schließlich riesengroß. Aber Delain geben sich ziemlich wenig Mühe, sich abzusetzen, auszuzeichnen, aufzudrängen. Gut, bei "Mother Machine" kompensiert das die klasse Qualität. Produziert ist die Scheibe ohnehin sehr überzeugend, mit orchestraler Wucht und auch einigen modernen Effekten. Melodischer, düsterer Metal mit vielen Gothic-Spuren. Nur: Im Gegensatz zu vor ein paar Jahren gewinnst du damit auch keinen Blumentopf mehr.
Lacuna Coil (mit "Dark Adrenaline") und Evanescence (mit "Evanescence") haben dieses Jahr schon Alben vorgelegt, die ähnlich düster-brachial, Alternative-angehaucht und mit vielen Effekten zu Werke gehen. Und beide Kollegen- bzw. Konkurrenten-Combos halten darauf eine höhere Qualität durch. Auf "We Are The Others" gibt es zu viel (guten) Durchschnitt: "Milk And Honey", "Generation Me", "Get The Devil Out Of Me" und "Not Enough". Die Stücke sind wenig nachhaltig, davon erreicht nichts die zerebrale Langzeitfestplatte.
"Hit Me With Your Best Shot" und der Titelsong "We Are The Others" machen auch stark den Eindruck, auf kommerziellen Erfolg getrimmt zu sein. Okay, wenn die den Weg ins Radio schaffen, wäre das ohne Frage großartig. Ist ja nicht schlecht, wenn man Maßstäbe für Massenware verwendet. Aus dem Blickwinkel des Metalfans ist das aber viel zu glatt. Aber zu den Höhepunkten! "Electricity" ist klasse - ein dramatischer Power-Chorus mit viel Emotion. Rattenscharf und polternd, zugleich aber hochmelodisch. Fragil und heavy zugleich - sie haben das drauf! Und Wessels spielt ihre Stärken voll aus.
"Babylon" sticht ebenfalls aus der Masse heraus: Speed Metal-Salven, eine stampfende Strophe und ein Chorus, der sich wunderbar einprägt. "I Want You" bleibt hängen. Es startet mit Klavier und mausert sich zur Powerballade - das erinnert jetzt an Krypteria. Und bei "Where Is The Blood" gibt es einen Call-And-Response-Chorus von Wessels mit den wütenden Shouts von Fear Factory-Fronter Burton C. Bell. Das bringt ein paar angenehme Ecken und Kanten in die Musik und hat natürlich etwas von Epica, wenngleich Delain jedoch nie derart aggressiv rangehen...
... dafür ist die generelle Gangart zu unauffällig. Rund um die vier, fünf zugegebenermaßen richtig starken Songs lauert Unspektakuläres. Bei den nächsten Live-Terminen wird das dem männlichen Gros der Konzertgänger natürlich wieder völlig wurschd sein. Denn Charlotte Wessels hat eben nicht nur eine sehr gute Stimme, sondern ist auch als Gesamterscheinung ein echtes Geschoss. Erfahrungsgemäß achten da nicht so viele darauf, wie abwechslungsreich denn nun die Musik ist. Das hilft der Karriere natürlich auch.
Line-up:
Charlotte Wessels (vocals)
Martijn Westerholt (keys)
Otto Schimmelpenninck van der Oije (bass guitars)
Sander Zoer (drums)
Guus Eikens (rhythm guitars)

With:
Burton C. Bell (vocals - #7)
Henka Johansson (additional drums)
Oliver Philipps, Timo Somers (ambience & solo guitars)
Tracklist
01:Mother Machine (4:36)
02:Electricity (4:12)
03:We Are The Others (3:19)
04:Milk And Honey (4:29)
05:Hit Me With Your Best Shot (3:58)
06:I Want You (4:52)
07:Where Is The Blood (3:17)
08:Generation Me (3:44)
09:Babylon (4:07)
10:Are You Done With Me (3:07)
11:Get The Devil Out Of Me (3:21)
12:Not Enough (4:45)
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