'Ein bleischwerer Bass dringt aus den Boxen der Anlage und rollt unaufhörlich wie zähflüssiger Brei quer durch den Saal. Unterstützt wird er durch ein eindringliches Schlagzeugspiel, das sich ebenfalls langsam und dennoch druckvoll in der Halle ausbreitet und den gesamten Raum in eine eigenartige, magische Stimmung versetzt. Immer wieder werden singende Slide-Gitarrenklänge sehr gefühlvoll aus dem alten Orange-Verstärker gestreut. Der Sound verfliegt und eine Lap Steel-Klampfe setzt ein. Auch sie wird mit dem Bottleneck bearbeitet. Nach einigen Minuten vereinigen sich beide Instrumente zu einer Einheit, erklingen eine Zeitlang im Duett, um sich dann wieder voneinander zu lösen und sich im Zwiegespräch zu duellieren' - so in etwa könnte man einen ganz typischen Song von Delta Moon bei einem Live-Konzert beschreiben.
Das Quartett aus Atlanta um die beiden Gründungsmitglieder Tom Gray und Marc Johnson gehört mit ihrem durchdringenden Swamp Rock schon seit einigen Jahren zu den Geheimtipps in unserer Republik und konnte so ihre Fangemeinde ständig vergrößern. Auch in Isernhagen waren sie schon live zu erleben und sorgten so auch an diesem Samstag für eine gut gefüllte Bluesgarage, zumal sie mit "Black Cat Oil" ein brandneues Album am Start hatten, das entsprechend promotet werden wollte. So war es natürlich gar keine Frage, dass auch RockTimes unbedingt dabei sein musste, um Delta Moon auf der Bühne zu begutachten.
Schon gleich beim Opener machten die beiden Gitarristen deutlich, dass sie den angestrebten Gruppensound endgültig gefunden haben. Schließlich wollten die Zwei ihre Slide-Gitarren zu einem einzigen großen Klanggebilde vereinigen, wie sie es von David Lindley und Ry Cooder bei einem gemeinsamen Auftritt beim New Orleans Jazz Festival erlebt hatten. Und das klappte hervorragend. Wie schon erwähnt, ließen sie, ständig wechselnd, ihre Instrumente singen, jammten zusammen und dividierten sich dann wieder auseinander, sodass die einzelnen Songs sehr unterhaltsam und abwechslungsreich gespielt wurden, obwohl sie alle über ähnliche Strukturen verfügten. Und das alles passierte auf einem ganz hohen musikalischen Level, denn die beiden Gitarristen haben eine enorme Klasse an den Saiten.
Auch die Rhythmus-Sektion scheint bei Delta Moon inzwischen eine feste Größe geworden zu sein. Nach etlichen Personalwechseln an Bass und Schlagzeug sind Franher Joseph (seit dem Jahr 2007) und der neue Drummer Marlon Patton, der auch schon auf dem aktuellen Album zu hören ist, fest installierte Gruppenmitglieder, die sich blind verstehen und perfekt aufeinander abgestimmt sind. Da sie auch vom Können her an die Klasse der beiden Frontmänner heranreichen, ist Delta Moon nun eine optimale Einheit geworden. So verwunderte es auch nicht weiter, dass es ein Schlagzeugsolo von Patton gab, bei dem den Zuhörern der Atem stockte. Das war schon die hohe Schule der Drum-Kunst.
Auch stimmlich konnte Tom Gray durchaus überzeugen. Die Vocals passen sehr gut zu der Musik, obwohl er nicht über eine herausragende Akrobatik im Kehlkopf verfügt, was aber bei diesen Sounds auch gar nicht nötig ist. Ich kenne zwar die früheren Aufnahmen von Delta Moon nicht, aber die Vorstellung, dass diese Art von Musik von weiblichen Wesen (Vorgängerinnen am Mikrofon waren Gina Leigh und Kristin Markiton) geträllert wurde, wirkt doch etwas befremdlich auf mich. Aber ich lasse mich natürlich gern vom Gegenteil überzeugen, wenn ich mal die Gelegenheit bekomme, die älteren Sachen der Band zu hören. So ist jedenfalls Tom Gray für mich die ideale Besetzung für Delta Moons Leadgesang.
Neben den neuen Songs aus dem aktuellen Longplayer "Black Cat Oil" gab es natürlich einen Querschnitt durch die bisherige Geschichte der Band. Dabei bleibt festzustellen, dass Delta Moon live doch noch erheblich rauer zu Werke geht, als auf ihren Studio-Produktionen. Der Sound weist auf der Bühne wesentlich mehr Ecken und Kanten auf und wirkt doch erheblich kraftvoller als bei den Aufnahmen aus der Konserve. So würde sich ein Live-Album in der aktuellen Besetzung dringend anbieten, um die wahre Stärke von Delta Moon hervorzuheben. Und dabei wäre ein authentischer Mitschnitt einer kompletten Show ganz wichtig, der die ganze Stimmung einfängt, die bei diesen Gigs vorherrscht. Aber das wird wohl ein relativ schwieriges Unterfangen werden, denn an diesem Samstag stand Delta Moon fast auf die Minute genau drei Stunden auf der Bühne.
Neben den Eigenkompositionen gab es auch die eine oder andere sehr gekonnt gespielte Coverversion, von denen "You Gotta Move" und "Who Do You Love" (bekannt geworden durch die Fassung von Juicy Luzy) noch die Gängigsten waren. Doch auch diesen Versionen drückte die Band ihren ureigenen Stempel auf. Ebenfalls dabei war eine Reminiszenz an Bo Diddley und konnte selbstredend ebenfalls voll überzeugen.
Eine Besonderheit muss aber unbedingt noch erwähnt werden, denn das war auch für mich gänzlich neu. Während der dritten Zugabe stimmte die Band einen sich ständig wiederholenden Refrain an, den das Publikum recht schnell verinnerlichte und mitsang. Währenddessen nahmen die Musiker ihr Drumkit auseinander und machten sich, jeder mit einem Teil der Schießbude bewaffnet, zu einer Polonäse durch alle Etagen der Bluesgarage auf, immer diese eine Textzeile auf den Lippen. Diese Einlage war ein herrlicher Abschluss eines ganz starken Konzertes.
Line-up:
Tom Gray (lap steel, guitar, vocals)
Marc Johnson (guitar, background vocals)
Franher Joseph (bass, background vocals)
Marlon Patton (drums)
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