Dirty York / Feed The Fiction
Feed The Fiction Spielzeit: 47:07
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2013
Stil: (Southern) Rock

Review vom 26.03.2013


Jochen v. Arnim
Vorbei sind die Zeiten, zu denen außer von AC/DC oder den Bee Gees nicht viel aus dem Roten Kontinent zu uns schwappte. OK, ist ja schon gut, es gab da noch die frühere Band des australischen Umweltministers und zwei oder drei andere, aber das war es dann auch schon (kleine Untertreibungen sind bewusst gewählt). In den letzten Jahren allerdings beobachte ich einen stetigen Strom aus feinen Neuheiten, der so langsam gen Alter Welt mäandriert. Aufmerksame Leser dieses bescheidenen Formats werden wissen, welche Bands sich hinter meinen Andeutungen verbergen, denn nicht nur unsere Protagonisten hier zählen dazu.
Dirty York haben sich in ihrer australischen Heimat mit den Jahren den Ruf erspielt, eine wirklich hart arbeitende Truppe zu sein und diese Kunde fand irgendwie auch den Weg zu uns. Zwei Scheiben waren bislang erhältlich: Das Debütalbum "Waiting On St. George" stammt aus dem Jahre 2009 und der Nachfolger "Say Goodbye To Diamonds" wurde vor zwei Jahren vom geschätzten Kollegen Steve an dieser Stelle besprochen. Dazu gab es eine erfolgreiche Tournee, die sogar den WDR mit seinem altehrwürdigen Rockpalast-Format zu einer Live-Übertragung bewegen konnte (vielleicht kriegen wir das ja mal als DVD präsentiert…?). Heuer kommen sie wieder auf Tour und sind ab dem 9. Mai in Europas Clubs anzutreffen (Details wie immer in unseren Tourterminen). Passgenau, könnte man sagen, denn die vorliegende "Feed The Fiction" ist auch noch ganz warm.
Warm wie der Musiker Heimat und ebenso warm wie deren Interpretation unseres heißgeliebten Southern Rock. Aha, also nach wie vor nix mit australischem Pub Rock, sondern es gibt immer noch mit Blues geschwängerten erdigen Rock, mit diesem ganz speziellen Touch an Ingredienzien, die man den großen Vorbildern aus dem Süden eines anderen Kontinents so zuschreibt. Aber eben nicht nur das, wir hören auch intensive, sehr gefühlvolle Stücke, die in verhaltenem Tempo eher soulig-bluesig daherkommen denn als knackige Rocker.
Eröffnet aber wird die Scheibe mit dem beschwingten "Be Home & Alive", das uns neben den anderen (üblichen) Instrumenten eine betörende Mischung aus Orgel, Boogie-Piano und Blues Harp bietet und voll ins 'südliche Kontor' haut. Hier und an vielen anderen Stellen auf der Scheibe können wir Reminiszenzen an Lynyrd Skynyrd und Konsorten raushören, aber auch an den Kollegen aus England, namentlich den Rolling Stones oder Led Zep, kommen die sechs Herren aus Australien einfach nicht vorbei. Es ist ein ständiges Hin und Her, das aber nicht als wankelmütiger Brei aus den Boxen fließt, sondern in sich vollkommen stimmig ist. So assoziierte ich zum Beispiel "Speechless" oder auch "Stitches In My Pocket" beim ersten Durchlauf ganz spontan mit Passagen der Rossington Collins Band auf ihrer "Anytime, Anyplace, Anywhere", während Jimmy Page dazu den Gitarrenpart liefert - aber das bin nur ich. Immer wieder kommen auch an anderen Stellen kurze Eingebungen hoch, die auf Bands schließen lassen, die man (ich) irgendwo schon mal gehört hat. So muss ich bei "Free To Find Out" unweigerlich auch an Elemente denken, die mir bereits bei Little Feat untergekommen sind. Aber wie bei allen Dingen im Leben, assoziiert der Rezensent lediglich im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten und die Kollegen würden vielleicht etwas ganz anderes interpretieren. Bei "Dollar Bet Man" eröffnet sich danach dann ein schönes Slow Country-Feeling, besonders verstärkt durch den akzentuierten Einsatz von Piano und Banjo.
Ganz anders kommt dafür etwas später "Sweet Sensation" daher: Ein dichter Orgel-Teppich wabert über der Komposition und der Track bringt uns einen rockigen Kontrast zur langsamen Nummer davor. "Never Show" verweist im Anschluss ganz stark auf den bereits genannten Mr. Page und seine Riff-Künste, während "Thru The Filtered Light" unmittelbar darauf in etwas verhaltenerem Southern Rock glänzt und zudem mit einer schönen Solo-Gitarre aufwarten kann. Recht entspannt werden am Ende mit einer erneuten Orgel-Einlage bei "See Beyond" aus der Platte entlassen. Wenn der Titel in der Tat ein doppeldeutiger Ausblick auf Veröffentlichungen der Band in der Zukunft sein soll, dann sehe ich dieser ganz locker entgegen.
Insgesamt vermag ich zu resümieren, dass mir das Scheibchen außerordentlich gut gefällt. Die Australier vermögen es erneut, deutliche Querverweise zu setzen und diese mit ihren eigenen Impulsen zu versehen. Ihre Wurzeln haben sie ganz eindeutig in der Dekade ab den späten Sechzigern und machen erfreulicherweise auch überhaupt keinen Hehl daraus. Aber, und jetzt kommt wieder die subjektive Wahrnehmung durch, man darf sie auf keinen Fall in den großen Topf der vielen Bands werfen, die sich mit diesem mittlerweile ubiquitären Retro-Sound schmücken. Und auf jeden Fall haben sie sich Steves Worte zu Herzen genommen und von der Spielzeit des Vorgängers schlappe zwanzig Minuten gekappt - well done! Ich für meinen Teil freue mich sehr, dass ich "Feed The Fiction" nun in meiner Sammlung haben darf.
Line-up:
Shaun Brown (vocals, harp)
Benny James (lead guitar, pedal steel, backing vocals)
Luke Teys (guitar, backing vocals)
Justin Rudge (bass)
Ammiel Warner (keyboards)
Brett Wolfenden (drums, percussion, vocals)
and:
Saraha Carroll, Suzannah Espie (backings)
Paul Rugby (banjo)
Tracklist
01:Be Home & Alive
02:Speechless
03:Stitches In My Pocket
04:Can't Wait To See Ya
05:Free To Find Out
06:Dollar Bet Man
07:Keepin' Me Up
08:Sweet Sensation
09:Never Show
10:Thru The Filtered Light
11:Why I Burn
12:See Beyond
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