District 97 / Hybrid Child
Hybrid Child Spielzeit: 55:10
Medium: CD
Label: The Laser's Edge, 2010
Stil: Progressive Rock

Review vom 24.10.2010


Boris Theobald
Laut Promoter: die einzige Progressive Rock-Band der Welt mit einer 'American Idol'-Finalistin!
Nein, stopp, gebt der Band eine Chance! Was Sängerin Leslie Hunt hier auf dem Debütalbum von District 97 treibt, hat selbstverständlich überhaupt nichts mit der Lächerlichkeit des original amerikanischen Casting-Klamauks zu tun. Die junge Frau leiht hier einer Gruppe aus Chicago ihre Stimme, die ganz schön viel progressives Potenzial in Hirn und Fingern hat.
Und wie das nunmal ist mit Leuten, die sich in poppigen Gefilden verheizen (lassen) - oft handelt es sich um überaus begabte Individuen, die da ihr Talent verschwenden. Ein Glück, dass Leslie Hunt die Top Ten-Show im US-Fernsehen nicht auch noch gewonnen hat, sonst wäre sie vielleicht 'verloren' gewesen ... aber so bereichert sie diese anno 2006 ursprünglich als Instrumentaltruppe gestartete Band, die als weitere Besonderheit im Line-up eine hauptamtliche Cellistin vorzuweisen hat: Katinka Kleijn vom Chicago Symphony Orchestra.
Was District 97 auf "Hybrid Child" abliefern, ist ein lebendiger Cocktail aus zahlreichen Prog Rock-Einflüssen mit ausgeprägtem Retro-Charme und frischen Songideen mit dem entfesselten Spielwitz einer Newcomerband. Sie kombinieren quietschfidele, vordergründig brummelige Basslines mit organisch klingenden Gitarrenriffs von großem melodischem Eigenleben, ganz im Stile Rushs ("I Don't Wanna Wait Another Day"), sagen wir zur "Permament Waves"-Zeit. Sie lassen alle möglichen Soloinstrumente per progressivem Teilchenbeschleuniger mal verspielt, mal dramatisch, mal nahezu rhapsodisch mit- und gegeneinander ihre Frickelarien vollführen. Und sie lösen diese filigrane Vollversammlungen in nullkommanix in atmosphärische, Yes'sche blaue Himmel auf ("The Man Who Knows Your Name").
So rühren District 97 überwiegend in der selben progressiven Ursuppe wie Bands der Marke Spock's Beard, Neal Morse, Heart Of Cygnus oder Presto Ballet. Es ist ein ausgesprochen attraktiver Mix aus klanglichen Goodies der Marke 'golden und zeitlos' und äußeren Einflüssen aus dem 'Hier und Jetzt'. So treffen spacige Synthie-Sounds und Hammond-Orgel, pulsierende Genesis-Bässe und verspielte Gesangsmelodien ("I Can't Take You With Me") und mutmaßlich un-digital aufgenomme Lead-Gitarren auf scharfkantige Heavy-Riffs und aggressive Shouts mit Alternative-Touch ("Termites").
Und, ganz wie versprochen, machen die Markenzeichen der Band den besonderen, individuellen Touch aus: Sängerin Leslie Hunt, der man in jedem Ton die absolute Hingabe zu dieser Musik anhört, und natürlich das Cello. Katinka Kleijn ist mit ihrem Tiefton-Streicher omnipräsent, aber niemals nervig. Oft spielt sie Staccato-Riffs parallel zur Rhythmusgitarre, was dem Klang einen interessanten Groove verleiht, und oft eilt sie technisch versiert durch die Oktaven, in Duetten und Duellen mit den Keyboard, Bass und Gitarre.
Das Album ist sozusagen zweigeteilt. Zunächst stehen da vier Stücken, die trotz einiger künstlerischer Ausflüge in die instrumentale Märchenwelt dank bestechender Hooklines doch recht gut ins Ohr gehen. Den zweiten Teil von "Hybrid Child" hat man dann mit einem epischen Zehnteiler ausstaffiert. "Mindscan" besteht aus verschiedensten kleinen Versatzstücken - viele instrumental und manche mit Gesang, einige sehr experimentell oder gar avantgardistisch, alle irgendwie magisch und kurzweilig. Polysphärische Unglaublichkeiten wie "The Lamb Lies Down On Broadway", "Xanadu" oder "Close To The Edge" können Paten gestanden haben.
Augen zu, Ohren auf und durch - "Hybrid Child" ist eines dieser Alben, die den Prog-Kopf aufs Angenehmste zum Qualmen bringen und gleichzeitig für ein extrem wohliges Gefühl in der Magengegend des Gefühlsmenschen sorgen. Intelligent, emotional und irgendwie auch noch jugendlich energisch und ... fetzig?! Klasse Scheibe, auf jeden Fall.
Line-up:
Leslie Hunt (lead and backing vocals)
Katinka Kleijn (cello)
Rob Clearfield (keyboards, baritone guitar - #4)
Jim Tashjian (guitars)
Patrick Mulcahy (bass)
Johnathan Schang (drums, percussion)
Tracklist
01:I Don't Wanna Wait Another Day (7:18)
02:I Can't Take You With Me (5:37)
03:The Man Who Knows Your Name (8:49)
04:Termites (5:54)
Mindscan [Total Time: 27:36]
05:I Arrival (1:31)
06:II Entrance (3:07)
07:III Realization (2:46)
08:IV Welcome (2:48)
09:V Examination (2:54)
10:VI Hybrid Child (3:31)
11:VII Exploration (2:20)
12:VIII What Do They Want (2:42)
13:IX When I Awake (3:12)
14:X Returning Home (2:45)
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