Eine der charismatischsten Stimmen des 1980er-Jahre-Hard Rocks kehrt anno 2008 endlich mit einem Album zurück, das an alte Glanztaten anknüpfen kann: Don Dokken und seine Mitstreiter haben ein Langeisen geschmiedet, das quasi nahtlos an Erfolge wie "Back For The Attack" (1987) anschließt. Was sich mit "Hell To Pay" vor vier Jahren bereits ankündigte, findet auf "Lightning Strikes Again" seine Vollendung. Hier präsentiert der Meister endlich wieder Dokken-typischen Hard Rock in Reinkultur, was sämtliche Experimente der 1990er Jahre sofort in Vergessenheit geraten lässt.
Es fällt dabei nicht mal sonderlich auf, dass neben dem Frontmann von der klassischen Besetzung nur noch Schlagwerker 'Wild' Mick Brown übrig geblieben ist, der ja schon seit den Anfangstagen die Felle für Dokken gerbt. Gitarrist Jon Levin versteht es nämlich, durch sein akzentuiertes und extrem an George Lynchs Trademarks angepasstes Spiel, den Gitarrengott fast in Vergessenheit geraten zu lassen. Einige mögen jetzt vielleicht mit den Augen rollen, aber es ist erstaunlicherweise wirklich so!
Nun kann man Jon Levin natürlich leicht als bloßen Kopierer abstempeln. Letztendlich ist es aber so, dass der Mann nicht einfach nur nachspielt, sondern den aktuellen Bandsound um die gängigen Spielweisen George Lynchs erweitert, die man bei Dokken einfach erwartet! Solches Gitarrenspiel ist nun mal untrennbar mit der Band verbunden. Man höre sich beispielsweise mal den Anfang des Openers "Standing On The Outside" an, damit klar wird, was hier gemeint ist. (Eine interessante Anmerkung am Rande ist übrigens, dass Levin neben seinem Posten an der Sechssaitigen auch der Anwalt der Band ist.)
Das Songmaterial auf "Lightning Strikes Again" ist durch die Bank hochwertig, so dass das Album seinem Titel wahrlich gerecht wird. Dokken sind heute wieder voll da und bestechen durch zeitlosen, mit einem Schuss melodischem Metal versetzten, Hard Rock. Hier macht man als Fan des Genres im Allgemeinen und der Band im Speziellen garantiert nichts falsch. Denn wenn man die klassischen Dokken mag, kann man bedenkenlos zugreifen, außer man hat sich wirklich auf Jeff Pilson sowie George Lynch versteift und gesteht der Band keinerlei Besetzungswechsel zu.
Komme ich nun noch mal genauer auf die einzelnen Songs zu sprechen. Mit "Standing On The Outside" haben Dokken einen Hit an den Anfang der Scheibe gepackt, der die Messlatte gleich verdammt hoch legt. Die George Lynch-Zitate bei der Gitarre sind hier recht deutlich und Don Dokken setzt die schönen Melodien wunderbar um.
Der zweite Track, "Give Me A Reason", ist ein locker treibender Rocker, der zum Mitsingen einlädt, aber nicht zwangsläufig an alte Tage erinnert. Macht Laune!
"Heart To Stone" hingegen katapultiert einen wieder zurück in die 1980er Jahre und wäre auch auf "Back For The Attack" gut aufgehoben gewesen. Ein schöner Midtempo-Song, bei dem der Gesang vereinzelt sogar angenehm rau rüberkommt.
Das darauf folgende "Disease" überrascht durch recht schwere Gitarrenriffs, welche die leicht düstere Stimmung bestens untermalen. Der vielleicht untypischste Song des Albums passt aber immer noch hervorragend ins Gesamtbild, auch wenn man ihm einen gewissen modernen Touch nicht absprechen kann. Dokken zeigen hier, dass sie auch die härtere Gangart beherrschen. Mit "How I Miss Your Smile" befindet sich dann an fünfter Stelle die erste Ballade von "Lightning Strikes Again". Ein traumhaft schöner, leicht melancholischer Song, der mit Akustikgitarre beginnt. Die Melodielinien sind zum dahinschmelzen und man möchte Kerzen anzünden ... . Dass Dokken sehr gute Balladen schreiben können, dürfte ja bekannt sein, und diese hier gehört definitiv dazu.
Bei "Oasis" bleibt man den ruhigeren Klängen zwar treu, dennoch geht der Song nicht unbedingt als reine Ballade durch. Dafür dominieren die verzerrten Gitarren zu sehr, auch wenn es vom Text her schon recht romantisch wird. Toller Track, sehr Dokken-typisch!
Für "Point Of No Return" hat man wieder den Rock ausgepackt, denn das Stück zieht das Tempo an und treibt locker flockig voran. Eine willkommene Auflockerung nach den zwei vorangegangenen Nummern! Musikalisch wird hier übrigens auch ein wenig moderner agiert.
"I Remember" stellt die zweite Ballade der CD dar, die sogar noch einen Tick besser ist als "How I Miss Your Smile". Würde sich auch bei den Scorpions gut machen, das Stück. Es gibt von akustischen Gitarren dominierte Strophen und dezent verzerrte Gitarren in einem großartigen Refrain. Ein sehr getragener, melancholischer Song, der mich vollends überzeugt. Einfach nur herrlich!
Vergleichsweise heavy wird es daraufhin wieder bei "Judgement Day", der in bester Dokken-Tradition dahinrockt. Ein Kracher, dessen verspieltes, ausuferndes Gitarrensolo die Fähigkeiten des Jon Levin bestens offenbart. Überhaupt ist die Lead-Gitarren-Arbeit auf "Lightning Strikes Again" allererste Sahne, Hut ab!
Auch "It Means" macht viel Spaß und glänzt genauso durch harte Riffs wie durch sanftere, atmosphärische Klänge. Dieses Zusammenspiel macht den Song interessant, auch wenn er im Vergleich zu anderen Stücken kein echtes Highlight ist. Der elfte Track, "Release Me", tönt daraufhin wieder sehr traditionell im klassischen Dokken-Gewand. Das längste Stück der Scheibe ist abermals im Midtempo-Bereich angesiedelt und rockt moderat vor sich hin. Das Gitarrensolo ist zum Niederknien und ein Part von nur Schlagzeug und Gesang lockert den Song angenehm auf.
"This Fire" schließlich beendet "Lightning Strikes Again" mit urtypischen George Lynch-Riffs. Dokken wühlen hier noch ein ganzes Stück mehr in ihrer Vergangenheit als schon beim vorigen Track. Großartiger, mittelschneller Song, der das Album gebührend beendet!
Es befindet sich übrigens kein richtig schneller Song auf der CD, die Tage von Granaten wie "Tooth And Nail" scheinen wohl vorbei zu sein. Aber Dokken sind eben alt und reif geworden, was ihnen gut zu Gesicht steht. Die Scheibe rockt wirklich mehr als ordentlich!
Übrigens knüpft das Cover von "Lightning Strikes Again" stilistisch an klassische Illustrationen wie das Artwork von "Back For The Attack" an und untermauert somit auch optisch die endgültige Rückbesinnung auf alte Stärken. Darüber hinaus ist der Albumtitel ein unübersehbarer Wink mit dem Zaunpfahl, denn schon das Meisterwerk "Under Lock And Key" (1985) enthält einen Song mit Namen "Lightnin' Strikes Again". Dokkens Rückkehr zu klassischen Klängen wird somit also bereits deutlich, bevor man auch nur einen Ton gehört hat!
Es ist wirklich schön, dass Dokken wieder voll und ganz da sind. Der heutigen Hard Rock-Szene tut ein solches Statement von Helden wie Don Dokken und 'Wild' Mick Brown definitiv gut. Die beiden scheißen geflissentlich auf moderne Trends und beschränken sich stattdessen lieber auf das, was sie am besten können und wofür sie sich nicht verbiegen müssen: Dokken-Rock in seiner reinsten Form. Diese Langrille sollte in keiner Hard Rock-Sammlung fehlen! Anspieltipps: "Standing On The Outside", "Heart To Stone", "How I Miss Your Smile", "Oasis", "I Remember", "Judgement Day", "This Fire".
[Anmerkung in eigener Sache: Leider ist die mir vorliegende Promo-CD mit sogenannten 'Voice Overs' präpariert, die den Hörgenuss enorm stören und das Rezensieren daher teilweise stark beeinträchtigen. Einzig die Songs "Standing On The Outside" und "Heart To Stone" konnte ich störungsfrei anhören, da sie von 'Voice Overs' verschont blieben.]
Line-up:
Don Dokken (lead vocals)
'Wild' Mick Brown (drums, vocals)
Jon Levin (guitars)
Barry Sparks (bass)
Tracklist |
01:Standing On The Outside (3:54)
02:Give Me A Reason (3:52)
03:Heart To Stone (3:58)
04:Disease (3:33)
05:How I Miss Your Smile (4:03)
06:Oasis (3:43)
07:Point Of No Return (4:26)
08:I Remember (4:50)
09:Judgement Day (4:05)
10:It Means (4:44)
11:Release Me (5:48)
12:This Fire (4:42)
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Externe Links:
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