Dragonwyck / Chapter 2
Chapter 2 Spielzeit: 45:47
Medium: CD
Label: World In Sound, 2006 (1973)
Stil: Psychedelic/Prog

Review vom 06.09.2006


János Wolfart
Dragonwyck - noch nie was gehört, liebe RockTimes-Leserschaft? Kein Wunder, denn hier handelt es sich um eine der unzähligen Formationen der Rockgeschichte, die über den Status eines lokal/regional populären Acts nie hinausgekommen ist. 1969 in Cleveland, Ohio gegründet, schaffte es die Band, ihren Psychedelic-Rock auf einer privat gepressten Scheibe - in einer schwindelerregenden Auflage von 85 Stück - anno 1970 festzuhalten, die genauso wie die hier vorliegende CD, die die bis 2006 offiziell nicht veröffentlichte LP der Gruppe von 1973 beinhaltet, vom Label World In Sound (WIS) aus der Versenkung geholt wurde. Dragonwyck lösten sich letztendlich 1974 auf und gerieten in Vergessenheit.
Aber halt! Der Clou der ganzen Geschichte ist, dass Gitarrist Tom Brehm, ermuntert durch das Interesse von WIS, die Band nach über 30 Jahren in neuer Besetzung auferstehen lässt, um mit je zwei Mitgliedern seiner Label-Kollegen von Treacle People (Josh Maccoy und Winnie Rimbach-Sator) und von Karmic Society zu touren. Sie sind u.a. beim Trip-In-Time-Festival am 16. September in Mannheim zu sehen. Aber zurück in die Vergangenheit: Die RT-Uhr wird um 34 Jahre zurückgedreht.
Ohne Zweifel sind Dragonwyck ein Kind des psychedelisch-progressiven Zeitalters der späten 60er/frühen 70er Jahre. Um mal eine Vorstellung vom Sound der Truppe zu geben, seien Bands bzw.Titel genannt, die sie coverten: "When The Music's Over" von The Doors (völlig überraschend war Sänger Pettijohn später Sänger einer Tributband namens Moonlight Drive) und The Moody Blues. Die Keyboards von John Hall klingen stellenweise wie die seines Kollegen Mike Pinder, jedenfalls was den allgegenwärtigen Mellotron-Sound betrifft. Aber nicht nur das illusorische Orchester klingt fast immer mit, sondern auch die Hammond-Orgel und der Moog werden eingesetzt. Prog-Fans werden besonders an Stücken wie "Fire Climbs" (mit leicht orientalischem Einschlag) oder "Relics" (viel Moog) ihre helle Freude haben.
Eigentlich ist es verwunderlich, dass Dragonwyck nie den Durchbruch geschafft hatten, denn sie haben den Spagat zwischen Eingängigkeit und abwechslungsreichem Songwriting einigermaßen gut gemeistert, und das alles verknüpft mit überdurchschnittlicher Leistung an den Instrumenten. So besticht "Lady" im letzten Drittel durch eine gefühlvoll gezupfte Gitarrenmelodie von John Brehm, die nur so ganz nebenbei läuft. Richtig psychedelisch wird es wieder mit "Run To The Devil" und vor allem "Dead Man". Der Gesang und die stark verfremdete Gitarre bekommen Hall aus dem diesseitigen Jenseits und man befindet sich sofort auf dem psychedelischen Trip. "The Music" (gute Frage: "Will you be a rock 'n' roll star?") und "Forever Only Last A Little While" hingegen sind relativ getragene, hymnenartige Nummern.
Die Tracks 11 und 12 sind die allerletzten Aufnahmen der Band aus 1974, die damals als Single veröffentlicht wurden. Neben einer überarbeiteten Version von "The Music" mit neuem Keyboarder gibt es noch das im Vergleich zu den anderen Kompositionen einfach gehaltenen, nach vorne rockenden "Lovin The Boys". Vielleicht war das der letzte verzweifelte Versuch der Band, noch irgendwie einen Plattenvertrag zu ergattern. Wie bereits erwähnt, schlug er leider fehl, aber immerhin haben wir diese CD - übrigens mit ausführlichen Liner-Notes, Photos und zeitgenössischen Zeitungsberichten im Booklet - und die Aussicht, Brehm mit seiner neuformierten Band live zu erleben. Psychedelic- und Prog-Freunde können hier zuschlagen!
Line-up:
Tom Brehm (guitars)
Mike Gerchak (bass, vocals)
Bill Pettijohn (lead vocals)
John Hall (keyboards, vocals: tracks 1 - 10 )
Jerry Moran (keyboards: tracks 11 - 12 )
Jack Boessneck (drums)
Tracklist
01:Kimberly (0:32)
02:He Loves You (3:18)
03:Fire Climbs (6:41)
04:Relics (5:11)
05:Freedom Son (3:57)
06:Lady (3:47)
07:Run To The Devil (3:45)
08:Dead Man (4:15)
09:The Music (3:14)
10:Forever Only Last A Little While (4:42)
11:Lovin The Boys (3:14)
12:The Music (3:04)
Externe Links: