Lang erwartet und frühzeitig mit einer Härte von "Train Of Thought" aus dem Jahr 2003 angekündigt, hat uns endlich das neue Album von Dream Theater ereilt. Der Nachfolger von "Octavarium" aus 2005 ist dann eine gesunde Mischung und eine Hingabe an in der Fangemeinde favorisierte Alben der Band. Allerdings nur in einigen Teilen, dazu aber später mehr. War der 2003er Release für viele einfach unerwartet hart, so blitzte auf dem letzten Studiooutput eine Menge an nicht erwartetem Mainstream auf. Da stellte man sich die Frage, ob Dream Theater sich möglicherweise in eine Art von Krise stürzten, hatte doch jeder Silberling für sich bis dato einen vollkommen eigenen Stempel und eine daraus resultierende Bedeutung für die Fans.
Dass die Formation musikalisch immer noch zu denen gehört, die ohne große Probleme wegweisende Trademarks im Bereich des progressiven Metal verursachen kann, das beweist sie auf "Systematic Chaos" ganz sicher nicht. Obwohl James LaBrie über eine Gesangsausbildung verfügt, gehört er nach wie vor für mich nicht zur ersten Wahl und ich bin immer noch der Überzeugung, dass Dream Theater mehr Erfolg hätten, würde ein anderer Frontmann als Shouter die Alben zieren. Aber das ist bekanntlich Geschmackssache.
Das nächste Problem dieses Albums ist die Feststellung, dass Dream Theater in fremden Jagdgebieten wildern. Es ist schon fast unerhört, wie sie bei "Constant Motion" dem Sound von Metallica oder sogar Anthrax gleichen wollen. Ich empfinde das auch keineswegs als innovativ, da es nicht besonders gut abgekupfert ist. Da fehlt es zum einen an der gesanglichen Ausdruckskraft, z.B. eines James Hetfield, der zwar auch kein besonders guter Sänger ist, an dem wir uns aber gewöhnt haben, und zum zweiten erklingt der Gesamtsound nicht so schön trocken und thrashig, wie ich es in seltenen Momenten von solchen Metal-Ikonen mag. Zu Gute halten muss man allerdings, dass die Band diesen Ausflug gewollt hat und es Gott sei Dank nicht dem Zufall zu verdanken ist, dass Dream Theater wie andere alt eingesessene Metal-Bands klingen.
Um nicht despektierlich gegenüber dieser großen Band zu sein, möchte ich gerne noch mal das Feld von vorne aufrollen. "Systematic Chaos" beginnt mit langen, wohlklingenden Instrumentalparts. Auf hervorragende Art und Weise werden die Tempi gewechselt, John Petrucci verliert sich nicht im unübersichtlichen Gefrickel. Da bin ich hin und weg und mir platzt eigentlich nur die Hutschnur bei den ewig wiederkehrenden Gesangslinien von LaBrie. Woran liegt das? Der Junge hat eine mehr als passable Solo-Scheibe auf den Markt geworfen. Wer also entwirft die Gesangslinien? Wer zeichnet dafür verantwortlich? "In The Presence Of Enemies I" ist ansonsten durchaus ein starker Opener, der in seiner Vielschichtigkeit an Duellen zwischen Tasten und Saiten hoch anzusiedeln ist.
Jordan Rudess hat ein Gespür für feine Melodien, das beweist er zu Beginn von "Forsaken" erneut. Die Riffs von Petrucci sind im Grunde genommen altbacken, aber die begleitenden Töne der Strophen lassen die eine oder andere Beeinflussung vom großen Mike Oldfield nicht völlig abwegig erscheinen. Anschließend kommt es, wie bereits geschrieben, zum thrashigen "Constant Motion".
Dafür ist "The Dark Eternal Light" an Langeweile wieder kaum zu überbieten. Im Stile einer höchstens mittelprächtigen Metal-Band wurden Teile des Gesangs mit Effekten belegt und die gespielten Gitarrenläufe scheinen in ihrem Ursprung maximal einer gut gelaufenen Session zu entstammen. Da drängt sich der nächste Verdacht auf. Die Jungs sind so verrückt, dass sie in jedem Hotelzimmer ihr Equipment aufbauen und von morgens bis abends Musik machen. Aber: Mike Portnoy tanzt auf diversen Hochzeiten rum (u.a. Neal Morse, Transatlantic), produziert zwischendrin ein Lehrvideo nach dem anderen, Rudess und Petrucci scheinen sich auch mehr um ihre Solo-Aktivitäten zu bemühen, als dass es um die Band geht. Da kann man im Jahr 2007 von Glück reden, dass "Images And Words" noch bis heute so einen nachhaltigen positiven Eindruck hinterlassen hat. Man merkt einfach, dass "Systematic Chaos" kein gewachsenes Album ist, welches sich durch gemeinsames Musizieren entwickelt hat. Es basiert vielmehr auf der Genialität der Bandmitglieder, die auf Grund ihres umtriebigen Verhaltens eigentlich immer in der Lage sind, einen passablen Song zu schreiben. Ob der dann tatsächlich auch den eigenen Ansprüchen genügt, ist die ganz andere Frage.
Wesentlich mehr Gespür für den Sound entfalten Dream Theater bei "Repentance". Hier passt der Gesang, Portnoy legt trotz der eher ruhigen Töne den Groove, und die Gitarren machen einen Sound, wie man ihn sich viel mehr wünschen würde. Da sind Anleihen im Blues, das Gesamtgebilde ist im Art Rock beheimatet und deswegen ist diese Nummer fast das Highlight von "Systematic Chaos". Das aufgegriffene Alkoholproblem ist eine thematische Ergänzung, die seit "The Dying Soul" auch nicht mehr neu ist, aber dennoch passt.
"Prophets Of War" ist von seinen Anleihen her sicherlich ein Treffer, doch die verarbeiteten Pop-Arrangements machen mir persönlich keinen Spaß. Kurz darf bei Dream Theater nicht viel gehalten werden und so schafft man es schließlich dann doch noch auf 6 Minuten Spielzeit. Immer wieder mit den inzwischen nervtötenden Gesangslinien von James LaBrie.
Fast 15 Minuten hören wir "Ministry Of Lost Souls" und müssen leider feststellen, dass die Band mehr vor sich hinplätschert, als wirklich inspirierenden Prog Metal zu spielen. Der Track wäre an sich wirklich nicht schlecht, aber im Ergebnis ist das eine kitschige Ballade, die mehr als unnötig in die Länge gezogen wurde. Hätte die Absicht bestanden, ein Melodic-Rock-Album einzuspielen, hätte es dafür eine hohe Note gegeben, aber so bleibt einem nur das obligatorische Kopfschütteln.
Und haben wir uns nochmals den Eröffnungssong genau angehört, so merken wir in dem Longtrack "In The Presence Of Enemies II" selbige Schemata, die zwar nicht unbedingt schlecht, dafür aber ohne Seele dargeboten werden.
Was soll man nun sagen? "Systematic Chaos" ist unter völlig unvoreingenommenen Aspekten ein gutes Album, aber ganz ehrlich: Wenn man weiß, was diese Band schon alles fabriziert hat, dann kann es nichts anderes als Enttäuschung als Antwort geben. Dream Theater ist vielleicht gar keine Band mehr, sondern ein Zuhause und eine Rückfallebene für ausgebliebene Einkünfte, die sich aus der Summe der vermeintlichen Nebeneinkünfte ergeben. Da werden mal schnell ein paar improvisierte Riffs einstudiert, Jordan Rudess und John Myung untergeordnet und fertig ist die Laube. Nein, so kann es auf Dauer nicht funktionieren. Dream Theater werden dem eigenen Ruf nicht gerecht. Das gelang schon mit "Octavarium" nicht mehr richtig und jetzt ist man eher eine Stufe nach unten als nach oben gestiegen. Bei der anstehenden Tour werde ich trotzdem zugegen sein und hoffentlich ein positives Resümee ziehen können.
Line-up:
James LaBrie (vocals)
John Petrucci (guitars)
Jordan Rudess (keyboards)
John Myung (bass=
Mike Portnoy (drums)
Tracklist |
01:In The Presence Of Enemies I (9:00)
02:Forsaken (5:35)
03:Constant Motion (6:55)
04:The Dark Eternal Night (8:53)
05:Repentance (10:43)
06:Prophets Of War (6:01)
07:Ministry Of Lost Souls (14:57)
08:In The Presence Of Enemies II (16:38)
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