Dreamscape: Prog Metal aus Deutschland
Viel zu wenig beachtet!
Im Gespräch Sie spielen in den USA, Holland und England auf den legendären Prog Power-Festivals. Dennoch kämpft eine der großartigsten deutschen Prog.-Metal-Bands um mehr Resonanz auch aus deutschen Fan-Reihen. Wir sprachen mit Gitarrist und Mastermind Wolfgang Kerinnis über die kommende Scheibe, Live-Aktivitäten und Vergangenes.



Artikel vom 23.09.2006


Ralf 'Jogi' Ruhenstroth
RockTimes: Hallo Wolfgang, wie sieht es momentan mit Dreamscape aus? Was treibt ihr und vor allen Dingen, was macht das neue Album?
Wolfgang: Tja, wir sind durch allerlei Gründe etwas außer Tritt geraten und haben die Aufnahmen erst einmal auf November verschieben müssen. Wir proben momentan zwar auch wieder, denn es stehen ja ein paar Konzerte an und auch das Material fürs neue Album steht größtenteils. Eigentlich fehlt nur noch das Instrumental und ein wenig Feinarbeit an dem einen oder anderen Song, aber beruflich und privat haben wir ein sehr turbulentes Jahr hinter uns und sind froh, wenn der nächste Silberling mit dem vermutlichen Namen "The 5th Season" im Frühjahr nächsten Jahres erscheint.
RockTimes: Kannst Du uns heute schon verraten, was an der neuen Platte anders sein wird?
Wolfgang: Wir haben bisher ja nie besonders viel Kontinuität bewiesen und das wird sich auch fortsetzen. Der Unterschied zu unserem letzten Album liegt häufig auch im Tempo der Stücke, denn wir wollten das etwas abwechslungsreicher gestalten. Es gibt unter anderem einen Song, dessen Grundidee ich in Atlanta 2004 geschrieben habe, als ich beim Üben fürs Konzert auf der Bettkante des Hotelzimmers saß. Dieser Song wird wohl härter und schneller in seiner Gesamtwirkung als alles andere, was wir bisher gemacht haben. Aber jetzt bloß keine Angst bekommen, denn natürlich werden wir wieder sehr viel Wert auf Harmonien und Melodien legen und auch die Songstrukturen werden bei uns nicht auf 'radiotauglich' getrimmt. Wir wollten uns einfach ein bisschen abwechslungsreicher präsentieren als auf den bisherigen Scheiben, und ich bin bis dato sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Es wird auch wieder einen etwas längeren Song geben, der ein bisschen wie "The End Of Light" daher kommt…
RockTimes: Der Name des neuen Albums ist also kein Geheimnis?
Wolfgang: "The 5th Season" war bisher der passendste Name und inhaltlich wird es sich mit dem nicht wenig turbulenten Liebes- und Leidensleben unseres Sängers Roland Stoll beschäftigen. Mehr will ich da jetzt aber nicht verraten, denn der arme Junge muss nach Veröffentlichung des Albums eh schon mit aufgebrachten Anrufen seiner Verflossenen rechnen… Hahaha
RockTimes: Wann können wir mit dem neuen Album rechnen? Eigentlich wolltet ihr doch mit euren Studioarbeiten bereits etwas weiter sein. Wie kam es zu diesen Verzögerungen?
Wolfgang: Wie gesagt, wir hatten ein recht turbulentes Jahr 2006. Jan hatte in seinem Studio (Dreamscape-Studios) mehr zu tun als ihm lieb war. Meine Lebensgefährtin hatte mit einer schweren Operation zu kämpfen, die aber sehr gut verlaufen ist, und ich als Ziehpapa von zwei aufrührerischen Mädels musste mich das eine oder andere Mal einfach etwas mehr auf meine häuslichen Pflichten konzentrieren. Unser Bassist fiel von seinem Fahrrad und brach sich die Schulter. Unser neuer Schlagzeuger Michael musste sich beruflich verstärkt um seine Coverband kümmern, und bei Roland ist eh immer was los. Es war uns also unmöglich, den Zeitplan einzuhalten und das Album wird dann im Frühjahr nächsten Jahres erscheinen.
RockTimes: Mit Roland Stoll habt ihr euer letztes Album "Revoiced" eingespielt. Dabei wurde Songmaterial von den Alben "Very" und "End Of Silence" noch mal neu aufpoliert und aufgenommen. Wie wirkt sich die Mitarbeit von Roland bei den neuen Songs aus?
Wolfgang: Roland ist super! Früher war ich der Einzige, der sich um unsere Melodien gekümmert hat. Ich habe die Gesangsmelodien für die "Trance Like State", "Very" und auch vieles für "End Of Silence" geschrieben. Aber gerade bei letzterem Album hat Roland schon bewiesen, dass man ihm das auch getrost überlassen kann, denn all seine Änderungen meiner fast komplett ausgearbeiteten Gesangslines haben das Niveau der Arbeit enorm gehoben. Diese gute Zusammenarbeit setzt sich jetzt fort, und nachdem auch Jan seine Liebe für das Schreiben von Gesangsmelodien entdeckt hat, müssen wir uns oftmals zwischen drei guten Ideen entscheiden. Das macht wirklich wahnsinnigen Spaß, denn ehrlich gesagt waren unsere Gesangsmelodien immer unsere große Stärke. Wenn andere Bands sich nach dem ersten Album oftmals schon wiederholen, können wir uns vor neuen Ideen und Einfällen gar nicht mehr retten.
RockTimes: Mit Michael Schwager habt ihr auch einen neuen Drummer mit an Bord. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Wolfgang: Ein Glücksgriff mit Umwegen. Nachdem unser langjähriger Mitstreiter Bernhard Huber einfach keinen Sinn mehr sah, diese Art von Randgruppenmusik nahezu erfolglos zu bestreiten und wir kurz vor unserem zweiten Konzert in Atlanta, dem "Prog Power USA", standen, half uns ein begnadeter Schlagzeuger namens Klaus Engl aus. Wir wollten ihn unbedingt auch langfristig mit an Bord haben, aber er entschied sich dann wegen seiner Band 7for4 dagegen. Die Band ist übrigens ein absoluter Geheimtipp für Rockfans, die auch dem Jazz nicht abgeneigt sind. Klaus hatte aber ein dermaßen schlechtes Gewissen und kümmerte sich dann persönlich um unser "Headhunting". Fündig wurde er in seinem Lehrerkollegen Michael Schwager beim "Drummers Focus". Und Michael war sofort begeistert von unserer Musik und das war das Entscheidende. Wir mussten ihn nicht überzeugen, sondern er hatte wohl schon immer genau nach so einer Band gesucht. Und wir sind heilfroh darüber. Es gibt nicht viele Schlagzeuger in Deutschland von dieser Klasse, die dann auch noch genau auf so einen Sound stehen.
RockTimes: Ist es für Michael schwer gewesen, sich in das bestehende Repertoire von Dreamscape einzuarbeiten?
Wolfgang: Ich hoffe nicht, dass ich jetzt etwas Falsches sage, aber ja, es war sauschwer! Bernhard hatte einfach seinen ureigenen Stil und jeder Schlagzeuger, egal welcher Klasse, muss sich eingestehen, dass unser altes Material eine wahre Herausforderung an die motorischen Fähigkeiten ist. Aber Michael hat es gemeistert und nicht nur das, denn er hat es geschafft, unseren alten Songs gerade live noch mehr Druck und Genauigkeit zu verleihen, und da merkt man halt dann auch die gute Ausbildung eines wirklichen Profischlagzeugers.
RockTimes: Ihr werdet im September beim "Prog Power Europe" spielen und seid im März des nächsten Jahres für das "Prog Power UK II" gebucht. Wie wird die Setlist aussehen? Überwiegend neues oder altes Material?
Wolfgang: Durch die Verzögerung des Songwritings dieses Jahr, werden wir in Holland lediglich 3 neue Songs spielen. In England werden wir dann hoffentlich das neue Album und somit auch mehr neue Songs präsentieren können.
RockTimes: In der letzten Zeit seid ihr eher selten live auf der Bühne zu sehen. Wird sich das nach der Veröffentlichung des neuen Albums ändern? Wie sehen eure Live-Pläne aus?
Wolfgang: Wir bekommen von unserer Plattenfirma bei diesem Thema leider keinerlei Hilfe. Wenn wir nicht schon mittlerweile weltweit einen gewissen Kultstatus hätten, dann würden wir vermutlich in München versauern, aber wir sind absolut darauf angewiesen, dass sich die Veranstalter auch mal an uns wenden, denn wir haben einfach keine Zeit für aufwendige Promotionaktionen und Festivalbewerbungen. Vielleicht liest das ja jetzt jemand, der Lust und Zeit hat, sich dieser Problematik zu stellen?…
RockTimes: Du hast mit Dreamscape schon in Amerika gespielt? Was hast du für Erinnerungen an diese Zeit?
Wolfgang: Es war einfach nur Wahnsinn, denn wir haben da wirklich ganz treue Fans. Da gibt es Typen, für die ist unsere erste Scheibe "Trance Like State" eins von drei Alben, die sie mit auf die einsame Insel nehmen würden. Für die ist unsere Scheibe "Very" eine Offenbarung und "End Of Silence" hat eh eingeschlagen wie eine Bombe. Bei unserem ersten Konzert sorgten wir für wahre Begeisterungsstürme und wir konnten uns seit langem mal wieder als Rockstars fühlen. Wir haben Merchandisingartikel für ca. 2000 $ verkauft und so oft auf irgendwelchen Gegenständen und Karten unterschreiben müssen, dass wir schon Krämpfe in den Händen hatten. Natürlich stellten wir auch fest, dass die amerikanischen Metalfans grundsätzlich begeisterungsfähiger sind als das deutsche Publikum und realistisch betrachtet ist der Markt dort auch geeigneter für deutlich härtere Nu-Metal- oder zumindest Powermetal-Musik. Allerdings, wenn es für uns überall so gut laufen würde wie in den Staaten, dann könnten wir wahrscheinlich schon von unserer Musik leben. Und wer einen Eindruck von unseren Erlebnissen in Atlanta gewinnen will, der kann sich ja mal das Video reinziehen, dass zum Download auf unserer Homepage zur Verfügung steht.
RockTimes: Wie reagiert man jenseits des großen Teiches auf eine deutsche Prog.-Metal-Band? Hat man dort einen Faible für ausgefeilte Arrangements, wie sie in der progressiven Musik üblich sind?
Wolfgang: Wie gesagt, die Amerikaner sind viel euphorischer, sie sind längst nicht so kritisch wie das deutsche Publikum und sie genießen die Zeit intensiver, die sie ihrer Lieblingsmusik widmen. Ich kann nicht sagen, dass es dort mehr Progfans gibt als in Deutschland, denn hier sind Konzerte von Dream Theater ja auch ausverkauft. Aber eben nur von Dream Theater. Die Amerikaner feiern eben auch Bands wie Symphony X, Fates Warning und eben auch Dreamscape.
RockTimes: Wie siehst du die deutsche Prog.-Szene momentan? Da gibt es sicherlich, wie du sagst, große Bands wie Dream Theater, die auch größere Hallen füllen können. Aber ansonsten ist es für eine progressive Band doch eher schwer, viel Publikum anzuziehen oder nicht?
Wolfgang: Es gibt nur wenig kompetentes Publikum für Progbands in Deutschland. Für eine kleine Band wie uns ist es die grausame Realität, dass bei einem Konzert in Hamburg dann gerade mal 20 Leute auf der Matte stehen und auch Bands wie Vanden Plas haben damit zu kämpfen, das deutsche Publikum auf ihre Konzerte zu ziehen.
RockTimes: Euer Ex-Sänger Hubi Meisel hat vor ein paar Monaten sein neues Album "Kailash" auf den Markt gebracht. Habt ihr noch Kontakt untereinander? Und wie findest du die Platte?
Wolfgang: Ich persönlich habe momentan wieder mehr Kontakt zu Hubi. Wir waren ja sehr dicke Freunde zu seiner Zeit bei Dreamscape. Ich kann aber nachvollziehen, dass dies nicht mehr möglich war, als sich unsere musikalischen Wege getrennt haben. Ich hoffe allerdings, dass die Zeit jetzt diese Wunden geheilt hat und wir uns jetzt nicht mehr aus den Augen verlieren werden. Seine Musik gefällt mir durchweg sehr gut und ich hoffe, dass er sie auch mal live präsentieren kann, denn es gibt nicht so viele gute Progbands in Deutschland oder Europa, und jede Band mit dieser musikalischen Botschaft bedeutet gleichzeitig auch Werbung für Dreamscape.
RockTimes: Was hören die Musiker von Dreamscape für Musik außerhalb der eigenen Songs? Wo liegen die musikalischen Ursprünge der Bandmitglieder?
Wolfgang: Also bei mir geht es um gut gemachte Musik. Ich höre mir gerne die Soloalben von Derek Sherinian und Jordan Rudess an und natürlich mag ich Dream Theater und Symphony X, aber auch Bands wie Pagans Mind und Pain Of Salvation haben es mir angetan. Weniger in diese Prog-Schiene passen dann aber mein Faible für Pride Of Lions, Anastacia und Christina Aguilera. Für die anderen Jungs kann ich hier jetzt nicht sprechen, allerdings weiß ich, dass da nichts dabei ist, für das man sich schämen müsste. Hab ich jetzt die Lacher auf meiner Seite? Muss ich mich für Anastacia und Christina schämen? Hahaha....
RockTimes: Wer hat dich als Gitarrist am meisten in deiner Spielweise beeinflusst? Hast du Vorbilder?
Wolfgang: Eigentlich haben mich alle beeinflusst. Die meisten allerdings mit abschreckendem Beispiel. Wirklich gut fand ich mal Yngwie Malmsteen, John Petrucci (ist zwar immer noch eine Art Vorbild, mittlerweile allerdings in beiden Kategorien - abschreckend und nachahmenswert), Vinnie Moore, Tony Macalpine, Joe Satriani und Steve Vai.
RockTimes: Kannst du dir vorstellen, neben Dreamscape auch noch an anderen Projekten mitzuarbeiten? Oder erlaubt dir das deine Zeit nicht? Hättest du Interesse an so etwas?
Wolfgang: Ja klar will ich da mehr machen, denn obwohl dieses Jahr mal eine Ausnahme ist, habe ich doch dreimal so viele Ideen wie bei Dreamscape gebraucht werden. Ich habe bereits begonnen, an meinem Soloalbum "Escape From A Dream" zu schreiben, und demnächst werde ich auch eine Gitarrenunterrichts-DVD veröffentlichen.
RockTimes: Wo möchtest du mit Dreamscape noch hin? Was sind die angestrebten Ziele? Oder sagen wir es mal so: Was wünschst du dir in Sachen Dreamscape derzeit am meisten?
Wolfgang: Es wäre schön, wenn Dreamscape so erfolgreich ist, dass sich sämtliche in der wirtschaftlichen Erfolglosigkeit begründeten, immer mal wiederkehrenden Abwanderungsgedanken in Luft auflösen werden. Die Band gibt es jetzt seit 20 Jahren und sie bedeutet mir wirklich sehr viel. Ich wünsche mir, dass unsere CDs alle 2 Jahre rauskommen und Verzögerungen und Wirrungen wie in diesem Jahr uns in Zukunft erspart bleiben. Ich wünsche mir eine Live-DVD und viele Konzerte, damit wir auch den Spaß an der doch oftmals sehr harten Arbeit nicht verlieren und den Kontakt zu unseren Fans mehr pflegen können. Sollte ich jetzt Amen sagen? Hahaha… Aber die Frage hat mir gefallen!
RockTimes: Ich danke dir für das ausführliche Gespräch. RockTimes wünscht euch weiterhin viel Erfolg, insbesondere auch, dass die neue Scheibe gut ankommt und eure Auftritte bei den Prog Power-Festivals gut verlaufen werden.
Wolfgang: Ich bedanke mich im Namen von Dreamscape für die sehr guten Fragen und wünsche RockTimes ein stetig wachsendes Publikum!
Dreamscape CD-Releases
Externe Links: