Nach meiner Zählung ist "The dirty south" das mittlerweile sechste Album der wackeren 5, die sich nach so etwas wie einer Autobahnraststätte benannt haben.
Eines hat sich gehörig geändert zum Vorgängeralbum Decoration Day :
Statt Earl Hicks zupft nun Miss Shonna Tucker den 4-Saiter. Gut, herausgehört hätte ich es nicht, aber ich bin trotzdem erfreut. Denn wer den "furiosen" Mr. Hicks samt seiner "exzentrischen" Bühnenshow einmal "live" erlebt hat, wird diesen Wechsel mehr als begrüßen.
Einiges ist gleich geblieben: Jason Isbell hat für mich wieder einmal den besten Song der Platte gemacht ("Danko/Manuel") und wertet die gesamte Truppe gehörig auf. Er ist das eigentliche Aushängeschild der Band. Auch gleich geblieben ist das eigenwillige Coverdesign eines gewissen Wes Freed. Aber gut, dieser Stil hat zumindest einen Wiedererkennungswert.
Handwerklich ist die Band noch solider geworden. Im Gegensatz zu "Alabama Ass Whuppin`" fehlen hier, Rock sei dank, die solotechnischen Aussätzer von der Gitarre. Schrammten sie damals nur haarscharf an einigen grandiosen typisch (bekifften) Proberaum-Solis vorbei, sind die jetzigen Melodien jetzt zwar immer noch nicht von der Klasse eines Allan Collins, aber sie passen immer in den Song und ohne Mühe in die Tonlage.
Das 24-Seiten Booklet ist in einem Papp-Schuber untergebracht, so dass man es ohne Chirurgie entnehmen kann. Es bietet das Vorwort "Greetings from the Dirty South", Songtexte und ein paar Bilder und Fotos. Die Texte sind fast alle ohne Schwierigkeiten lesbar.
Produziert in gutem Southern-Sound und ohne viel Tam-Tam beglücken 14 Songs den Hörer und das bei einer Gesamtspeilzeit von ordentlichen 70:42 Minuten.
Was wohl niemand den Drive-by Truckers absprechen kann, ist die in jedem Song spürbare Spielfreude. An keiner Stelle klingt die Scheibe bemüht. Vielmehr stelle ich mir vor, dass "The Dirty South" so gemacht wurde, wie sich unsere Southern-Rock Fans aus Alabama eine Scheibe ihre Genres wünschen.
Keinesfalls will ich ihnen die Professionalität absprechen, wenn ich sage: "The Dirty South ist eine CD von Fans für Fans."
Hier die Southern-Lights und Anspieltipps:
"Where the Devil don`t stay" ist ein guter und wuchtiger Opener. Die Truckers zeigen gleich, wo in Alabama der Hammer hängt.
Mit "The Day John Henry Died" schlägt Jason Isbell das erste mal zu. Besonders der Ref. mit seinen mehrstimmigen Vocals brennt die Melodie in die Synapsen.
Mike Cooley beschwört seinen Helden Carl Perkins in dem Lied über dessen Cadillac. Nette Geschichte, vor allem wenn man auf Johnny Cash steht.
"Danko/Manuel" ist für mich der beste Song der Platte. Jason Isbell hat vor dem Komponieren offensichtlich von dem Gras der Genies geraucht. Dieses etwas schwermütige, wirklich emotionale Ding hält ganz klar Einzug in meinen geplanten und schon öfter erwähnten Privatsampler der besten Songs aller Zeiten.
Der Anfang von "Never Gonna Change" ist was für die Rhythmik-Chauvinisten. Erst wenn das Schlagzeug die ersten Takte begleitet hat, merkt man wie gut der Riff eigentlich passt. Wieder ein Liedchen aus der Feder Jason Isbells.
Einen guten und für ihn typischen Rocker bringt Patterson Hood. "Lookout Mountain" hat alles, was ein Song braucht, nämlich prima Strophen, rauen Gesang und Gitarren.
Song Nr. 14 und damit den Schluss der Platte markiert wieder ein ruhigerer Song. "Goodamn Lonely Love" hat das gewisse Etwas und mausert sich für mich zum zweitbesten Lied des Albums. Wer ihn geschrieben hat, verrate ich jetzt nicht, aber ich glaube, eine ggf. erscheinende Solo CD dieses Kerls ist sofort für mich fällig.
Wo "Drive-by Truckers" drauf steht, ist auch "Drive-by Truckers" drin. Das Richtige, um den Herbst mit seinen Stürmen vergessen zu machen, oder um bei Jason Isbells Songs versonnen das turbulente Spiel umhertreibender Blatter zu beobachten.
Spielzeit: 70:40, Medium: CD, Blue Rose Records, 2004
1:Where The Devil Don't Stay 2:Tornadoes 3:The Day John Henry Died 4:Puttin' People On The Moon 5:Carl Perkins' Cadillac 6:The Sands Of Iwo Jima 7:Danko/Manuel 8:The Boys From Alabama 9:Cottonseed 10:The Buford Stick 11:Daddy's Cup 12:Never Gonna Change 13:Lookout Mountain 14:Goddamn Lonely Love
Olli "Wahn" Wirtz, 01.12.2004
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