Driven / Self Inflicted
Self Inflicted Spielzeit: 59:57
Medium: CD
Label: MTM Metal/SPV, 2001
Stil: Heavy Metal


Review vom 10.12.2009


Christoph Segebard
Tracy G's Band Driven dürfte nur seinen eigenen und einigen Dio-Fans ein Begriff sein. Schon während der 90er und den drei Alben mit dem vorübergehend gewandelten Ronnie James Dio hatte Mr. G (mit richtigem Namen Grijalva) in vielen Projekten seine Flitzefinger drin; eine feste Band mit einem festen Line-Up sollte aber erst nach seinem Ausstieg bei Dio 1999 entstehen.
Wir erinnern uns: RJD war von seinem neuen Lead-Gitarrero begeistert - nur die Fans leider nicht. So musste er sich letztlich dem öffentlichen Druck beugen und Craig Goldy zurück ins Boot holen. Tracy schlug das Angebot, als zweiter Gitarrist weiterzumachen, aus und ging wieder seiner Wege.
Er nahm seinen Freund, Larry Dennison, gleich mit: Der vielseitige Basser wurde das erste Driven-Mitglied. Den Sängerposten belegte Timm Saxton - zu ihm später mehr. Schlagzeuger war ein weiterer Kumpel aus Tracys Dunstkreis - der geniale Ray Luzier. Auf der letztendlichen Veröffentlichung von "Self Inflicted" trommelte aber Mike Terrana - auch kein Schlechter, wie wir wissen.
Wer auf "Dio's Inferno - The Last In Live" sein Solo in "Mistreated" gehört hat, hat sich vielleicht gefragt, was mit Tracy G eigentlich los ist, dass ihm derlei Noten einfallen. …Auf diesem Album, man sei gewarnt, genießt er auch noch totale Freiheit. Und, ich nehm's vorweg: Die bohrende Frage, von welchem Planeten er eigentlich kommt, wird sich nicht klären, sondern nur noch drängender werden. Das etwas besser verstehen, was er bei Dio zu tun versucht hat, wird man aber.
Ungewöhnlich ist es auf jeden Fall. Was einem zuerst auffällt, ist der doch sehr eigenwillige Sänger, Timm Saxton. Die Screams, die er zuhauf einsetzt, sind stimmlos, aber nicht so methodisch und aus Prinzip erzwungen wie beim Extrem-Metal. Irgendwie zugleich kraftlos und kraftvoll, wütend und hilflos; völlig durchgedreht. Er klingt in diesen Momenten wie jemand, der gern normal singen würde, es aber vor Wut nicht mehr kann. Gleiches gilt auch für seinen Clean-Gesang, der wie Deliriums-Singsang eines Fieberträumenden wirkt.
So merkwürdig und ungehörig klingt der Gesang jedenfalls, dass ich beim ersten Hören die CD entrüstet gleich wieder aus dem Player geholt habe. Saxtons Vocals sind auf jeden Fall Geschmackssache - ich hab mich inzwischen irgendwie dran gewöhnt und finds ganz kultig.
Der Rest vom Fest steht ihm in Sachen Abgedrehtheit aber auch in nichts nach. Wir hören definitiv Metal, aber von gewöhnlichen Songstrukturen sind wir weit entfernt. Alles wirkt wie ein großes Durcheinander, aber sehr gewachsen und organisch; die Band als Lebewesen. …Diesem Eindruck fällt aber das reine Songwriting zum Opfer, das man wirklich nur einem sehr ausgewählten Personenkreis anbieten kann. Traditionelle Metal-Klänge kann man vergessen. Dafür feuert Tracy (in einem hervorragendem Soundmix) affengeile Riffs ab, die Drums sind super, der Bass von Könner Dennison sowieso.
Garniert wird das Ganze mit mehr von G's eigenwilligen, berüchtigten Roboter-Gitarreneffekten, Samples mit Filmzitaten wie z.B. aus "Pulp Fiction" und kuriosen Soli. Manchmal holt der Meister auch sein Lieblingsinstrument, die spanische Gitarre, raus und gibt was zum Besten. Dann wird dem Hörer vielleicht ganz kurz der geniale Spielwitz des Mannes klar, der über herausragende technische Fähigkeiten verfügt, damit aber noch nie hausieren gegangen ist. Bei Dio dachte daher jeder, dass er's einfach nicht könnte.
Zwei ruhige Songs, "Driven" und "Bittersweet", schaffen es irgendwie, das Gehörte doch noch ein wenig abzurunden und stimmen den versöhnlich, der ob des Dargebotenen einfach empört ist.
Der Trick ist einfach: Man muss verstehen, dass man Tracy G nicht verstehen kann. Dann lässt sich seine Musik auf nie gekannte Art genießen. Tatsächlich ist seine Fangemeinde vergleichsweise klein. "Self Inflicted" war auch das letzte seiner Alben, das unter einem Label erschien. Danach hatte er vom Plattenfirmen-Buhei die Schnauze voll. Seither vertreibt er seine Musik ausschließlich über seine Website und kann, nach eigener Aussage, nur leidlich davon leben. …Gott sei Dank gibt es noch Menschen, die den Preis für Querköpfigkeit zu zahlen bereit sind.
Line-up:
Tracy G (guitar, keyboards)
Timm Saxton (vocals)
Larry 'Bones' Dennison (bass, background vocals and some wa wa-guitar)
Mike Terrana (drums, percussion)
Tracklist
01:World To Me
02:Necessary
03:Shine
04:No 1 2 U
05:The Best Of Me
06:Driven
07:Mr. Perfect
08:Pump
09:Speck (a 2nd movement in c#minor)
10:Bittersweet
11:The Lorax
12:Come Clean
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