Ferdy Doernberg / Travelling Light
Travelling Light Spielzeit: 73:40
Medium: CD
Label: Rebellion Records, 2010
Stil: Rock/Singer/Songwriter

Review vom 02.03.2010


Boris Theobald
Rostet meine Dobro eigentlich, wenn ich sie im Regen spiele?
Was machen Mutanten im Einkaufscenter?
Und wie kriege ich einen Mops zum Niesen?
All das sind Fragen, die uns schon so lange auf der Seele brennen... Nun kommt endlich ein Musiker und liefert Antworten, und zwar ARP-Keyboarder und Rough Silk-Boss Ferdy Doernberg auf seinem neuen Soloalbum. Mit 'seinen' Bands hat "Travelling Light" allerdings nicht viel gemeinsam, bis auf ein paar der beteiligten (Gast-)Musiker und den Umstand, dass Ferdy genau wie bei Rough Silk auch selber singt und als großer Slide Guitar-Fan leidenschaftlich rauf und runter, kreuz und quer slidet. Wie, klingt jetzt doch nach vielen Gemeinsamkeiten? Nicht wirklich... in dieser Scheibe steckt so viel verrücktes Zeug, dass das gar nicht so sehr ins Gewicht fällt.
Allein schon ein Blick in den Werkzeugkoffer des Chefs (siehe Line-up!) verrät, wie vielseitig Ferdy Doernberg hier zu Werke geht. Hammond oder Klavier sind meistens dabei, dazu ein ganzer Tourbus voller Saiteninstrumente inklusive Ukulele und Mandoline. Dabei ist gerade der Mix aus Strom- und Akustik-Gerätschaften sehr attraktiv. Und dazu kommt eine halber Musikladen von Gelegenheits-Instrumenten - Trompete, Mundharmonika, Akkordeon & Co. werden hier und da ganz dosiert eingesetzt, um dem Ganzen den letzten Feinschliff zu verpassen.
An selbigem haben auch die Gastmusiker, allesamt Freunde und musikalische Weggefährten Doernbergs, ihren Anteil. Anke Sobeks (Nikki Puppet) Kontrabass-Spiel verleiht besonders den ruhigeren Momenten ein sehr authentisches Feeling; und Power-Schlagzeuger Mike Terrana zeigt sich bei "May God Save Us From Religion" auch von einer eher ungewohnten Seite, nämlich als gewiefter Percussionist, wie Ferdy gegenüber RockTimes schwärmt:
»Das sind keine Samples - das sind 24 Spuren voller Congas, Bongos, Kuhglocken, Shaker, Timbales etc., die Mike nach und nach über seine eigentlichen Drumspuren 'aufgetürmt' hat. Die meisten kennen ihn ja eher als Metal-Drummer - aber das ist nur eine von Mikes Facetten.«
Zusammen entsteht ein Mix aus mehr oder weniger rockigen Nummern in verschiedenen Gemütslagen. "Travelling Light" besteht aus Hard-, Blues-, und Folk Rock mit Soul- und Country-Einschlägen und Singer/Songwriter-Seele, ein paar Einsprengseln Piano Jazz, Ragtime, ja sogar einigen Takten billyjoelesker Chanson-Anmut ("The Suburbs Of Paradise") und relaxt-langsamem Dixieland Jazz von der "Jugband" an der Straßenecke im gleichnamigen Song Nummer neun. Ein beachtlicher Teil der Stücke besteht gleich aus einem Mix aus alledem. Nicht mal eine ruhige Ballade wie "All The Things You Do" oder "You Don't Know What You've Got 'Till It's Gone" plätschert einfach so vor sich hin. Stattdessen packt Ferdy urplötzlich das Lagerfeuer wieder ein und kramt stattdessen den Verstärker raus. Und alles ist handgemachte Musik, na klar.
Handgemacht und 'Hund-gemacht', könnte man sagen... "Wah-Whoopf":
»"Wah-Whoopf" - das ist die Art, wie der Hund meiner Freundin, ein Mops, bellt. Jedesmal, wenn er bellt, muss er danach niesen und das fand ich so lustig, dass er diesen Song - eigentlich ein Instrumental - unbedingt mit seinem 'Gesang' veredeln musste. Das war gar nicht so leicht, denn sobald er bei mir im Studio war, tat er alles, nur nicht bellen. Nachdem wir ihn aber aufgenommen hatten und das Ganze abspielten, damit er dachte, da sei noch ein zweiter Hund, begann er aber dann doch zu bellen und lieferte das volle Programm ab: winseln, grunzen, niesen etc.
Musikalisch möchte ich noch mal Mikes Drumming hervorheben und den - von John McLaughlins indischen Aufnahmen beeinflussten orientalischen Slide-Part in der Mitte. Die wenigsten wissen, dass die Slide-Gitarre ursprünglich aus Indien kommt und erst viel später in die USA 'auswanderte'. Diese Stelle ist ein kleiner Tribut an die Ursprünge meines Instrumentes.«
Die Songs mit Menschen-Gesang hat allesamt das wahre Leben geschrieben - da geht's nachdenklich, aber nach vorn blickend um Abschiede von Verflossenen und Verflossenem, oder Ferdy Doernberg macht sich abwechselnd mit dem amerikanischen Singer/Songwriter
Joseph Parsons seine Gedanken über 'Gott und die Welt' ("May God Save Us From Religion") - oder über sich selber. In "A No-Haired Hippie Like Me" spielt er natürlich selbst die Hauptrolle. Die Inspiration kam irgendwann, nachdem er sich die Haare abgeschnitten hatte. Da sagte einer zu ihm: »Komisch, du siehst so gefährlich aus - aber eigentlich bist du ja voll der Hippie…«
Herausgekommen ist eine musikalische Mahnung, nicht alles und jeden nach dem Äußeren zu bewerten. Und da beweist Ferdy auch noch sein komödiantisches Talent, denn der ganze Text ist als fiktive Ansprache an einen Ordnungshüter verfasst:
»No, Sir, Officer, I ain't doin' nothin' and I'm definitely not looking for a fight. I'm a single male heterosexual human being just searching for some company. I'm a non-smoking, non-drinkin' but sometimes weird-thinkin' guy losin' his sanity...«
Ferdy Doernberg Lieblingsthema ist allerdings das Leben eines Vollblut-Musikers. Er erzählt singend Geschichten vom Tourleben in den Vereinigten Staaten mit Uli Jon Roth ("Along The Road"), von den Gründen, überhaupt Musik zu machen ("Travelling Light" - schönes Wortspiel, übrigens)... und lässt sich ausgiebig über die moderne Musikindustrie aus, die er völlig auf dem Holzweg sieht. "In Search Of A Catchy Chorus", da zeigt er sich von seiner sarkastischen Seite und besingt die große Karriere einer imaginären Band - schlecht, aber erfolgreich. Nicht nur der schwarze Humor hat was von Monty Python - auch der 'catchy' Chorus, der sehr plastisch den Weg durch den Quintenzirkel beschreibt, trägt süffisant komische Züge.
Bei "Integrity" - am Ende mit urkomisch-unpassender Grunz-Unterstützung von Sabina Classen - wechselt Ferdy in die Ich-Form:
»Alright, the time has come. I officially declare myself an enemy of the music business...
I've always tried to stay true to myself and that's just how the story goes... 'cause this one's for the deep shit - the stuff they won't play on your TV - real music made by real people - with soul and integrity.«
Im Rausschmeißer "Mutants At The Shopping-Mall" schimpft Ferdy schließlich nicht nur über die Musikindustrie, sondern allgemein und sowieso über die Leute... Leute, die sich am Flughafen über den Sicherheits-Check beschweren, Leute, sich nicht waschen und nicht kämmen und Leute, die ihre Hose unterhalb des Hinterteils tragen (Ein schöner Gruß an die Fraktion der Porno-Rapper?!). Pell-Sänger Johnny Gioeli hilft ihm dabei.
Ob es jetzt Musikmanager oder 'Mutanten im Einkaufscenter' sind - wenn die Leute bei Ferdy Doernberg ihr Fett weg kriegen, ist das authentisch und ausschließlich aus dem wahren Leben (ja, auch bei "E.T. Phone Home"!). "Travelling Light" ist ein sehr persönliches Album, ja sogar inklusive persönlichem Foto-Album... das Booklet ist voller Schnappschüsse, insbesondere aus New York, siehe Titelbild mit Ferdy direkt vor 'BB King's Club' in der 42nd Street... in New York ist schließlich auch die Hälfte des Albums entstanden - die andere Hälfte daheim im eigenen 'Droehnwerk'-Studio in Bad Nenndorf.
Zusammen sind das gut 73 Minuten voller handgemachter Musik und (sehr) Doernberg'scher Gedanken. Und die liefern Antworten auf viele essentielle Fragen des Musikerseins. Nur nicht auf die, ob die Dobro rostet, wenn man sie im Regen spielt. Für diesen Feldversuch waren dem guten Ferdy seine Dobros dann doch zu teuer...
Line-up:
Ferdy Doernberg (lead vocals, slide-guitar, electric & acoustic guitars, piano, trumpet, Hammond-organ, Dobro, pedal steel, jug, keyboards, slide-bass, mandolin, lap steel, glockenspiel, bouzouki, accordion, harmonica, Wurlitzer, saz, harmony-vocals, washboard, loops, melodica, clavinet, fluegelhorn, ukulele, orchestration)
Mike Terrana (drums - #2,6,8,9,11,13,16b, percussion - #5,8,16a)
Alex Wenn (drums & percussion - #3,4,10,12,14,15)
Curt Doernberg (drums - #5,7)
Anke Sobek (upright bass - #4,9,12,15,16b, bass - #2,6,8,11,13)
André Hort (bass - #3,4,5,7)
Ecki Huedepohl (bass - #10,12,14,16b)
Katja Krause (background-vocals - #3,12,16b)

Guest-starring:
Joseph Parsons (duet-vocals - #8)
Sabina Classen ("growling" & harmony-vocals - #11)
Johnny Gioeli (duet-vocals - #16b)
Michael Hankel (electric guitars - #11)
Helge The Pug ("vocals" [barking, sneezing, grunting...] - #13)
Tracklist
01:Does A Dobro Rust When You Play It In The Rain? [instrumental]
02:Shed A Tear
03:In Search Of A Catchy Chorus
04:E.T. Phone Home
05:A No-Haired Hippie Like Me
06:Keep Me In Your Heart When I'm Gone
07:Along The Road
08:May God Save Us From Religion [duet with Joseph Parsons]
09:Jugband
10:All The Things You Do
11:Integrity [featuring Sabina Classen & Michael Hankel]
12:You Don't Know What You've Got 'Till It's Gone
13:Wah-Whoopf [instrumental]
14:Travelling Light
15:The Suburbs Of Paradise
16a:Django Meets The Undead Scotsman [instrumental]
16b:Mutants At The Shopping-Mall [duet with Johnny Gioeli]
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