James Byron Schoen, Jahrgang 1983, hat eine musikalische Vision: Anders sein als die anderen! Kreativ genug ist er allemale. Schon als Jugendlicher schrieb er nach eigener Aussage lieber Drehbücher, zeichnete Comics und programmierte Computerspiele als am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Erste Gehversuche als Songwriter soll's im zarten Alter von sieben Jahren gegeben haben. Es entwickelten sich jugendliche Leidenschaften für Heavy Metal, Prog Rock und Michael Jackson - letztere ebbte zu Gunsten von Metallica ab. Als Musikstudent erweiterte er seinen Horizont und begann, klassische Elemente und Weltmusik in seine Songs einzubauen. An der Uni, von selbiger großmütig finanziert, brachte er seine eigene Show "Beyond Eden: A Surrealistic Pseudo Rock-Opera" auf die Bühne. Und nach all dieser Erfahrung, als 'reifer Mann', sozusagen, als studierter langhaariger Liedermacher mit ausgeprägtem Experimentierdrang hat er eine Botschaft an die Welt des Progressive Rock: Edensong - seine Musik, sein 'Brainchild', wie man im Englischen so schön zu sagen pflegt.
James Byron Schoen ist der alleinige Boss. Er schreibt die Songs, spielt Gitarre und singt. Und er unterhält neben einem Band-Lineup auch ein ganzes Corps von Gastspielern, die sich im Studio verewigen durften. Nicht weniger als 19 Musiker wirken auf dem Debütalbum "The Fruit Fallen" mit und sorgen mit einer immensen instrumentalen Vielfalt für die musikalische Grenzenlosigkeit, die sich Schoen auf die Edensong-Fahne geschrieben hat. Schoen selbst tut sein Übriges dazu, mit wahrlich extravaganten Songstrukturen seiner acht Stücke, die selbst verwöhnteste Prog-Ohren zum Schlackern bringen. Die Songs, deren Entwicklungszeit teils bis ins Jahr 2001 zurückgeht, setzen sich über so ziemlich alle Konventionen der Populär-Musik hinweg. Gewöhnungsbedürftig, aber genial.
Die oftmals schwermütigen Grundstimmungen werden meist durch Akustik- und Clean-Gitarren bestimmt. Sie klingen mal so mysteriös spannend wie in Fate Warnings Klassiker "Guardian", mal nach klassischer Gitarre, oder sogar nach Flamenco. Klassische Orchesterinstrumente gesellen sich dazu - Cello und Geigen, die zusammen mit der Akustikgitarre wie ein barockes Kammerspiel anmuten. Dazu lyrische Klaviermelodien und verspielte Querflöten, Hammond- und Kirchenorgel, Klavier. Stetig aufeinander aufbauend ergänzen sie sich und imitieren da einander zum Teil drei, vier verschiedene und wunderbar aufeinander abgestimmte Melodien. Akustische Kunstwerke, die zerbrechlich, balladenhaft beginnen, steigern sich ganz intuitiv zu symphonischen Rocksongs.
Zunächst geduldig, dann mehr und mehr drängend werden Spannungen aufgebaut, jeder Ton ein kleines Mosaiksteinchen in einem ganz großen Bild voller Details. Rhythmen werden fliegend gewechselt, Rock-Drums mit afrikanischer Percussion oder 'indianischen' Tablas kombiniert; Tempi werden am laufenden Band variiert. Aus lyrischen, filigran ausgetüftelten akustischen Auen-Bächen werden innerhalb weniger Takte reißende Wildwasser-Flüsse. Der musikalische Ausdruck wandelt sich im Nu von ruhig-nachdenklicher Lagerfeuer-Stimmung zu unheilschwangerem, Nebelschwaden-verhülltem Düster-Metal. Das könnte der Soundtrack zu einem monumentalen Fantasy-Epos sein! Zum Zungenschnalzen sind nicht nur die sich langfristig entfaltenden, epischen Strukturen - auch kurzfristig verblüfft der ständige Schwerkraft-Wechsel dieser Musik aufs Angenehmste. So gibt es in manchem Refrain gleich taktweise Wechsel in Tempo, Rhythmus und Instrumentierung.
Es ist schon genial verrückt, was James Byron Schoen da abzieht, seien es Stücke mit Strophen-Chorus-Struktur wie "Water Run", langgestreckte, wellenförmige Spannungsbogen wie in "The Baptism" oder epische Zauberwerke wie "Nocturne", bei denen man zu Beginn nicht mal im Traum erahnen kann, in welche Richtung es fünf Minuten später gehen wird. Und doch hat auch Schoen das Rad nicht neu erfunden und verneigt sich zum Teil sogar deutlich vor seinen Vorbildern. In erster Linie zu nennen sind hier Jethro Tull. Daran erinnern nicht nur die weit verbreiteten akustischen Rock-Drives mit einer unbekümmerten rhythmischen Leichtigkeit sowie die markanten Querflöten-Melodien - insbesondere auch die erfrischend unkonventionellen Gesangslinien adaptieren oftmals den Stil Ian Andersons.
Auch jüngere Referenzen sind auszumachen: Die härteren Düsterrock-Passagen erinnern an Deadsoul Tribe, gerade auch im Wechsel mit melancholisch-angespannten Akustikpassagen. Vertrackte, von Violinen umgarnte Orgel-Gitarren-Spielereien lassen unweigerlich Gedanken an Kansas aufkommen - die ansatzweise vorhandenen Experimente mit Dissonanzen gar an Van der Graaf Generator, die aber stets rasch wieder aufgelöst werden und somit gut verdaulich bleiben. "One Breath To Breathe" schließlich, welches das Album als Hidden Track abschließt, geht am stärksten von allen Stücken in Richtung von Progressive Metal-Vorbildern wie Dream Theater.
Doch irgendwie gelingt es James Byron Schoen immer wieder, alle seine Einflüsse in jedem Song miteinander zu verschmelzen. Selten darf man Musik genießen, die derart vertrackt komponiert ist, ohne konstruiert zu wirken und zugleich dermaßen vielschichtig in die Tiefe geht, ohne überfrachtet zu sein.
Das i-Tüpfelchen bilden die tiefsinnigen Texte. Ob es um ganz weltlichen Kummer geht wie zerbrochene Beziehungen ("The Baptism") oder gescheiterte Existenzen ("Nocturne"), oder ob über Krankheit ("The Prayer") und Tod ("The Reunion") reflektiert wird - James Byron Schoen hat, wie schon die Namen von Band und Album zeigen, ein Faible für religiöse Zwischentöne und biblische Bilder und Zitate. "The Fruit Fallen" ist jedoch kein Album, das dem Hörer religiöse Überzeugungen aufoktroyieren will. Es hinterfragt im Gegenteil poetisch, und doch konkret und weltbezogen die Rolle von Gott und Religion in der Gesellschaft und für den Einzelnen - oder schlicht und einfach, ob es einen Gott gibt oder nicht. Heraus kommen Texte, über die man nachdenkt, ob nun als Pius-Bruder, Agnostiker oder Atheist:
»And on the sixth day man created God
to help see things we can't explain,
to use His laws to cast our blame,
and to wage our battles in His name.«
("The Sixth Day")
»Now I don't usually ask for favors
from forces I can't see or hear,
but tonight I'll throw my pride into the wind.
This is a prayer for anyone who will listen,
and if you're really winged, grow wings this day,
to wrap around him, free from any harm,
but in the end, please leave him in our arms to stay.«
("The Prayer")
Line-up:
James Byron Schoen (vocals, electric and acoustic guitar)
Matt Cozin (drums and percussion)
Michael Drucker (violin)
Eve Harrison (flute - #1,2,4,6)
Rachel Kiel (flute - #3,5,7,8)
Arthur Sugden (piano and organ)
Additional musicians:
Ben Wigler (additional electric guitar -#2,4,5,6,8)
Kerry Prep (piano and organ #1,4)
Sam Baltimore (cello #2,4)
Joe Swain (violin #1,4)
Anthony Waldman (drums - #5, additional percussion - #2)
Ben Doleac (background vocals - #3,6)
Azalea Birch (tablas - #3)
Hannah Goodwin-Brown (cello - #7)
Joaquin Cotler (African percussion - #2)
Neely Bruce (church organ - #2)
Steve Devita (additional percussion - #2)
Adam Bernier (synthesizer programming)
Tracklist |
01:Water Run (6:01)
02:The Baptism (6:38)
03:Reflection (5:05)
04:The Prayer (8:03)
05:Nocturne (9:20)
06:The Sixth Day (9:59)
07:One Breath To Breathe (4:24)
08:The Reunion (9:51)
Hidden Track: To See But Not Believe (8:41)
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Externe Links:
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