Electric Sandwich / Electric Sandwich
Electric Sandwich Spielzeit: 39:29
Medium: CD
Label: Brain/SPV, 2005 (1973)
Stil: Krautrock/Jam


Review vom 20.09.2007


Markus Kerren
Electric Sandwich fanden in der Blütezeit des sogenannten Krautrock Anfang der siebziger Jahre statt. Und die Band aus der damaligen Bundeshauptstadt Bonn trumpfte mit ihrem gleichnamigen Erstling gleich mal so richtig auf. Im Jahr 1969 gegründet, setzte die Combo vor allem auf Spontanität und größtmögliche Freiheit. Sowohl persönlich, wie auch musikalisch. Aus den vielen und langen Jam-Sessions im Proberaum setzten sich dann aber nach und nach die Songs und Arrangements der Stücke für das Debüt zusammen.
Größtmögliche Freiheit, oh ja, das wird vor allem auf dem Opener und einzigen Instrumental-Stück des Albums, "China", offensichtlich. Ein offener Jam mit einer bluesigen Gitarre und die eh schon treibenden Drums noch zusätzlich unterstützenden Percussions, lassen einen zwangsläufig in andere Sphären abfliegen. Acht Minuten, die es in sich haben. "Devil's Dream" überzeugt mit einer fetten Gitarrenmelodie und starkem, wenn auch spärlichen Gesang, bevor die Gedanken im anschließenden, von der Gitarre geprägten, Improvisationsteil wieder steil auf die Reise geschickt werden. Sehr cooles Saxophon-Solo auch von Jochen Carthaus, der zusätzlich für die manchmal bluesigen, meistens jedoch sehr souligen Vocals zuständig war.
Der Bass und die Drums entführen uns, nicht nur in diesem Stück, in die Jazz-Welt, während bei "Nervous Creek" eine ultra-heavy Gitarre das Obst von den Bäumen holt. Plötzlich fällt dann aber alles in sich zusammen und es wird sehr besinnlich, bevor die Heavy-Keule in Form einer fetzenden Gitarre und einem Ur-Schrei wieder ausgepackt wird. Puuh, also langweilig wird diese Scheibe sicher nicht mehr werden, soviel ist jetzt schon klar.
Der wohl eingängigste Track nennt sich "It's No Use To Run" und geht sofort ins Ohr. Electric Sandwich schaffen den Spagat, sowohl musikalisch anspruchsvoll, als auch sehr melodiös zu sein. Dazu gelingt es ihnen immer wieder, mit beeindruckenden Soli auf der Harmonika, Gitarre, dem Saxophon oder auch mal der Flöte und dem Bass zu glänzen.
Auch "I Want You" verfügt über dieses typische, melancholisch-schwermütige Feeling der Früh-Siebziger. Nicht ohne jedoch seine Rebellion dagegen mit unbändigen Ausbrüchen musikalischer Heftigkeit zum Ausdruck zu bringen. Erneut kommt hier auch das Saxophon sehr stark zur Geltung. Sehr bluesig, der Name verrät es bereits, kommt "Archie's Blues" daher. Eine der unbändigen Stärken dieser Scheibe ist übrigens auch, dass das grosse Manko so vieler anderer Krautrock-Bands, der unterdurchschnittliche Gesang, hier überhaupt keine Rolle spielt, denn Carthaus hat die Sache voll im Griff. Da klingt nichts nach dem berüchtigten 'deutschen Englisch' und auch stimmlich kann er voll überzeugen.
Einen weiteren Pluspunkt sammelt "Archie's Blues" durch die Idee, zwei solierende Gitarren mit verschiedenen Themen übereinander zu legen. Das erinnert sehr angenehm an das geniale Album "Together" der Hannoveraner Jane und der Effekt, bzw. das Endergebnis ist einfach nur geil. Mit "Material Darkness" klingt das Album dann eher ruhiger, mehr von Saxophon und Bass, als von der Gitarre bestimmt, aus.
"Electric Sandwich" ist eine absolute Perle seiner Gattung und es ist sehr schade, dass es nie zu Aufnahmen eines zweiten Albums kam. Da die Gruppe sich nicht einigen konnte, in welche stilistische Richtung man sich zukünftig bewegen sollte, lösten sich Electric Sandwich im Jahr 1975 auf. Einziger Kritikpunkt an dieser Wiederveröffentlichung ist, dass der Song "On My Mind", der damals als Single erschien, hier nicht mitenthalten ist. Bei einer Spielzeit von knapp 40 Minuten wäre dafür nämlich noch massenhaft Platz gewesen.
Nichtsdestotrotz haben wir es hier mit einem sehr starken Album zu tun, das ich nur wärmstens empfehlen kann.
Line-up:
Jörg Ohlert (guitars, organ, mellotron)
Klaus Lormann (bass)
Jochen Carthaus (vocals, sax, harp)
Wolf Fabian (drums)
Tracklist
01:China
02:Devil's Dream
03:Nervous Creek
04:It's No Use To Run
05:I Want You
06:Archie's Blues
07:Material Darkness
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