Nach etwas mehr als eineinhalb Jahren war wieder mal eine der besten Krautrockbands in Isernhagen angekündigt. (Eine Nachlese des Konzertes aus dem Jahr 2004 findet Ihr natürlich auch in Rocktimes).
Epitaph gastierten wieder mal bei Henry. Da sich die Gruppe in der letzten Zeit ziemlich rar im niedersächsischen Raum gemacht hatte, war es natürlich gar keine Frage, dass sich die Rockmusik-Fraktion aus Langelsheim wieder auf den Weg machte, um die Mannen um Cliff Jackson und Bernd Kolbe auf der Bühne zu erleben. Schließlich wussten wir, dass uns garantiert ein hochklassiges Konzert erwartete, denn dafür ist Epitaph schon seit den siebziger Jahren bekannt.
Eine erste Überraschung erlebten wir gleich bei unserer Ankunft, denn als Special Guest war diesmal Kraan-Gitarrist Peter Wolbrandt angekündigt. Das hörte sich ja schon mal ganz gut an, denn obwohl die Musik der Gruppe um Hellmut Hattler nicht unbedingt mein Ding ist, war mir doch klar, dass Peter Wolbrandt sicherlich ein heißes Brett auf der Bühne spielen würde. Und davon konnten wir uns auch gleich überzeugen, denn der Soundcheck war bei unserem Eintreffen noch voll im Gange. So knallten uns schon auf dem Parkplatz die harten Gitarrentöne um die Ohren. Wow, das ging ja schon richtig ab!
Eineinhalb Stunden später war uns dann klar, dass sich der Publikumszuspruch auch heute wieder arg in Grenzen halten würde. Es ist mir absolut unerklärlich, dass eine Band wie Epitaph nicht mehr Leute anzieht. Schließlich ist ihre harte, aber melodische Musik noch immer zeitlos und nach wie vor frisch und unverbraucht. Ich hoffe doch stark, dass sich die Qualität von Epitaph, unter anderem auch durch diesen Bericht, endlich mal etwas mehr herumspricht, denn diese Combo hat wirklich wesentlich mehr Interesse verdient. Also unbedingt vormerken: Ist Epitaph in Eurer Nähe, alles stehen und liegen lassen und hingehen. Ihr werdet es nicht bereuen!
So verliefen sich wieder nur knapp hundert Gestalten im Saal. Das muss für die Musiker schon ganz schön frustrierend sein, vor fast leeren Rängen aufzutreten. Doch sie nahmen diese Tatsache relativ gelassen hin. So traf ich kurz vor dem Gig auf einen gutgelaunten Cliff Jackson, der mir bereitwillig einige Fragen beantwortete. Dabei interessierte mich natürlich besonders, wie weit die Arbeiten am neuen Studio-Album, das ja schon für letztes Jahr angekündigt war, fortgeschritten sind. Verschmitzt lächelnd versicherte mir Cliff, dass es wohl im August dieses Jahres endlich so weit sein würde, und ich sollte mal den Gig abwarten. Dann könnte ich mir ein Bild über das neue Material machen, denn vier neue Songs würden sie heute auf der Bühne in der endgültigen Fassung vorstellen. Desweiteren freue er sich auf dieses Konzert und auch darüber, dass Rocktimes wieder mit von der Partie sein würde.
Wie gut die Jungs drauf waren, das zeigte sich dann beim Auftritt von Peter Wolbrandt. Nach zwei Songs im Alleingang enterten Bernd Kolbe (Bass) und Achim Wielert-Poret (Schlagzeug) die Bühne und spielten sich in Trio-Besetzung schon mal richtig warm. Dabei gab es eine Mischung aus Bluessongs und harten Rocksounds auf die Ohren. Auch ein Kraan-Titel wurde angestimmt. Und das alles im Jimi Hendrix-Stil mit reichklich Rückkopplungen, Verzerrern und Wah-Wah-Effekten. Der Mann hat es richtig drauf. So viel steht mal fest.
Nach einer halbstündigen Pause begann schließlich der Auftritt von Epitaph. Vom ersten Ton an volle Power. Am linken Rand verbog sich ein konzentrierter Cliff Jackson zum kräftigen Rhythmus, während auf der anderen Seite Heinz Glass ruhig und besonnen die Lead-Gitarre traktierte, nur bei seinen Soli Richtung Bühnensteg trat und mit verzerrtem Gesicht glasklare Töne aus seinem Instrument herausholte. Dazwischen bewegte sich Bernd Kolbe, einem Derwisch gleich, von einem Ende zum Anderen. Wie immer war er auch der Kontaktmann zum Publikum und sorgte mit seinen Ansagen stets für gute Stimmung im Saal. Im Hintergrund machte Achim Wielert-Poret den nötigen Druck. Mit vollkommen unspektakulären Bewegungen riss er die harten Beats an seiner extrem flach aufgebauten Schießbude runter. Sowas geht also auch ohne übertriebene Showeinlagen.
Das zweiteilige Set begann zunächst mit einigen Knallern ihrer ersten beiden Alben "Epitaph" und "Stop, Look And Listen", die seit Langem zu den Highlights eines jeden Auftrittes von Epitaph gehören. So sorgten nacheinander "Fresh Air", "Moving To The Country", "Woman" und "Crossroads" für allerbeste Stimmung. Es folgte "Big City" vom Album "Outside The Law". Den ersten Teil beschlossen drei neue Titel. Auch sie sind allesamt im typischen Epitaph-Stil gestrickt. Teilweise bestimmt ein perfekter Harmoniegesang die Szene, dann wieder gibt es die Double-Lead-Guitars satt auf die Ohren. Auch diese Songs machen so richtig Spass.
Auch Part Two des Konzertes bestand wieder zum größten Teil aus den bewährten alten Sachen. "Reflection", "Bad Feeling" und "Stop, Look And Listen" ließen den Raum erbeben. Mit "What About" gab es noch eine neue Nummer, bevor der straighte Boogie "Going To Chicago" auch den letzten Zuhörer zu rhythmischen Bewegungen veranlasste. Durch die vier Titel der anstehenden CD mussten natürlich einige Epitaph-Klassiker aus dem Konzert genommen werden. Pech für mich, dass es dabei ausgerechnet zwei meiner Lieblingssongs traf. So fiel die Ballade "Visions" genauso dem Rotstift zum Opfer, wie das wohl abwechslungsreichste Stück der Band "Early Morning". Aber man kann ja nicht alles haben, und die Zeit bleibt nun mal nicht stehen.
Für die beiden stürmisch geforderten Zugaben kam es zu einer Jam-Session, bei der auch Peter Wolbrandt wieder mit dabei war. Heraus kam, wie könnte es anders sein, eine heiße Fassung von Jimis "Little Wing", sowie "Who Do You Love", einer der Tracks, die ja wohl schon zig-mal gecovert wurde. Es war eine wahre Wonne, sich das Zusammenspiel der drei Lead-Gitarren dabei reinzuziehen.
Inzwischen waren wieder über zwei Stunden wie im Fluge vergangen, und wie immer lieferten Epitaph ein rattenscharfes Konzert mit vollem Einsatz und Spielfreude ab. Da können sich so manche andere Acts mal ein Beispiel dran nehmen, die vor voller Hütte nur reine Routine-Arbeit abliefern. Ich hoffe doch sehr, dass sich beim nächsten Konzert von Epitaph endlich mal mehr Publikum einfindet. Dann könnte wieder eine richtig große Sause auf der Bühne abgehen.
Setlist:
Fresh Air
Moving To The Country
Woman
Crossroads
Big City
Cold Rain
Remember
Middle Of The Night
Reflection
Bad Feeling
Tequila Shuffle
Stop, Look And Listen
What About
Ain't No Liar
Goin' To Chicago
Little Wing
Who Do You Love
Epitaph In Concert 2006, 28. April 2006, Bluesgarage Isernhagen
Jürgen Bauerochse, 04.05.2006
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