Joachim H. Ehrig alias Eroc, gerne auch mal Erke genannt, war im Jahr 1970 Mitbegründer der heute legendären Band Grobschnitt. Parallel zu den Alben der Combo hatte er auch schon zwei Soloscheiben ("Eroc 1" und "Eroc 2") veröffentlicht, als es Ende der Siebziger an der Zeit war, seinen dritten Longplayer in Angriff zu nehmen. Allerdings war der gute Erke zu dieser Zeit total mit Grobschnitt bezüglich Tourneen, Proben und dem Konzipieren der Stage-Show im Stress. »Eroc 3 war ein Kompromiss«, gibt der Protagonist dann auch gleich zu Anfang seiner Einführungsworte im ausführlichen Booklet dieses schönen Digipacks zu. Eroc ergab sich irgendwann dem Zeitdruck, warf alle Planungen über den Haufen und ergänzte bisher Fertiges mit älteren Aufnahmen, die zum Teil bis ins Jahr 1969 zurückreichen.
Den Anfang auf "Eroc 3" macht "Ride Up" aus dem Jahr 1970. Der Song stammt aus dem Proberaum der Grobschnitt-Vorgänger-Band Wutpickel. Ein Blues mit aggressiven Vocals und nach vorne krachendem Schlagzeug, der schon mal Lust auf mehr macht. Dann ein Zeitsprung ins Jahr 1976 zu "Tontillion", das Erke eines Nachts während der Sessions zu Grobschnitts Album "Rockpommels Land" mit seinen Bandkollegen Popo und Mist einspielte. Leider kenne ich weder "Eroc 1", noch "Eroc 2", aber auf diesem Track deutet sich schon stark an, in welche Richtung die neuen Songs des Hageners, die auf "Eroc 4" dann später in voller Blüte stehen, gehen sollten. Wenn auch noch etwas rauer, werden hier von einem Fender Rhodes-Piano sehr angenehme Klangbilder und Melodien über einen kräftigen Bass und ein pumpendes Schlagzeug gelegt.
"Fito Linte" war einer der fertigen und für "Eroc 3" konzipierten Songs, wurde von dem Meister im Alleingang sowohl eingespielt als auch aufgenommen und haut in dieselbe Kerbe wie sein Vorgänger. Mit dem Unterschied, dass die Rock-Stilistiken gänzlich verschwunden sind und eine eher locker-leichte Atmosphäre hergestellt wird, die den Hörer auf eine träumerische Reise schickt.
Das nachfolgende Stück, bei dem es sich um die im Booklet häufig erwähnte "Wolkenreise" handelt, setzt da sogar noch locker einen drauf. Der Titel sagte mir beim Durchlesen eigentlich nichts, aber als ich den Song dann zum ersten Mal (wieder) hörte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich erlebte einen dermaßen starken Flashback in meine früheste Jugend, dass es sich gewaschen hatte. Der Track, ein mit Akustik-Gitarre und Akkordeon unterlegtes Instrumental-Stück mit einer sehr einprägsamen, wie leichtfüßigen und flockigen Melodie, der einen tatsächlich wie eine Wolke vor dem geistigen Auge über Landschaften, Flüsse und Seen schweben lässt, lief um 1979/1980 täglich sowohl im Radio, wie auch im TV rauf und runter und stellt für mich fast sowas wie den Soundtrack eines Lebensabschnitts dar, weil er damals einfach allgegenwärtig war.
Ganz andere Töne werden dann aber bei "Solar Plexus" angeschlagen; eine der vielen Aufnahmen, die Eroc für das Grobschnitt-Album "Solar Music Live" mitgeschnitten hatte. Nach kurzer Show-Einlage zu Beginn folgt beschwingter Rock inklusive des melodieführenden Akkordeons. Ein klasse Groove ist das und die vielseitig eingesetzten Percussions tun ihr übriges. Grobschnitt Live, wie man sie aus den Siebzigern kennt. Für "Euer Song" erfolgt zunächst eine witzige Ansprache von Erocs (damaliger?) Freundin, bevor der Drummer seine Schlagzeugkünste (aus Sound-Gründen) in einer Fabrik-Halle zum besten gibt.
"Falke Whips It Out" ist eine Collage aus Songs der Bands Wutpickel und Crew Blues Session (aus denen danach Wutpickel entstanden), bevor ein zufällig aufgenommenes Telefonat von Eroc mit seinem damaligen Automechaniker auf dem Plan steht. Ich will nicht zuviel verraten, aber ich habe Tränen gelacht, als dieser dem armen Erke mit der typischen westfälischen Schroffheit (harte Schale, weicher Kern) inbrünstig klarmacht, dass er sich das letzte Grobschnitt-Album ("Rockpommel's Land") zwei oder dreimal anhören kann, er danach aber graue Haare und Nervenlähmung bekommt. Danach gibt es noch weitere Rundumschläge in Richtung gerade angesagter Bands. Egal, auf jeden Fall gnadenlos witzig und garantiert nicht gestellt. Dann (immer noch derselbe Song) geht's zurück zu einem Track der Crew Blues Session, bevor die Geschichte schließlich nach 6:30 Minuten endet.
"About My Town" ist Grobschnitt live in Hagen im September 1971, während "Sunny Sundays Sunset" eine ganz frühe Version dieses Songs aus dem Jahr 1974 ist, der später stark verändert auf dem Album "Jumbo" erschien. "He's Around Here" war Erocs erste Plattenaufnahme überhaupt und wurde mit der Crew Blues Session im Jahr 1969 aufgenommen. Im Zeichen der damaligen Zeit klingt es sehr blues-rockig und spacig. Sehr cool noch dazu. Der letzte Song des Original-Albums "Eroc 3" nennt sich "Crew Blues Session" und war die erste Version des Stückes, das Grobschnitt später berühmt machen sollte. Nämlich "Solar Music"!!
Die Bonustracks sind allesamt Adaptionen, bzw. Remixe der "Wolkenreise" mit unterschiedlichen Titeln und Produzenten. Am Weitesten aus dem Rahmen fällt hier "Bad Girl", das parodistisch zunächst die Mechanismen der Plattenindustrie hoch nimmt, um dann mit einem Zwischending aus alles niederwalzendem Punk und der "Wolkenreise"-Melodie "Eroc 3" ausklingen lässt.
Mit knapp 80 Minuten Spielzeit wird man hier bestens bedient. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dieser Longplayer Stückwerk, bzw. laut Eroc ein Kompromiss war und ist. Das mag so sein, aber immerhin ein sehr cooler und abwechslungsreicher Kompromiss. Witzig dazu. Neben dem Überflieger "Wolkenreise" stecken sehr viel Atmosphäre und 70er-Charme in "Eroc 3". Alles in allem ein spannendes und interessantes Hörerlebnis!
Tracklist |
01:Ride Up
02:Tontillion
03:Fito Linte
04:Wolkenreise
05:Solar Plexus
06:Euer Lied
07:Falke Whips It Out
08:About My Town
09:Sunny Sunday's Sunset
10:He's Around Here
11:Crew Blues Session
12:Feuerwolken
13:Journey Of The Clouds
14:Wolkenträume
15:Signs In The Sky
16:Chilly Clouds
17:Bad Girl
|
|
Externe Links:
|