Der 21. März des letzten Jahres hatte für mich eine Besonderheit parat. Nicht nur, dass ich Zeitzeuge eines grandiosen Konzerts von Errorhead wurde, sondern ich hatte vorab auch noch das Vergnügen, Bandboss Marcus Deml zu einem Interview zu bitten, woraufhin ich sehr interessante Eindrücke und Ansichten des Hamburgers Edelgitarristen gewinnen konnte. Auch live hinterließen Deml und Co. an diesem Abend bei mir einen bleibend positiven Schaden.
Dass eine Band im Laufe ihres Daseins ab und an einen Musiker austauscht, ist im Musikbusiness nichts Außergewöhnliches und als ich las, dass Deml anstelle von Textvorträger Andrew Graeser nun Karsten Stiers ans Gesangsmikro beorderte, empfand und empfinde ich das als völlig normalen Vorgang innerhalb einer Band. Um das Thema Graeser nochmal kurz anzuschneiden und dann für immer ins Errorhead-Archiv abzuheften, sei nochmal kurz erwähnt: Andrew Graeser ist ein guter Sänger, hat nun einen anderen Weg eingeschlagen und man hat sich, das wiederum ist nun nicht alltäglich, ohne Groll und Ärger getrennt. Doch eins dürfte auch klar sein: Der perfektionistisch veranlagte Gitarrenchamp und Songschmied Deml achtet auf Qualität und will sich, egal wen er sich ins Boot holt, auf keinen Fall verschlechtern.
Mit den beiden ersten Songs von "Evolution", "Scream - People Like Us" und "Hideway", bieten sich mir gleich zwei Gelegenheiten, Stiers Stimmbänder besonders ins Visier zu nehmen. Und es ist so wie ich es vermutet habe: Der Mann kann glänzend singen. Ob nun als Rockröhre oder gefühlvoller Balladensänger, Karsten Stiers erinnert mich spontan an den jungen David Bowie und brilliert mit abwechslungsreichen Oktaven in seinem Gesangsrepertoire. Er hat das gewisse Etwas, versprüht enormen Esprit. Auf den Punkt gebracht: So wie ich David Bowie genial finde, finde ich auch Karsten Stiers genial. Ein absoluter Gewinn für Errorhead!
Wenn ich mir die Bluesballade "Tell Me" durch meine Sinnesorgane strömen lasse, stelle ich fest, dass die Mischung aus Stiers emotional geladenem Gesang im Verbund mit Marcus Demls exzellentem Saitengezupfe wie die Faust aufs Auge passt. Hier haben sich zwei Künstler gesucht und gefunden. Die Chemie passt! Apropos Balladen: Das folgende "Resurrection" fällt mit etwas über zwei Minuten ein bisschen knapp aus, ist aber eine der besten rein instrumental vorgetragenen Balladen, die ich jemals gehört habe. Die Inspiration zu diesem herzzerreißenden Teil entstand, weil seine Mutter irgendwann einen Herzinfarkt erlitt. "Purple Lord", ein weiterer Instrumentalsong der Marke Marcus Deml, unterstreicht ziemlich fett, warum der hanseatische Ausnahmeklampfer längst den 'Guitar Hero Award' (quasi die Oscar-Verleihung für Gitarristen) einheimste.
Bei aller Wertschätzung für den Saitenakrobaten, er hat auch das Glück, auf eine Top eingespielte Rhythmusfraktion zurückgreifen zu können. Neben dem Tieftonexperten Frank Itt kann er blind auf die Taktvorgaben von einem der besten Griechenland-Importe und Schlagzeuger Zacky Tsoukas vertrauen. Stellvertretend sei hier "Get Off My Back" erwähnt. Was hier die beiden Rhythmiker hier zum Besten geben, vor allem Frank Itt an den dicken Saiten, verdient nur eine Note - sehr gut!
Fazit: Einen Anspieltipp herauszufiltern, wäre jedem anderen Song von "Evolution" gegenüber ungerecht, denn das Gesamtpaket des Albums ist einfach zu stimmig. Dass Marcus Deml zu den ganz großen seiner Zunft zählt, dürfte dem anspruchsvollen Musikfreund hinlänglich bekannt sein. Doch mit Karsten Stiers an seiner Seite, scheint der Edelgitarrist nicht nur die Idealbesetzung fürs Gesangsmikro gefunden zu haben, sondern Stiers scheint Deml so gut zu tun, dass ich den Eindruck gewinne, Mister Errorhead habe sich diesmal besonders ins Zeug gelegt. Beziehungsweise wirken seine entworfenen Songs extrem frisch, emotional, gefühlvoll und vielseitig. Es 'funkt' und groovt quasi aus fast allen Ecken der Tonkonserve. Wenn man sich dann noch auf so erstklassige musikalische Mitstreiter wie Itt und Tsoukas stützen kann, kann am Ende nur was Gutes dabei rauskommen. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Waren bisher alle Errorhead-Alben etwas Besonderes, ist der Band mit "Evolution" ein wahrer 'Kracher' gelungen. Deshalb sage ich: Noch nie war Errorhead so wertvoll wie heute! Zu positiven Nebenwirkungen fragen sie Marcus Deml selbst oder fragen sie ihren Plattenladen des Vertrauens.
Line-up:
Marcus Deml (guitar)
Karsten Stiers(vocals)
Frank Itt (bass)
Zacky Tsoukas (drums)
Very special guests:
Tom Aeschbacher (Hammond organ)
Tracklist |
01:Scream - People Like Us (3:34)
02:Hideaway (4:08)
03:One Good Reason (3:45)
04:Tell Me (5:53)
05:Resurrection (2:15)
06:Thieves & Poets (The Social Network Song) (5:13)
07:Where Did Our Love Go (3:43)
08:Purple Lord (4:27)
09:Be Someone (4:56)
10:Find It (3:00)
11:Get Off My Back (4:53)
12:The Mighty Tube (2:56)
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