ErsatzMusika / Songs Unrecantable
Songs Unrecantable Spielzeit: 45:34
Medium: CD
Label: Asphalt Tango Records, 2009
Stil: Independent, Russian Post Folk

Review vom 15.04.2009


Norbert Neugebauer
Seltsame Musik. Die neue 'Russische Seele'? Immigranten-Postfolk von der Spree? Russendisko für Melancholiker?

Я Этого не знаю.
ErsatzMusika ist in erster Linie wohl das Projekt von Irina Doubrovskaja, gegründet 2006 mit anderen Exil-Russen, die nach der Wende nach Berlin kamen. Seit der ersten Scheibe, "Voice Letter", die ebenfalls bei Asphalt Tango Records erschienen ist, hat sich die Besetzung stark verändert, auf den 'widerruflichen Liedern' sind mit Thomas Cooper (gleichzeitig Co-Produzent) und Phil Freeborn (verantwortlich für Aufnahme und Abmischung) zwei wohl nichtrussische Bandmitglieder im per Bild vorgestellten Line-up. Allerdings sind noch weitere Musiker gelistet, deren Status unklar bleibt. Frau Doubrovskaja ist für gut die Hälfte der Songs verantwortlich, für die künstlerische Ausgestaltung (das komplette Songbook steht auf der Label-Seite zum Herunterladen bereit), gemeinsam auch mit Cooper für die Produktion. Und sie ist mit ihrer Stimme das Trademark von ErsatzMusika (keine Ahnung was der Name bedeutet).
Die dreizehn Songs hören sich zunächst ziemlich uniform an, alle mehr oder weniger im Low Tempo-Bereich mit stark melancholischem Grundton. Die rauchige, kehlige Stimme singt zwar offensichtlich englisch, aber das kapiert man erst, wenn man genau hinhört, so stark ist der Akzent. Die akustische Gitarre und das Piano werden bei "Song On A Gypsy Air" nur marginal von einer E-Gitarre ergänzt. "Wild Grass" ist etwas rhythmischer, ein mit Orgel und Drums angereicherter Bossa und erinnert etwas an die 17 Hippies. Bei "Train-Slow Adagio" scheppert eine dünne Gitarre und dazu verbreitet das Akkordeon Wehmut. Ohne diesen Russen-Slang könnte "(Psilocybin Panic) It's The Russian Beat" als psychedelisch aufgemotzter Punk durchgehen.
So langsam nimmt die Scheibe Fahrt auf, "Berceuse" swingt sogar mit 60er Jahre-Orgel. Beim nächsten Song kommen elektronische Verfremdungen dazu, ein harter Bass kontrastiert mit einem Cello. "Oy, Pterodactyl" dreht noch mehr ab und könnte von einer freakigen englischen Beat-Combo stammen. Kurzes Chanson-Intermezzo, dann das minimalistische "Winter 19" mit spieluhrähnlicher Grundmelodie und einer schönen Gitarre im Mittelteil. Es wird wieder üppiger, diesmal unterstreicht eine Slide die seltsame Stimmung. Thomas Cooper übernimmt bei "Letter From Baltimore" den monotonen Singsang, dazu zirpt verliebt ein Synthie. "Antediluvian" - aber hallo, das kennen wir doch? Genau, "Donna Donna" (bzw. "Es Kälbl"), Walzerklänge vom Akkordeon, auch gut gemacht, diese neue Version. Der Abschlusstrakt ist noch mal Herrn Coopers Stimme zur akustischen Gitarre vorbehalten und schließt den Songkreis, ähnlich wie er begonnen hat.
Wie vom Berliner Spezial-Label gewohnt, steckt die Scheibe in einer künstlerisch anspruchsvollen, vierflügeligen Umhüllung.
Wirklich ungewöhnlich und interessant, was uns hier auf "Songs Unrecantable" vorgesetzt wird. Eine Scheibe für Spezialisten, die sicher polarisiert und die kaum etwas mit gängiger Rockmusik zu tun hat. Aber was ist das jetzt?

Intellektueller Russenkiez-Underground?

Я Этого не знаю - ich weiß es nicht.
Line-up:
Irina Doubrovskaja (keyboards, piano, accordion, vocals)
Leonid Soybelman (guitar)
Mikhail Zhukov (drums, percussion)
Ruslan Kalugin (guitar)
Phil Freeborn (guitar, mix, recording)
Thomas Cooper (vocals)
Konstantin Orlov (bass)

Guests:
Igor Vdovchenko (bass, harmonica)
Roman Bushuev (drums)
Mascha Pyrenkova (vocals, back vocaks)
Tracklist
01:Song On A Gypsy Air
02:Wild Grass
03:Train-Slow Adagio
04:(Psilocybin Panic) It's The Russian Beat
05:Berceuse
06:Tver (feat. "Unterwasser")
07:Oy, Pterodactyl
08:HMS RIP DTs 09:Winter 19
10:Unredeemed
11:Letter From Baltimore (feat. "Unterwasser")
12:Antediluvian
13:Incantation vs. Causation
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