Naaaa, wann gehts denn los? Wann kommt er denn? Wo bleeeeeiiiibt er denn? - Wer? Na, der Sänger!
Nein, der kommt nicht, denn den gibt es nicht. Aber es gab ihn mal. 2009 startete die Band aus Oberbayern, seinerzeit noch mit - ähem, 'normalem' - Progressive Metal, sprich: mit Gesang. 2011 heimste man dann mit dem Debütalbum "Deepwater Rising" super Kritiken ein. Dann aber war für Sänger Roland Frombeck aus gesundheitlichen Gründen Schluss. Man machte, wie die Band es selbst formuliert, aus der Not eine Tugend, orientierte sich um und erfand sich neu als rein instrumentale Prog Metal-Band. Oder hat das doch nicht ganz geklappt mit dem Sich-neu-Erfinden? Gute Frage, denn ich warte und warte und warte ... auf den Sänger, verflucht noch mal!
Nachdem mich die "Prelude" mit orchestralen Spritzern zwei Minuten lang mit ansteigender Dramatik fein auf den Hauptpart des Albums scharf macht, beginnt also das eigentliche 'Warten' mit "Spicy". Gleich mal ein satter Zwölfminüter. Etox hauen uns harte und düstere Stakkato-Riffs um die Ohren, vertrackt und verzwickt und verproggt. Ein recht simples und eingängiges Lead-Thema macht auf sich aufmerksam und wird nach allen Regeln der Prog-Kunst variiert. Man nutzt die Möglichkeiten zweier Gitarren wunderbar aus, indem man im Vordergrund und Hintergrund geschickt verschiedene Tempi gegeneinander konstruiert und punktuell beide zusammenführt, auch indem sie mal die Melodie doppeln.
Es ist ein sehr feiner Mix aus monumentaler Heaviness, handwerklicher Finesse, aus melodischer Schlichtheit und progressiver Kunstfertigkeit, was die Band da bietet. Die Band hält die Spannung immer aufrecht und dank ausgebuffter Dynamikwechsel erlebt sie angenehme 'Täler' und bergige Zuspitzungen - mal eher dramatisch, mal mehr mysteriös. Aus den Harmonien schmeckt man immer wieder ein wenig orientalisches Gewürz heraus. Das Ganze erinnert oft an Dream Theater; dank der düsteren Gangart mit hightech-thrashigen Elementen am ehesten an "Train Of Thought". Präzisionsgepolter mit Zuspitzungen. Und was haben die für einen sauberen Sound - meine Herren, nicht übel! Der Bass groovt gehörig, die Drums klingen teils so präsent wie aus einer Wand von Boxen beim Open-Air-Festival.
Die folgenden beiden Tracks geben streckenweise noch ein bisschen mehr Gummi und der Band hier und da noch größere Chancen zu zeigen, was man technisch drauf hat. Es wirkt aber zu keinem Zeitpunkt angeberisch. Auch "Rayman" beispielsweise arbeitet wieder mit einem recht 'simplen' Lead-Thema, rammt für den Hörer also gleich mal einen melodischen Anker zur Orientierung in den Boden. Und: Was die Jungs machen, ist nicht verrückt, durchgeknallt, avantgardistisch, hochexperimentell ... es gäbe noch viele weitere Adjektive, die auf Etox NICHT zutreffen. Den Reiz ihrer Musik macht bei "Carnival Of Delusion" und "Rayman" vor allem das ziemlich geniale Umschalten zwischen monströs und filigran aus, zwischen heftigen von millimetergenauen Breaks durchsetzten Heavy-Riffings und geheimnisvoll taktierenden Clean-Gitarren-Passagen. Zwischen In-your-face, In-your-ass und In-your-soul.
Und mitten im Album "Oriana" angekommen, spüre ich plötzlich erstens: Ich habe immer weniger auf den nicht vorhandenen Sänger gewartet. Und zweitens: Jetzt gar nicht mehr. Denn mit "Meshed Mélange" spielen Etox nun verstärkt die atmosphärische Karte aus. Das Stück beginnt gedankenversunken und wird langsam, aber stetig richtig intensiv. Und nie vermisst man mögliche Vocal Lines, weil die Band es hier (noch einen Ticken besser als zu Beginn des Albums) versteht, den Hörer dramaturgisch mitzunehmen, indem sich ständig irgendeine Ebene der Musik weiterentwickelt.
Das Songwriting auf "Oriana" wird zum Schluss hin zunehmend epischer statt episodischer. Den Eindruck bestätigen die abschließenden beiden Langnummern "Aeonical Pt. IV - Panegyric" und "Aeonical Pt. V - Resurrection". Erstere tastet sich bedächtig an den Hörer 'heran', um dann nach und nach ihre kraftvollen und komplexen Strukturen zu errichten, und letztere spielt damit: elaboriert, changiert und verkompliziert - und das alles angenehm unterschwellig. Der Schluss jagt einem nochmal wohlige warme Schauer über den Rücken. Aber selbst in diesen straighten, atmosphärischen Momenten dreht die Band an harmonischen Stellschrauben und schürt das Interesse an jedem weiteren Takt.
So geht das Album "Orion" für mich anders zu Ende, als es beginnt, nämlich ohne das Warten auf Gesang. Etox schaffen es, auch ohne Gesang keinen Leerlauf entstehen zu lassen, obwohl sie nicht verrückt, nicht durchgeknallt, nicht avantgardistisch ... siehe oben. Ob das auch noch mal für ein weiteres rein instrumentales Album reicht - die Frage lasse ich mal unbeantwortet und bin gespannt, wie sich die Band künftig aufstellt.
Line-up:
Constantin Gülich (drums)
Sebastian Unterstein (guitar)
Matthias Pittrich (guitar)
Stephan Weigel (bass)
Tracklist |
01:Prelude (2:00)
02:Spicy (12:19)
03:Carnival Of Delusion (6:49)
04:Rayman (7:51)
05:Meshed Mélange (5:12)
06:Aeonical Pt. IV - Panegyric (11:02)
07:Aeonical Pt. V - Resurrection (9:39)
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