Nun fand sie schon zum fünften Mal statt, die Mutter aller Heavy Metal Cruises. Das Altbewährte musste dem Neuen weichen. So gab es neben einem neuen Schiff, die Liberty Of The Seas, auch zwanzig Bands mehr an Bord sowie die Erhöhung der Passagieranzahl auf 3000 Metalheads. Um die Anzahl der anstehenden Konzerte meistern zu können, war auch eine Bühne mehr vorhanden, sodass insgesamt vier Bühnen zur Verfügung standen.
Damit wir die vier Tage meistern konnten, hatten wir uns ein paar Tage Vorlauf in Fort Lauderdale gegönnt, um u. a. den Jetlag aus den Knochen zu bekommen, ein paar Freunde zu treffen und evtl. etwas vorzuschlafen.
Standesgemäß fand, einen Tag bevor es richtig losging, die obligatorische Beach-Party statt, zu der sich hunderte von Cruisern einfanden. Novum dieses Jahr: Das parallele Stattfinden von zwei Partys, in Miami Beach und in Hollywood (nein, nicht DAS Hollywood). Das war wie immer ein Spaß, man traf viele bekannte Gesichter - hier und da gab es ein großes Hallo, wenn man sich wiedertraf. Man kennt sich halt...
Dieses Jahr wurde auch der Zeitraum für die Cruise verlegt, von Donnerstag bis Montag. So standen wir Donnerstag am Check-In und harrten der Dinge, die da kommen würden. Trotz der Aufstockung der Passagiere ging der Check-In ziemlich flüssig voran. Wir kamen relativ schnell auf das Schiff.
Ebenfalls neu in diesem Jahr: Beim Betreten des Schiffes wurden Programmhefte verteilt - sehr gut! Dann wurde der überflüssige Ballast abgeworfen, sprich in die Kabine gebracht und der erste Bucket war unser. Ein Bucket ist ein mit Eis gefüllter Eimer mit fünf Flaschen Bier darin. Wer auch immer auf die Anzahl fünf gekommen ist, es haut einfach nie hin.
Zwei Buckets später machten wir uns auf den Weg zu einer Hochzeit der besonderen Art. Freunde von mir hatten sich einen Lebenstraum erfüllt und die Hochzeitszeremonie auf dem Schiff
stattfinden lassen. Wer helle Kleidung und ein gesäuseltes »für immer« erwartete, lag hier schon mal ganz falsch. Im Schlepptau der im Ghost-Outfit gekleideten Trauungsbeauftragten folgte erst der Bräutigam und dann die Braut. Als Brautführer fungierte der Sänger der Band Origin, Jason Keyser. Die Hochzeit wurde im heidnischen Stil abgehalten und war sehr kurzweilig.
Danach ein kurzer Kontrollgang zur Pool-Stage. Es wurde die größte Bühne, die jemals die Weltmeere befahren hatte versprochen, und man sollte Recht behalten. Allerdings um den Preis einer erheblichen Verspätung in der Fertigstellung. Bei meinem ersten Kontrollcheck war noch nichts davon zu erahnen. Also war es Zeit für das erste Konzert, aber zuerst eine kurze Vorstellung der Bühnen und des Line-up.
Bühne eins - und somit die Hauptbühne - sollte die Pool-Stage sein. Hierfür wurde eigens die Pool-Landschaft abgedeckt und die größte Bühne erstellt. Es war das erste Mal, dass die Musiker gegen den Wind spielen mussten. Ich war gespannt, wie sich das auf Show und Sound auswirkt.
Bühne zwei ist die Bühne im Platinum-Theater, das sich über drei Decks in der Höhe erstreckte. Es wurden zweckmäßigerweise die ersten Stuhlreihen demontiert, damit die Fans auch hier vor der Bühne richtig mitgehen konnten.
Bühne drei war die Bühne im Studio B - Ice Rink. Dort finden auf normalen Kreuzfahrten die Eis-Revues statt. Auf der 70000tons sollte hier ein Eishockeyturnier stattfinden, das aber ausfallen musste, da nun die ausgefallenen Konzerte von der Pool-Stage nachgeholt wurden.
Bühne vier ist die Sphinx Longue. Der kleinste Raum aber dafür mit Club-Charakter.
Das Line-up konnte sich sehen und hören lassen, in alphabetischer Reihenfolge:
1349, Abandon Hope, Adaliah, Alestorm, Amorphis, Annihilator, Anvil, Apocalyptica, Arch Enemy, Artillery, Behemoth, Blind Guardian, Cannibal Corpse, Claim The Throne, Corrosion Of Conformity (im "Blind"-Line-up), Crucified Barbara, D-A-D, Dark Sermon, Destruction, Divided Multitude, Einherjer, Ensiferum, Enthroned, Equilibrium, Exhumer, Gama Bomb, God Dethroned, Grave Digger, Gurd, The Hate Colony, Heathen, Helstar, In Extremo, Jungle Rot, Kataklysm, Korpiklaani, Lake Of Tears, Masacre, Melechesh, Michael Schenker's Temple Of Rock, Monstrosity, Municipal Waste, Napalm Death, Origin, Pretty Maids, Primal Fear, Refuge, Riot V, Soulfly, Suborned, Tank, Therion, Threshold, Triosphere, Thy Antichrist, Trollfest, Trouble, Venom, Whiplash, Wintersun.
Bei der Anzahl der Mitwirkenden und der vollen Running-Order war es klar, dass man nicht alle Bands sehen konnte, die man sich vorgenommen hatte. Daher kann es bei diesem Bericht keinen Anspruch auf Vollständigkeit geben.
Ich begann mit den Pretty Maids, die im Studio B spielten. Ein guter Einstieg in die viertägige Dauerbeschallung. Die Dänen haben immer noch nichts an Spielfreude verloren und zündeten wieder mal sofort. Danach gab es einen freien Zeitslot von 45 Minuten - Zeit genug, um kurz etwas zu essen. Danach gaben sich Annhilator, oder wie Jeff Waters verlauten ließ: Anal Eater, die Ehre. Auch hier kann man sich kurz fassen. Die Jungs räumten richtig ab. Jeff Waters gehört ja schon quasi zum Inventar auf der 70000tons. Auch dieses Jahr hat er wieder einen Allstar-Jam auf die Beine gestellt, aber dazu später mehr. Anschließend erfolgte ein Wechsel der Location. Es zog mich in die Sphinx Lounge, die ich mehrere Stunden nicht mehr verlassen sollte. Ich hatte mich für die Abfolge: Threshold, Heathen und Trouble entschieden und meiner Meinung nach nichts verkehrt gemacht. Ich sah drei Bands, die mich wirklich überzeugten. Bei Threshold war es meine erste musikalische Berührung. Die Jungs werde ich ab nun auf dem Schirm haben. Um 2:00 Uhr morgens war dann Schicht für mich. Für den ersten Tag sollte es genug sein.
Tag zwei begann mit einem ausgiebigen Brunch, der die Grundlage für einen langen Tag schaffen sollte. Das Essen erschien mir dieses Jahr nicht von so guter Qualität wie die Jahre davor und auch das Personal konnte diesmal keinen Orden für Freundlichkeit gewinnen. Das aber nur am Rande, da für mich nicht von allzu großer Bedeutung. Konzertmäßig ging es mit Refuge weiter, die Rage-Besetzung der Jahre 1988 bis 1993. Sie lieferten ein Old School-Set ab, routiniert und spielfreudig. Danach zog es mich zu Crucified Barbara. Diese Band hatte ich vor Jahren mal auf dem W:O:A gesehen, allerdings aus respektvoller Entfernung. »Alter Schwede« oder sollte ich sagen: »alte Schwedin«? Hier ging es aber richtig ab! Schnörkellos gespielter Hard Rock von hoher Güte - Wiederholung vorgemerkt. Ich blieb gleich vor Ort. Als nächster Act war Thy Antichrist an der Reihe. Hier reizte mich vor allem die Band als Fotomotiv, der Musik konnte ich nicht so viel abgewinnen. Das traf in keinster Weise auf die nächste Band zu, Michael Schenker's Temple Of Rock. Ich hätte nicht gedacht, dass es mich emotional so erwischen könnte, aber bei "Rock Bottom" gab es eine amtliche Gänsehaut.
Temple Of Rock spielten alles, was das Herz nur begehrt. UFO-Klassiker reihten sich an Scorpions-Hits, das Ganze wurde durch eigene Stücke vervollständigt. Der schon so oft abgeschriebene Michael Schenker brachte das Staunen wieder zurück in die freudigen Gesichter. Dass mit Herman Rarebell und Francis Buchholz, zwei Heroen meiner Jugendzeit, das Band-Line-up komplettierten, machte es noch schöner. Nach einem ausgedehnten Abendessen waren wir bereit für Black Metal! Venom gaben sich am Pooldeck die Ehre. Die Pool-Stage war mittlerweile fertig aufgebaut, nach einer Verzögerung von acht Stunden. Ich war überrascht, wie stark die Band aufspielte. Cronos schien in einer Art Regenerierungsbrunnen gefallen zu sein. Dass die Band nicht auf ihren eigenen Instrumenten spielen konnte, war überhaupt nicht zu merken. Dann sollte das erste richtige Highlight aus Teutonensicht anstehen: Blind Guardian traten im Theater auf. Wissentlich, dass ich mit meiner Meinung nicht unbedingt bei jedem konform gehe, sei an dieser Stelle erwähnt, dass meine Erwartungen in keiner Weise erfüllt wurden. Der Sound war nicht so toll, die Setlist war es auch nicht. Warum sie den "Bard's Song" nicht gespielt haben, blieb ihr Geheimnis. Hunderte mitsingbereite Fans und eine - für diese Zwecke - fantastische Location, standen bereit. Beim zweiten Auftritt am Pooldeck sollte dieser Song im Winde verwehen...
Einen amtlichen Abschluss in den Morgenstunden gab es mit Riot V, bei "Swords And Tequilla" und "Thundersteel" drohte das Schiff zu kentern.
Dritter Tag und somit Landgang. Das Klima auf Jamaica war sehr, sehr angenehm. Da wir keine Lust hatten, Wasserfälle hochzuklettern und beim Abstieg alle drei Schritte fotografiert zu werden, verbrachten wir die paar Stunden am Strand. Musikalisch ging es am Pooldeck mit den Pretty Maids weiter. Auch dieses zweite Set machte richtig Laune. Danach zog es mich zu den 'Totengräbern'. Grave Digger hatten schon vor drei Jahren das Schiff beben lassen. Ich war gespannt, wie es diesmal sein würde. Und was soll ich sagen, sie erfüllten und übertrafen jegliche Erwartungen. Natürlich drängten sich Vergleiche zu Blind Guardian auf und ein Freund sagte: »Guardian 0, Digger 1« - in Anlehnung an das gesprochene Ergebnis in den Fußballstadien. Das sollte sich noch im Laufe der Cruise auf 0:3 erhöhen...
Den Abschluss des Tages bildete für mich Destruction. Sie spielten ein cooles Old School Thrash-Set.
Der vierte und letzte Tag auf See brach an. Der Wintereinbruch im Osten der USA machte sich auch auf dem Schiff bemerkbar. Es wurde zum Abend hin empfindlich kalt. Morgens allerdings strahlte die Sonne mit Lips um die Wette. Anvil spielten um 10:00 Uhr am Pooldeck. Besser kann doch ein Tag nicht beginnen. Über die Spielfreude der Kanadier braucht man wohl keine Worte zu verlieren, allerdings über ihre Demut zu dem ganzen Business. Eine kurze Unterhaltung am Vorabend mit Lips zeigte mir auf, an welchen Kleinigkeiten man sich erfreuen kann wenn man sie erkennt. Menschlich für mich der Höhepunkt meiner Reise.
Mittags sah ich mir dann Lake Of Tears im Theater an. Die Kulisse war nicht sonderlich groß, was die Band aber nicht abhielt, ein starkes Set zu spielen. Wieder eine, für mich neue, musikalische Entdeckung auf dieser Cruise.
Dann sich noch kurz von Cannibal Corpse am Pool versohlen lassen, bevor es zu Jeff Waters All Star Jam ging. Es wurden eine Reihe von Meilensteinen des Heavy Metal und des Hard Rock dargeboten. Vieles war durchaus sehr gut anzuhören, allerdings gab es auch mindestens zwei richtige Rein- bzw. Ausfälle. Das waren ganz klar Immigrant Song, gesungen von Hansi Kürsch ( Blind Guardian) und Black Sabbath, gesungen von Barney Greenway ( Napalm Death). Glücklicherweise existieren hier auf einer bekannten Videoplattform die entsprechenden Bild- und Tonnachweise. So können sich auch die Skeptiker überzeugen. [Dem ist nichts hinzuzufügen - Anm. d. Red.]
Gut, dafür hatte ich den zweiten Auftritt von Riot V verpasst, aber das ließ sich dann doch verschmerzen. Rasch ging es weiter zum Pooldeck, auf dem Grave Digger ihr zweites Set spielen sollten. Traten sie letztes Mal noch mittags in der glühenden Sonne auf, so schlug ihnen jetzt ein kalter Wind ins Gesicht. Wie eingangs bemerkt, mussten die Bands diesmal gegen den Wind ankämpfen und die Temperaturen waren gar nicht karibisch. Alles in allem auch hier wieder eine stramme Leistung. Die Truppe um Michael Schenker musste sich anschließend ebenfalls mit dem Wind auseinandersetzen, meisterte dies aber mit Bravour. Nach dem Abendessen ging es ins Theater, wo Venom aufspielte. Dies erfolgte auch hier wieder mit geborgten Instrumenten, ihre eigenen waren in England hängengeblieben. Ihr Auftritt war dennoch ganz passabel.
Kurz nach Mitternacht hatten Blind Guardian die zweite Show, dieses Mal am Pool. Was aussah wie eine Modenschau für Übergangskleidung, allerdings bei sehr schwachem Licht, sollte einer der krönenden Abschlüsse werden. Für mich war es gar nichts. Der Funke wollte nicht überspringen, es lag nicht nur an der sehr dezent eingesetzten Lightshow.
Wie im Fluge verging die Zeit an Bord. Anfängliche Skepsis hatte sich in Freude und Spaß verwandelt. Man traf unzählige Freunde und Bekannte wieder, man hatte Spaß an allen Ecken. Sport fristete in meiner Prioritätenliste ein Schattendasein. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr.
Fazit:
Wer eine Heavy Metal Cruise möchte kommt an der 70.000 Tons Of Metal nicht vorbei. So waren auch diesmal wieder Bands aus jedem Genre vertreten. Es gab bei den Konzerten eigentlich keine Ausfälle, allerdings hatte man bei einigen das Gefühl, sie spulten ihr Programm mal eben 'im Vorbeigehen' ab.
Das war eigentlich schade. Über den Starfaktor der Musiker kann ich nichts sagen, da ich nicht so oft auf dem Schiff unterwegs war, um zu schauen, ob sich diese 'unters Volk mischen'. Einige liefen einem immer wieder mal über den Weg, man sah ihnen förmlich den Spaß an der Sache an. Auch bei den Meet&Greet-Sessions war ich diesmal nicht, so eng war die Running Order für mich gestrickt. Das ist der Tribut, den man bei 60 Bands zollen muss. Im Vorfeld wurde das Thema heftig diskutiert, gerade weil auch die Bandankündigungen schleppend voran gingen, das kennt man aber mittlerweile schon. Dem Argument, es wären zum Schluss nur C-Klasse bzw. unbekannte Formationen verpflichtet worden, kann ich nicht folgen. Bei dem Angebot an guten, bekannten Bands ist es herrlich erfrischend, auch mal etwas Neues zu entdecken. Highlight für mich waren Temple Of Rock. Ok, es ist kein Heavy Metal, aber wenn man sah, dass auch andere Musiker dem Saitenzauber des Meisters ( Michael Schenker) erlegen waren, kann ich ja nicht so falsch liegen. Durch die deutsche Brille betrachtet hatten Grave Digger ganz klar die Nase vorn. Zwei amtliche Shows, sympathisches Auftreten und immer bestens drauf.
Die Größe des Schiffes empfand ich persönlich als zu monströs. Für den Gang vom Theater in die Kabine, um die Kamera zu holen, und zurück, gingen gut und gerne mal 15 Minuten drauf. Dabei war ich eher schnellen Schrittes unterwegs. Der Vorteil liegt aber auf der Hand. Die Mal eben um 50% aufgestockte Menge an Fans verlief sich halt auch auf dem Riesenkahn.
Das Essen war nicht so gut wie die letzten Male, auch das Personal war wesentlich unfreundlicher und auch behäbiger. Vielleicht ist das Inkludieren des Trinkgeldes in den Getränkepreis nicht immer von Vorteil?!
Alles in allem war es aber wieder eine runde Sache. Man trifft viele Leute aus der ganzen Welt, es stellt sich fast so etwas wie eine familiäre Stimmung ein. Es waren Fans aus sage und schreibe 70 Nationen an Bord. Der Countdown für 2016 läuft...
Anmerkung: Die Setlisten der einzelnen Konzerte findet man hier.
|