Wenn ein Irrwisch/Zauberer auf der Gitarre, ein Meister der dicken Saiten, ein Kult-Künstler an den dünnen Fellen und Becken sowie ein Vamp am Gesangsmikrofon auf der Bühne stehen, dann sind das definitiv Garanten für beste Unterhaltung. Gibt es diese auch noch live, darf man glücklich sein. Das Line-up der November-Go Music war wieder einmal erstklassig besetzt. Sylvia González Bolívar ist die Bienenkönigin in "Tabaluga & Lilli". Bekannt ist sie auch durch den Song "Liberatio" von Krypteria und als Chorsängerin von Größen wie Phil Collins, Uwe Ochsenknecht, Marianne Rosenberg, Rod Stewart und anderen. Sie verkörpert die Hauptrolle in "Falco Meets Amadeus" und außerdem fungiert sie als Vocal-Coach sowie Gesangslehrerin.
Jürgen Scholz ist Gitarrist bei der Klaus Lage Band und spielte im Musical "Mama Mia" die Live-Gitarre. Am Schlagzeug konnte man den Star-Drummer Mel Gaynor bewundern. Er ist nicht nur seit 1982 bei den Simple Minds aktiv, sondern hat auch schon bei Elton John, Robert Palmer, den The Pretenders oder Tina Turner mit den Stöcken gewirbelt. Selbstredend spielte den Bass wie immer Martin Engelien.
Um Punkt einundzwanzig Uhr leerte sich der Backstagebereich im Cafe Country. Die drei Herren sorgten bereits mit einer über zwanzigminütigen "Present"-Eröffnung für mächtig viel Stimmung. Mel Gaynor kreierte einen bodenständigen Groove der Extraklasse. Jürgen Scholz und Martin Engelien befanden sich auf dem Flughafen, passierten alle Kontrollen und bestiegen einen Flieger, der sie in ungeahnte Höhen beförderte. Der Beginn war eine sphärisch-schwebende Angelegenheit mit einer Garantie für Wohlgefühl. Versiert und gekonnt schälte Martin Engelien den Rock aus der Hülle und es war Jürgen Scholz, der es in seinem Vorstellungssolo unter anderem mit Feedback am Verstärker auf die psychedelische Spitze trieb. Lage für Lage schichtete er herrliche Klänge übereinander und Mel Gaynor war der konstante Groove-Master. Den reduzierte er bei Martin Engeliens Wah Wah-Pedal-gesteuerten Basssolo. Ganz anders ging es zu, als der Simple Minds-Drummer persönlich an der Reihe war. Mit Doublebass war Hochgeschwindigkeit so etwas wie selbstverständlich. Allerdings konnte er sein Instrument auch fast bis zum Stillstand bedienen. Lauten Szeneapplaus bekamen alle drei Experten des guten Tons. Bis zur Zugabe sollten die Zuschauer noch sehr, sehr oft Gelegenheit bekommen, ihre Anerkennung in der Weise zu äußern.
Nach den gigantischen ersten zweiundzwanzig Minuten war es dann Zeit für die Sängerin Sylvia González Bolívar. Bei "Bitch", im Original von Meredith Brooks, bekam man schon nach wenigen Sekunden eine Gänsehaut. Welch eine Stimme, welch eine Vorstellung... Sylvia González Bolívar hatte die Zuschauer im Handumdrehen auf ihrer Seite. Sie live zu hören, war eine Offenbarung. Kein Wunder, dass sie wegen ihres Gesangs bei so bekannten Künstlern beliebt ist. Es folgte "Heavy Cross", eine Komposition der Disco-Rocker The Gossip. Rock und Tanzen, das passt bei diesen Konzerten stets sehr gut zusammen. Hier war dann auch das erste, schwer rockende Zwiegespräch zwischen Jürgen Scholz und dem Macher der Go Music-Session angesagt. Dem Gitarristen war nach scharfen, futuristischen Riffs zumute und dann war er es, der für den nächsten Song die Lead Vocals übernahm. Mit einem eh schon herrlichen Refrain versehen, war "On Broadway" ( The Drifters/ George Benson) mit Mel Gaynors Backing Vocals eine verdammt funkige Angelegenheit, die auf dem Asphalt der Klever Albertsallee für eine deutliche Temperaturerhöhung sorgte.
Die Songs waren wieder einmal die Startrampe für ausladende Improvisationen und so war es in Stevie Wonders "Superstition" mit Mel Gaynor in der Rolle des Sängers, Martin Engelien, der so richtig Lust auf ein weiteres Solo hatte. Die Zeit verflog fast in Lichtgeschwindigkeit, was allerdings auch immer ein gutes Zeichen für tolle Unterhaltung ist. Mit ruhigeren "Let It Rain "-Tönen schickten Sylvia González Bolívar & Co. die Anwesenden in die Pause. Jürgen Scholz war bei seinem Solo voller melodischer Melancholie. Nachdem der erste Teil des Gigs schon gewaltig die Funken sprühen ließ, war der zweite Durchgang eine fast schon entfesselte Party.
Selbst bei einem Song von Robbie Williams durfte man gespannt darauf sein, was die Band daraus machte. "Let Me Entertain You" war ein Knaller. Jürgen Scholz hatte eine ellenlange Geschichte, mit der er ein ganzes Buch hätte füllen können, auf Lager und zeigte dem Publikum, wo der Rock-Hammer hing. Klasse war dann auch das folgende "Billy Jean" von Michael Jackson. Aus Martin Engeliens Bass strömte ein enormer Groove und Mel Gaynor mischte da natürlich kräftig mit. Ganz zum Schluss sorgte Sylvia González Bolívar für einen Moment der Atemlosigkeit, weil wohl niemand damit rechnete, wie tief sie ihre Stimme senken konnte. Nach einer moderneren Komposition ging es ab in die guten alten Zeiten. Frees "All Right Now" war mit einem Bass-Alleingang à la Rhythmusgitarre, einem Jürgen Scholz-Schatz-Solo und abermals Mel Gaynor am Gesangsmikrofon auch ganz und gar nach dem Geschmack der Zuschauer.
Mit "Long Train Runnin'" ( Doobie Brothers) blieb man gleich in etwa identischer Zeitschiene. Beim Gitarristen flogen die Finger über das Fretboard und der Schlagzeuger sorgte in diesem Track für ein Knaller-Finale. Oh, wie wunderbar. Zum siebzigsten Geburtstag von Jimi Hendrix zelebrierte Jürgen Scholz mit Klängen über den Wolken bis unter die Grasnarbe "Little Wing". Brillant! Das gesamte Erscheinungsbild von Sylvia González Bolívars Auftritt war von purer Emotion gesteuert. Was sie bisher auf Lager hatte, wurde allerdings bei Billy Idols "Rebel Yell" gekrönt. Hammer, diese Sängerin! Sie lebt Musik, wie alle anderen Akteure des Abends auch. Logisch ... sie wurde laut gefordert und das Publikum bekam eine Zugabe. In Cameos "Word Up" kam es zu einem Solo-Karussell. Martin Engelien schlug ab, Jürgen Scholz verlängerte und Mel Gaynor puttete ein. Diese Go Music war wieder einmal vom Feinsten und machte alle Anwesenden glücklich. Mit den vielen verschiedenen Künstlern ist diese Session einmalig und stets anders orientiert.
Wir danken Martin Engelien für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Martin Engelien (bass, backing vocals)
Sylvia González Bolívar (vocals)
Jürgen Scholz (electric guitar, vocals, backing vocals)
Mel Gaynor (drums, percussion, vocals, backing vocals)
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