"Irish Spring" über den Franconian Woods
Frühlingsboten waren bis jetzt noch recht rar im trüben Frankenwald, grade mal die Haselnusssträucher mit ihren Pollenschleudern machen den Allergikern klar, dass deren beschwerdefreie Zeit nun wieder vorbei ist. Letzte dreckige Schneereste in den geschützten Straßengräben und Waldsenken begleiten den RockTimer über den hohen Döbraberg in die Textilstadt Helmbrechts, wo er in der Konzertreihe "Kleine Kulturwelten" einen deutlich lebendigeren "Irish Spring" erleben will. Seit 2001 gibt es das tourende Festival, das nun zum dritten Mal in Folge im städtischen Bürgersaal gastiert, auch diesmal ausverkauft. Und heuer ausschließlich mit Künstlern von der Grünen Insel.
Die deutsche Moderatorin der Tourneeleitung brauchte beim vorwiegend älteren Publikum kein Eis zu brechen, das wohl zum größten Teil aus Stammgästen bestand und daher keine Anlaufzeit brauchte. Passend zum Anlass gab's im Foyer Irish Stew und Stout neben der üblichen Versorgung. Einmal mehr ein Beleg dafür, dass sich die "Kulturwelten"-Veranstaltungen auch durch ihr liebevolles Ambiente das zumeist volle Haus verdienen. Dementsprechend war bereits lange vor Beginn ein Großteil der Zuschauer erschienen, um sich entsprechend einzustimmen.
Die fidelen Fiedler
Fidil, die Fiedler, eröffneten das dreistündige Ereignis, das von den ersten bis zu den letzten Takten von den Zuschauern lebhaft und lautstark reflektiert wurde. Beste Stimmung, die auch die Künstler sichtbar anfeuerte. In jeder der drei Gruppen gab es mindestens ein Mitglied, das ein paar Worte zum Programm in Deutsch konnte. Und so blieb die Konversation nicht nur auf die Musik beschränkt, zumal auch viel Humor im Spiel war.
Wer angesichts der Geigen, dem »verbindenden Instrument des Abends«, eine recht einseitige und vielleicht auf Dauer nervende Angelegenheit erwartete, konnte sich schnell entspannen. Fidil, rein instrumental, begann mit flotten Reels aus dem heimischen Donegal, die in der Familientradition überliefert worden waren. Allerdings eher differenzierter, als die bekannte Pub-Stimmungs-Mucke. Oft wurde eine der drei Violinen als Rhythmusinstrument gezupft, die Saiten von Hand angeschlagen oder das Holz perkussiv beklopft. Die Musiker wechselten sich in der Melodie-Führung ab, ebenso wurden die Tempi und Rhythmen variiert. Im Mittelteil bescherte ein gefühlvoller, mit geschlossenen Augen gespielter 'German' (ein von deutschen Wandermusikanten übernommener, langsamer Dreher) den meisten Gästen wohl eine neue Hörerfahrung.
Henrys rootsige Enkelinnen
Ganz anders die Henry Girls, drei Schwestern, die sich nach ihrem ehrenwerten Großvater benannt haben. Dass sie ebenfalls aus Donegal stammen, hätte man in anderem Rahmen sicher nicht vermutet. Zwar mit Geige, Akkorden, Flöte und Keltischer Harfe (sowie zum Schluss Keyboards) durchaus typisch instrumentiert, ist schon ihr dreistimmiger Satzgesang für den herkömmlichen Folk aus Irland ungewöhnlich. Ihre Musik wäre wohl eher als 'Re-Import' der nordamerikanischen Roots Music zuzuordnen, wie wir sie in den letzten Jahren vor allem aus dem Grenzraum nördliche US-Bundesstaaten/Kanada von zahlreichen Interpreten kennengelernt haben. Auch innerhalb dieses weiten Genres wechselten sie von zickigem Andrew Sisters-Swing über bluegrassige Appalachian-Tunes bis zu gälischer Pop-Folklore. Das Publikum ließ sich von den drei Ladies gern einbeziehen und sang durchaus gelungen den Refrain des Romantiksongs "How Do You Know" mit. Tolle Musik, beeindruckende Stimmen und auch von der Bühnen-Ausstrahlung her sehr ansprechend!
Supergroup mit Vortänzerin
Der dritte Act, Tulsk, wurde als »Irish Supergroup« angekündigt, die sich speziell für diese Tour zusammengefunden hat. Vier gestandene Mannsbilder (drei bilden sonst die Band), die schon bei ihrem Aufmarsch handtuchwerfend für Stimmung sorgten. Als virtuose Musiker, die sowohl traditionelle wie moderne Elemente in ihren Tunes verwenden, aber auch als Spaßmacher, rissen sie das Publikum mit. Alan Burke nicht nur mit markanter Stimme und Rhythmusgitarrenspiel tonangebend, Sean Regan, Geiger und mit einem Mundperkussion-Solo für Begeisterung sorgend, der ständig posende Kontrabassist Kelvin Busher und "Herr der Ringe"-Flötist Alan Doherty zeigten, wie Irish Folk heute zeitgemäß, authentisch und sehr frisch klingen muss. Perfektes Zusammenspiel, instrumental wie vokal, mit Songs, die nicht nur blauäugig in die Welt hinausblicken und die trotzdem die irische Lebenslust verkörpern. Das Quartett bot auch den Rahmen für die Meisterstepperin Emma O'Sullivan, die mit ihrem ursprünglicheren 'Sean Nos Dance' auf der beschränkten Räumlichkeit der Konzertbühne für ein zusätzliches Highlight sorgte.
The Final Session
Wie üblich kamen alle Mitwirkenden zu einer abschließenden Session noch einmal ins Rampenlicht. Nach getragenem Beginn entwickelte sich ein fröhliches Zusammenspiel, das wohl am ehesten dem entsprach, was man sich als Nicht-Irland-Kenner unter 'typischer Pub-Atmosphäre' so vorstellt. Dass das Ensemble dann noch einmal einen kompletten Block in der Zugabe spielte, zeigte, dass die Beteiligten an diesem Abend in Helmbrechts von der guten Stimmung genauso mitgerissen wurden, wie die Zuhörer. Der erstklassige Sound im Saal und die dezente Bühnenbeleuchtung hatten daran ihren Anteil.
Heute lacht die Sonne über dem Frankenwald, in den Gärten spitzen die ersten Frühblüher heraus und die Heuschnupfennasen laufen zu Hochform auf.
Bilder vom Konzert
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