23. Motorcycle Jamboree
18. - 21.07.2013, Altes Lager, Jüterbog
Plakat 23. Motorcycle Jamboree
Jüterbog, Altes Lager
19.07.2013
Konzertbericht
Stil: Rock


Artikel vom 05.08.2013

       
Holger Ott                  Mike Kempf
Wie schnell doch so ein Jahr vergehen kann, gerade dann, wenn man sich auf eine besondere Veranstaltung freut. Als ich mit meinem Kollegen Mike das Gelände des ehemaligen Flugplatz Altes Lager bei Jüterbog betrete, habe ich das Gefühl, erst ein paar Tage zuvor nach Hause gefahren zu sein. Dabei liegt es ja bereits ein Jahr zurück. Wir reisen am Freitag an, wobei man die Stunde Fahrzeit von Berlin nicht unbedingt als Anreise bezeichnen kann. Es ist eher ein schöner Ausflug, der mit dem Besuch des größten Motorrad- und Musikfestivals in Ostdeutschland belohnt wird, dem Motorcycle Jamboree. Vorab einigen wir uns, dass ich vom Freitag und Mike vom Samstag berichten wird.
Don PowellFür die Berichterstattung vom heutigen Freitag habe ich mir die Finger vorsichtshalber mit Wundsalbe eingerieben, denn es wird sicherlich wieder viel zu erzählen geben. In jungen Jahren war ich bekennender Fan von Slade, einer der größten Glam Rock-Bands aller Zeiten. Wie so viele andere in meinem Alter hatte ich Poster der Stars an den Wänden, habe jeden Auftritt der Band im deutschen TV verfolgt und von meinem ersten Taschengeld wurde die LP "Slade Alive" angeschafft. Heute nun werden mir die beiden verbliebenen Gründungsmitglieder Don Powell und Dave Hill im Backstage-Bereich begegnen und ich werde versuchen, meine komplette LP-Sammlung signieren zu lassen - welch eine Ehre für mich.
JamboreeWir sind wie immer zeitig vor Ort und wandern erst einmal über die gewaltige Anlage. Fast dreißig Grad im kaum vorhandenen Schatten, keine Wolke am Himmel - weit und breit kein Regen für die nächsten Tage in Sicht. Das überzeugt auch den letzten Schönwetterfahrer, mit seinem Bike den Weg in den Süden von Brandenburg anzutreten. So ist der Platz bereits Tags zuvor sehr gut besucht, und als wir auf der Mainstreet laufen, müssen wir uns durch die Menschenmassen und an den heißesten Bikes vorbeidrängeln. Was im Jahre 1991 als bescheidenes Motorradtreffen begann, ist nun mit der 23. Veranstaltung zum positiven Mega-Event mutiert. Positiv deshalb, weil es niemals Stress gibt, der veranstaltende Motorrad-Club für einen reibungslosen Ablauf sorgt, die Preise über Jahre niedrig gehalten werden konnten, das Angebot an Zubehörhändlern, sowie Speisen und Getränken sehr vielfältig ist und in jedem Jahr ein guter Querschnitt der Bands einen breit gefächertes Musikangebot offenbart. Dazu wird - wie immer - ein sehr gemischtes Unterhaltungsprogramm geboten, das von den beliebten Biker-Spielen, den Highland-Games, K 1 Freefights über die Open Stage am Donnerstag Abend, einer heißen Stripshow sowie Miss-Jamboree Wahl bis hin zum gigantischen Feuerwerk mit Lasershow reicht.
JamboreeNatürlich darf auf einer Biker-Party keinesfalls die Wahl des schönsten Bikes in verschiedenen Kategorien fehlen, wobei 'The Best Of-Show' immer eines der Highlights des Events ist. Sind es dabei oft die chromblitzenden Bikes der großen Edelschmieden, so hat in diesem Jahr ein ganz spezielles Exemplar den Vogel abgeschossen und das im wahrsten Sinn des Wortes. Handgriffe, Brems- und Kupplungshebel aus Pistolen, Auspuffanlage aus Gewehrläufen, viele kleine Gimmicks aus dem Militaria-Zubehör, ohne jeglichen Chrom und mit matter Lackierung, hat dieses Fahrzeug den Preis mehr als verdient und wird mit Sicherheit in den nächsten Wochen die Titelblätter diverser Motorradmagazine zieren.
Knicki KnackiNachdem wir uns während unseres ersten Rundganges einen guten Überblick verschafft haben, beginnt so langsam das Musikprogramm, abwechselnd auf den beiden Bühnen. Leider sind mein Kollege und ich beruflich sehr eingespannt und können aus diesem Grund nicht durchgehend der Veranstaltung beiwohnen. Somit entgehen uns die Bands, die am Donnerstag auftreten und leider auch einige, die am frühen Nachmittag spielen. Im vergangenen Jahr eingeführt und sofort zum sehr beliebten Unterhaltungsteil geworden, ist die Open-Stage am Donnerstagabend. Ähnlich wie in einer Karaoke-Bar, können sich mutige Musikambitionierte vorhandene Instrumente schnappen und dann verschiedene Titel zum Besten geben. Ein gehöriger Fun-Faktor ist dabei garantiert und im nächsten Jahr muss ich es ebenfalls einmal schaffen, etwas früher dort zu sein, um mich auch hinter die Schießbude zu setzen, damit ich mit Lieblingsmoderator und Schreihals Knicki Knacki mal 'ne Session spielen kann.
Am Freitag um 16.30 Uhr beginnt das Programm auf der Hauptbühne mit einer großen Überraschung. Für viele ist die Band, die sich dort so geheimnisvoll hinter skurrilen Masken versteckt, weitgehend unbekannt. Deshalb ist der Andrang eher mäßig, als die Sechs aus Berlin loslegen. Aber bereits nach dem dritten Song sind die Biker- und Musikfans auf dem Platz aus ihrer Siesta erwacht Ost+Front und strömen in Richtung der Boxentürme. Aus denen schallt mit voller Wucht die 'Neue Deutsche Härte'. Ost+Front zeigen, wo der Hammer hängt und beeindrucken mit ihrem fetten Gitarrenrock die letzten Zweifler, die vermutlich aufgrund des Bandnamens in völlig andere Richtungen gedacht haben. Es wird sich später herausstellen, dass für mich die Truppe um Sänger Hermann Ostfront die Überraschungsband des Jamboree ist. Wer sich erinnert: Es hat im Jahre 1996 - damals noch in Biesenthal - eine Band gegeben, die in ähnlicher Art und Weise aufgetrumpft habt. Rammstein kannte damals auch noch niemand. Heute sind sie Weltstars. Vielleicht geben sie sich ja zum 24. Jamboree die Ehre. Ost+Front haben jedenfalls das Zeug, auch ganz groß zu werden - wollen wir es hoffen und wünschen. In ein paar Jahren werden wir Hermann und seine Mannen bestimmt in Jüterbog wiedersehen. Die Show ist der Hingucker und ihre Musik haut so richtig rein. Besser kann der Auftakt für den Reigen der Bands nicht sein.
Nach der Ost+Front-Show wird dem partyhungrigen Volk gerade einmal so viel Pause gegönnt, um sich ein neues Bier zu bestellen und das Alte wegzutragen. Fast reibungslos geht es im großen Partyzelt weiter. Im letzten Jahr dort an gleicher Stelle der Abräumer und deshalb von den Fans erneut gewünscht, geben Mandados del Cielo ihre Böhse Onkelz-Coversongs zum Besten. 'Oberonkel' Kreutz ist wieder in perfekter Laune, und als ob das Konzert von letzten Jahr gerade verklungen wäre, spielt die Band ebenso in gewohnter Härte weiter, wie sie gefühlte Tage zuvor aufgehört haben. Leider ist es extrem heiß im Zelt und der Andrang, besonders in den hinteren Reihen, hält sich etwas in Grenzen. Die Mandados lassen sich selbst von diesen hohen Temperaturen nicht kleinkriegen und rocken das Zelt, dass es darin nur so bebt.
Marky RamoneLeider müssen Mike und ich vor dem Ende des Gigs der Mandados del Cielo in den Backstage-Bereich, denn der nächste Gast des Tages ist soeben eingetroffen. Aus dem Shuttle-Bus steigt ein schlanker, mittelgroßer Mann mit tiefschwarzen Haaren und verspiegelter Sonnenbrille. Selbst wer ihn nicht erkennt, wird spätestens durch den Aufdruck seines weißen Shirts darauf aufmerksam gemacht, wen er vor sich hat. Es ist Marky Ramone, der Ex-Drummer der legendären Ramones. Die Punk-Ikonen der damaligen Zeit, die Maßstäbe in puncto Schnelligkeit beim Spielen gesetzt haben und die mit Abstand größte Anzahl an Songs um zwei die Minuten im Programm hatten. Völlig untypisch für einen Drummer gibt er mir mit weichem Druck die Hand. Er wirkt extrem zurückhaltend, ja schon fast schüchtern. Ich versuche ihn in ein Gespräch zu verwickeln, stelle aber fest, dass er wenig gesprächig ist, da ich ihm fast alles aus der Nase ziehen muss. Dafür zeigt er sich sehr bereitwillig, was seine Tätigkeit als Drummer angeht und er gibt mir eine kleine Lehrstunde während des Soundcheck. Obendrauf, als kleine Aufmerksamkeit, schenkt er mir noch ein paar signierter Sticks. So schüchtern kann er ja dann doch nicht sein...
Marky RamoneUm Punkt 20.00 Uhr beginnen Marky Ramone's Blitzkrieg und es kommt allen wirklich so vor, als wenn der 'Blitzkrieg' über das Jamboree hereingebrochen ist. Im Stakkato, nach traditioneller Ramones-Manier werden die Songs abgefeuert. Kurz, schnell und knackig, einer nach dem anderen, ohne Pause und ohne Luft zu holen. One, Two, Three, Four, "Blitzkrieg Bop". Ihnen gehört der Pokal für das schnellste Konzert. Fünfundzwanzig Songs in fünfzig Minuten und schon ist Ende der Vorstellung. Es klingt etwas sarkastisch, wenn ich sage, dass ich mein Geld auch mal so schnell verdienen möchte. Aber Sänger und Busenkumpel von Marky, Mr. Andrew W. K. ist völlig fertig. Wer so schnell so viel Text runterrattern kann, der hat doch wohl ein Lob verdient. Marky Ramone's Blitzkrieg legen selbstverständlich noch einen Schwung Zugaben nach. Weitere zwanzig Minuten mit erneut zweimal fünf Songs. Fast alle bekannten Titel der Ramones gibt es um die Ohren, darunter auch mein Favorit "Pet Sematary". Aber nun ist auch genug - das Ganze ist doch etwas zu heftig abgelaufen. Wir RockTimer brauchen jetzt auch eine kleine Pause. Mal schauen, was es auf dem Platz so zu essen gibt.
JamboreeBein Rundgang haben wir die Qual der Wahl. Das Angebot ist so vielfältig wie auf keiner anderen mir bekannten Biker- oder Musikveranstaltung. Von Vegetarischem über Fisch zu Gegrilltem und gutbürgerlicher Hausmannskost bleiben keine Wünsche offen. Selbst für den Nachtisch in Form von Eis oder Süßspeisen ist gesorgt. Die Portionen sind überall üppig und die Preise für ein großes Event sehr human. Die Gerüche sind verlockend, der Magen knurrt wie ein Wolf und wir futtern uns quer durch das Angebot. Nebenbei genießen wir den Anblick von chromblitzendem Stahl der kreuz und quer geparkten Bikes und von gut gebräunter, schöner Haut der Bikerinnen, die bei den Temperaturen vermehrt sehr offenherzig über das Gelände schlendern.
Im großen Partyzelt spielt derweilen eine Combo auf, die zum ersten Mal das Jamboree rockt. Tara X, eine Coverband aus Berlin, serviert Songs aus fast allen Bereichen der Musik. So werden von zart bis hart keine bekannten Künstler ausgelassen. Von Bon Jovi über Linkin Park bis zu Falco dringt alles in meine Ohren, was in den letzten Jahrzehnten in allen Radiostationen gespielt wurde. Ihre musikalische Vielfalt lockt reichlich neugierige Biker an und man ist immer sehr überrascht, wer sich mit welcher Musik identifiziert. Tara X haben somit den Nagel auf den Kopf getroffen und sich durch ihren gelungenen Auftritt einen Namen gemacht.
SladeTara X kommt nicht in den Genuß unsere ganze Aufmerksamkeit zu bekommen, denn wir haben im Backstage-Bereich eine Verabredung mit dem Haupt-Act des Abends: Slade sind inzwischen eingetroffen und bereiten sich auf ihren Gig vor. Vor der Show plaudern wir etwas mit Dave Hill und Don Powell. Das Gespräch dreht sich hauptsächlich um die Zeit meiner Jugend, als ich noch bekennender Fan der Band war, bevor mein fortschreitendes Alter dazu führte, meinen Musikgeschmack etwas auszuweiten. Besonders Dave hat eine witzige Ader und albert mit uns herum. Eigentlich lachen wir mehr als wir reden und freuen uns darüber, Jugenderinnerungen aufzufrischen. Wie ich später im Publikum beobachte, muss ich mich dessen auch nicht zu schämen, denn es tummeln sich sehr viele in meiner Altersklasse in Slade-Shirts und -Fanschals in der Menge.
SladeSeine gute Laune versprüht Dave Hill auch auf der Bühne. Mit dem ersten Gassenhauer "Goodbuy T'Jane" hat er die jubelnde Fangemeinde in der Hand. Er tanzt und hüpft über den Bühnenboden, erklimmt kleine Podeste am Bühnenrand und kommuniziert ständig mit dem Publikum. Während einer Songpause signiert er noch schnell eine LP eines Hardcore-Fans, um anschließend weiter durch die alten Songs Freude zu verteilen: "Far Far Away" ist angesagt, der nächste Megahit. Ich stehe neben Don Powell und beobachte ihn, wie er auf sein Set einprügelt. Er, einer der Drummer mit dem härtesten Anschlag, gibt wirklich alles und spielt die Songs mit einer super Laune, als ob sie damit soeben einen Chart-Hit gelandet hätten. Dass es alles bereits fast vierzig Jahre zurückliegt, spürt in diesem Moment niemand. Während einer Pause bekomme ich auch noch ein paar signierte gebrauchte Sticks von ihm geschenkt -in der ihm typischen Marotte mit speziell getaptem Design. Ein besonderes Highlight für meine Sammlung, denn Don Powell hat mich im zarten Alter von dreizehn Jahren dazu gebracht, mich für das Schlagzeugspielen zu interessieren.
SladeSlade spielen aber nicht nur ihre bekanntesten Songs und ruhen sich somit auf ihrem Erfolg aus, sondern haben Stücke im Programm, die aus ihrer Anfangszeit stammen wie "Hear Ya Callin'" und "Get Down, Get With It". Letzteres wird fast zehn Minuten zelebriert und hier zeigt sich besonders gut, welche hervorragenden Sangesqualitäten Shouter Mal McNaulty hat, der der Band seine Stimme seit 2005 leiht. Er kommt nahe an das Original Noddy Holder heran, was maßgeblich dazu beiträgt, dass die Band in der Gunst des Publikums wieder weit vorne liegt. Natürlich dürfen ihre Superhits "Mama, Weer Are Crazee Now" und als letzte Zugabe "Cum On, Feel The Noize" nicht fehlen und runden ein sehr ausgewogenes Programm ab. Für mein Empfinden hätte es auch noch eine halbe Stunde weitergehen können, denn ich hätte noch den einen oder anderen Wunsch gehabt, aber leider drängt ein dichtgesteckter Zeitplan und zwei weitere Bands möchten auch zu ihrem Recht kommen.
Nach dem Gig wechseln Mike und ich noch ein paar Worte mit der Band und dem Management bevor sie eilig ins Hotel verschwinden. Dave Hill möchte am nächsten Morgen mit dem ersten Flieger zurück in seine Heimat, denn, man glaubt es kaum, er hat vierzigsten Hochzeitstag. Deshalb ist das Konzert auch bereits am Freitag und nicht wie eigentlich vom Veranstalter gewünscht am Samstag.
Wir sind beide ebenfalls langsam etwas müde, für mich ruft die Arbeit am Samstag und die Nacht ist um sechs Uhr vorbei. Deshalb müssen wir uns leider auf den Heimweg machen und versäumen die Shows von den letzten beiden Bands des Abends: Cashley, die auch schon im vergangenen Jahr mit ihrer Rock'n'Roll-Show punkten konnten, sowie S + M Unzensiert.
(Holger)
Ost+Front          Ost+Front          Ost+Front
Slade          Slade          Slade
Slade
Nachdem mich mein Kollege Holger pünktlich zum dritten Veranstaltungstag des diesjährigen Jamboree von meiner Bleibe abholt, ist meine Vorfreude riesig, denn meinen Berliner Spezis Riff Raff wurde die Ehre zuteil, gegen 20:00 Uhr die Bühne so richtig auf 'Vordermann' zu bringen, um die Fangemeinde für den Hauptact des Tages Extrabreit in allerbeste Stimmung zu versetzen. Während sich Holger voll und ganz auf den Verkehr konzentriert, döse ich auf dem Beifahrersitz so vor mich hin, träume von einer gemeinsamen Aftershowparty mit den Breiten, Riff Raff und selbstverständlich mit uns, der RockTimes-Delegation, bis mich ein abruptes Bremsen in der Realität ankommen lässt und uns das Vorzeigen unserer Backstagepässe freien Eintritt gewährt.
Zunächst folgt der obligatorische Rundgang über das ehemalige Flughafengelände, dabei versorgen wir unser Inneres mit etwas Gegrilltem und reichlich Flüssigkeiten, damit wir bestens in Form gebracht den Abend gut überstehen werden. Mit zunehmender Zeit suchen wir immer mehr die schattigen Plätze auf, denn die Sonne brutzelt gnadenlos aufs Hirn und unsere Vernunft warnt uns vor dem Verzehr von eisgekühlten, köstlichen 'Pilsetten', die an den vielen Getränkeständen angeboten werden. Allein das Beobachten der Fans, die sich mit dem köstlichen 'Nass' in allerbeste Laune versetzen, sorgt für reichliche 'Appetit-Pfützen' auf unsere Zungen, doch wollen wir nicht schon vor Extrabreit 'breit' sein.
Limited Booze BoysGegen 17:30 Uhr tun die Limited Booze Boys genau das, für das die Combo - so wie im Vorjahr auch - verpflichtet wurden. Nach dem Motto 'Feuer frei', indem während ihres Konzerts in unregelmäßigen Abständen am Bühnenrand meterhohe Feuersäulen emporschießen, feuert die Band aus allen Rohren und die 'Feuerwerker' verstehen es, trotz stechender Sonnenstrahlen und gefühlten vierzig Hitzegraden, mit einer guten Show die Fans noch mehr anzuheizen. Als Lohn ernten die 'volltätowierten Schottenröcke' beim Abgang von der Bühne einen würdigen Applaus des Publikums.
Im Anschluss findet die alljährliche Vergabe der Pokale für die ausgestellten Bikes in diversen Kategorien statt. Den Vogel bei der Vergabe hat Mister Animal, ein 'Tier' aus Schweden, abgeschossen und darf gleich zwei der Erinnerungsstücke mit in seine Heimat nehmen: für das schönste Custombike und gleichzeitig noch die weiteste Anreise mit rund sechstausend Kilometern. Diese sind natürlich nicht auf direktem Wege zustande gekommen, sondern Animal hat mal schnell eine Europa-Rundfahrt gemacht, mit Ziel Motorcycle Jamboree. Das nenn' ich eine Leistung!
Mittlerweile treffen Riff Raff ein und es folgt eine sehr herzliche Begrüßung. Klar, man kennt sich und die Kapelle ist mir nach ihrer ersten Eigenproduktion so richtig ans Herz gewachsen. Ricky beichtet mir, dass sie einen Teil ihrer Show im längst vergessenen AC/DC-Outfit vortragen werden. Na ja, von diesem Vorhaben bin ich nicht so begeistert, denke noch, dass sie sich nur noch auf ihre Eigenkompositionen konzentrieren sollten. Während Basser Andi seine enorme Ausgeglichenheit auf Riff Raffmich einwirken lässt, beobachtete ich Steve wie er ein Tabakröllchen nach den anderen inhaliert und dabei wie ein angestochener Pitbull recht orientierungslos, im 'Freigehege' umherirrt. Kurz vor seinem Auftritt gesteht er mir: »Mike, seit über zwanzig Jahren stehe ich auf der Bühne, doch mein Lampenfieber bekomme ich einfach nicht in den Griff. Alter, es wird Zeit, dass die Show beginnt, denn, sobald ich mein Mikro in der Hand halte, ist alles Paletti!« Und genauso ist es. Mr. Betteridge erklimmt im Eiltempo die Stufen zu dem Ort, an dem er seine Gesangsvorträge vorträgt und als die Band im geschlossenen Verbund ihren Gig eröffnet, ist bei Steve jegliche Nervosität verflogen. Die ersten dreißig Minuten gehören zur Präsentation ihres aktuellen Albums und es fliegt sogleich ein angenehmer Rock'n'Roll-Wind übers Festgelände. Anschließend holt sich die Berliner Band den Leih-Gitarristen Marcus Forstbauer von Ost+Front zu sich, der sich eine Gretsch umhängt, um Malcolm Young zu Mimen. Somit können sie gemeinsam ihre altbewährte AC/DC-Show zum Besten geben, nimmt der Rock'n'Roll-Wind an Orkanstärke zu und es wird fortan aus allen Rohren gefeuert, was das Zeug hält. Letztlich eine gute Entscheidung, denn eine AC/DC-Show, auch wenn nur gecovert geboten, kommt auf jedem Bikerfest gut an und so zündet es, als hätte irgendwer einen Glimmstengel in ein furztrockenes Steppengras geworfen, die umgehend einen großflächigen Jubel-Brand verursacht. In mir lodert ebenfalls ein kräftigesRiff Raff Begeisterungsfeuer, so dass ich mehr Clips vom Konzert aufnehme, als ich mir vorgenommen habe. Doch die 'Schuld' daran liegt allein bei der Band, denn während Steve eins um andere Mal beweist, welch großartiger Sänger er ist, lässt sich sein Partner Ricky nicht lange lumpen, wirbelt mit seiner Gibson SG in spektakulärer Angus Young-Manier übers Parkett und hat von da an das Publikum vollends im Griff. Der Gitarrenflitzer ist nun gar nicht mehr zu halten, rennt mehrmals komplett um die große Bühne, sprintet auf der Selben immer wieder von der einen zur anderen Seite und pfeffert zahlreiche Soli in die Fangemeinde, die die Darbietung mit riesigem Applaus honorieren. Dieser wird vom Anhang noch getoppt, als sie bei "Bad Boy Boogie" mit Rickys verbundener Stripeinlage sein blankes Hinterteil zur Schau geboten bekommen. Damit alle Songs bestens in Szene gesetzt werden, dafür sorgen die Rhythmiker Bassist Andy und Drummer Schulle, der es sich zwischenzeitlich nicht nehmen lässt, den Anhang mit einem Schlagzeugsolo zu verwöhnen. Da ich 'rein zufällig' direkt neben ihm stehe, drücke ich spontan auf den Auslöser meiner Handpoket und halte seine Soloeinlage in bewegten Bildern fest. Trotzdem, bei aller Lobhudelei und Sympathie für die Hauptstädter wünsche ich mir, dass sie ihre AC/DC-Klamotten nun endgültig an den Nagel hängen, denn mit "Leaving D.C." haben sie eindrucksvoll bewiesen, dass sie viel mehr drauf haben, als sich nur mit dem Songmaterial der australischen Superband zu schmücken. Vielleicht sollten sie sich doch einen neuen Bandnamen zulegen, damit sie nicht immer wieder an ihre, wenn auch erfolgreiche, Vergangenheit erinnert werden. Wie wäre es zum Beispiel mit Piff Paff?
Gegen ca. 21:15 trudelt eine der bekanntesten Deutschrock-Bands der Gegenwart aufs Backstagegelände ein - Extrabreit. Auch hier gibt es ein tolles 'Hallo' und unser Bitten, die mitgebrachten Ton- und Bildkonserven zu signieren sowie eines gemeinsamen Gruppenbildes wird ohne zu zögern entsprochen. Dabei erzählt mir Gitarrist Bubi Hönig, dass seine Telecaster kein Original ist, sondern ein asiatischer Nachbau von 1981. Da sich auch ein paar Strats in seinem Eigentum befinden, ernte ich auf meine Frage »Dann stehst Du sicherlich auch auf Blues?« folgende Antwort »Ja klar doch, was meinst Du denn?« Seine Gegenfrage ist durchaus berechtigt, trägt er doch an diesem Abend ein geiles Hendrix-Shirt. Um die Band nicht in ihrer Vorbereitungsphase zu stören, verdünnisieren wir uns schnell, können aber im Augenwinkel beobachten, wie sich Rolf Möller mit erstklassigem Luftschlagzeugspiel auf Betriebstemperatur bringt.
Der Uhrzeiger dreht unaufhaltsam seine Runden und ehe wir uns versahen, kündigt Jamborre's Kultmoderator und 'Modellathlet' Knicki Knacki mit einem kräftigen »Yeeeeaaaaah... Kai Hawaii und seine Mannen, hier ist für euch Extraaaaabreeeeeeeit!« die Hagener Combo an.Kurz darauf betritt Rolf Möller als erster die Bühne und läutet schlagstark "1.1.0" ein. Nacheinander folgen ExtrabreitKleinkrieg, Hawaii, Hönig und Larsson und so wie ich es bei einigen vorherigen Breiten-Gigs bereits erlebte, benötigt die Band keine großartige Anlaufzeit und ist von Anfang an voll bei der Sache. Nur die Fans verhalten sich zunächst etwas reserviert, für mein Empfinden ZU reserviert. Sicher, die meisten, die schon drei Tage unter brütender Hitze dem Festival beiwohnen, zeigen erste Verschleißerscheinungen. Andere genießen die Musik einfach nur am Bierstand oder lauschen in weiter Ferne vom Campingplatz. Der Hauptgrund anfänglicher mangelnder Unterstützung kann darin liegen, dass vor allem Hawaiis Gesangseinlagen - warum auch immer - fast komplett untergehen. Ganz vorn oder hinter der Bühne geht es gerade noch so, doch wer sich in den hinteren Reihen aufhält, so uns später von mehreren Anwesenden zugetragene Meinungen, kann den guten Kai kaum hören. Trotz mangelnder Tonqualität lassen die Kultrocker nicht locker, spielen viele ihrer Gassenhauer wie zum Beispiel "Polizisten", "Sturzflug", "Nichts ist für immer", "Annemarie" oder "Rote Rosen" und ziehen allmählich die Massen in ihren Bann. Spätestens nach "Flieger", bei dem die Fans lautstark mitträllern, hat es die Band geschafft, die Bühne doch noch in Siegespose zu verlassen.
Holger und ich halten uns bereits nach dem zweiten Lied im hinteren Teil der Bühne auf, um das Konzert aus der Bandperspektive zu genießen. Dabei kommen wir in den Luxus, alles hautnah verfolgen zu dürfen und gut, dass ich mir vorab von Stefan ein Okay zum Filmen geholt habe. Zunächst halte ich mich noch zurück, doch Rolfs aggressive Schlagsalven müssen in mir alle Hemmungen beiseite gefegt haben. Schließlich rücke ich ihm, selbst unbemerkt, bis auf ein, zwei Meter auf die Pelle und spüre seine Taktvorgaben bis ins Mark. Selbst mein eher schüchterne Kollege Holger robbt in sportlicher Soldatenmanier, so, als ob er sich von seinem 'Opfer' in einem Schutzgraben unentdeckt fühle und knipst aus nächster Nähe zahlreiche Fotos. Sicher, ein böser Blick eines der Bandmitglieder hätte uns natürlich zum Rückzug veranlasst, stattdessen ernte ich zwischendurch vom 'Hau-Drauf-Experten'-Möller einen kräftigen Händedruck und zum Ende des Liedes "Nichts ist für immer" streckt er uns der sehr gut aufgelegte Drummer seine Zunge entgegen. Extrabreit
Leider wird das Einfangen perfekter Fotos durch die ständig in Aktion tretende Nebelmaschine enorm erschwert. Zwar ist das Teil für Spezialeffekte unabdingbar, doch muss die Band unentwegt in Rauch eingehüllt werden? Trotzdem, es ist auch im Dauernebel - soweit es möglich ist - einfach ein Genuss, Hawaiis Interpretation seiner Texte zu verfolgen. Er gibt einfach alles, schont sich in keinster Weise, bewegt sich immer am Limit, nur kommt er diesmal (LEIDER) nicht gegen die Instrumentalisten an. Eigentlich ein klarer Fall für die Tontechniker, doch diese können das Problem nicht lösen. Stefan und Hönig wechseln sich an den Klampfen im Rhythmus- und Solospiel ab, wobei Stefan sich seiner heißgeliebten Gibson bedient und Hönig seiner nachgebauten Telecaster sein Vertrauen schenkt. Da der Tieftonexperte Larsson sich fehlerfrei mit Schlagzeugterminator Möller bestens ergänzt, gibt es rein musikalisch betrachtet nichts auszusetzen. Das muss auch das Publikum so sehen, sie fordern nach "Flieger" jedenfalls lautstark Zugaben ein. Die will die Band den Fans auch bieten, nur wird ihr nach dem ersten Zusatzleckerli "Hurra, hurra, die Schule brennt" der Saft abgedreht, was, so glaube ich zu spüren, Hawaii nicht so amüsant findet. Doch gut, Extrabreit hatte mit 1:40 Std. die längste Spielzeit aller aufgetretenen Bands erhalten und der Zeitplan, bzw. das abschließende genehmigte Feuerwerk muss gegen 0:00 Uhr in den Himmel gejagt werden. Da verstehen die Ordnungsämter bei Nichteinhaltung der Zeitvorgabe des Raketenspektakels nämlich keinen Spaß. So bleibt den Verantwortlichen keine andere Wahl. Vielleicht sollte man künftig den Zeitplan nicht so eng stricken. Sei es wie es sei, die Hagener Kapelle hatte es an diesem Abend nicht leicht. Ein kaum hörbarer Hawaii ist in etwa so, als ob man einen Ferrari mit Diesel betankt und hofft damit einen Grand Prix zu gewinnen. Extrabreit hatten uns an diesem Abend trotzdem vollends überzeugt und wir denken, dass auch künftig mit der Band, die sich ausschließlich im Deutschrock-Segment bewegt, stark zu rechnen ist.
Buzz DeeDie Zeit vergeht wie im Fluge und es wird recht schnell die Wahl der Miss Jamboree 2013 über die Bühne gebracht und unmittelbar danach geht es reibungslos in das gigantische Feuerwerk mit Lasershow über. So wie dieses berauschende Feuerwerk, so endet nun auch unser Auftritt beim diesjährigen Jamboree. Zu später Stunde bitten noch die Buzz Dee's um Knorkator Gitarrist Buzz Dee, die Nachtschwärmer zu sich, um die Nacht mit rockigen Klängen ausklingen zu lassen. Doch ohne uns, denn wir befinden uns bereits auf den Weg zurück nach Berlin. Dabei diskutieren wir über die vergangenen zwei Tage - währenddessen nimmt unser Bericht erste Formen an - und stellen nebenbei fest, dass man für schlappe fünfundzwanzig Euro Eintrittsgeld einer nicht alltäglichen Veranstaltung beiwohnen kann - sicherlich kein alltägliches Angebot. Wenn zukünftig noch die Nebelmaschine zielgerecht eingesetzt wird, die Tonqualität bei allen Akteuren gleich gut ist (bis auf Extrabreit wurden alle Bands perfekt in Szene gesetzt), wird es von unserer Seite immer schwieriger, die berühmte (negative) Nadel im Heuhaufen zu finden.
RockTimes bedankt sich bei den Machern des alljährlichen Jamboree, die uns ungestört im Backstagebereich aufhielten ließen, um mit dem einen oder anderen Künstler ein paar Worte zu wechseln. Genauso unkompliziert verhielt es sich bei der Erlaubnis zum Einfangen toller Schnappschüsse oder gar beim Mitschneiden diverser Live-Impressionen des Festivals. So ein Entgegenkommen von Veranstaltern ist leider nicht immer selbstverständlich und so hoffen wir, auch vom Jamboree 2014 wieder eine reich bebilderte Berichterstattung der Nachwelt zu hinterlassen.
(Mike)
Riff Raff          Riff Raff          Riff Raff
Extrabreit          Extrabreit          Extrabreit
Externe Links: