Eins kann ich euch vorweg schonmal sagen: Punk-Festivals sind meiner Meinung nach voll und ganz eine Klasse für sich, eine eigene Welt – jeder lebt in gewissem Maße seine eigene Anarchie aus... Soweit es die Securities zulassen. Ein Haufen Betrunkene, viele, bei denen man denken könnte »Die haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun«, Vegetarier, Veganer und absurde Frisuren in allen Farben des Regenbogens.
Ich frage mich immer wieder, wie einige es schaffen, dass der Iro oder die Spikes zwei Tage perfekt stehen. Ohne Springerstiefel muss man mit gebrochenen Zehen rechnen, vor allem wenn man aus Versehen im Pogo landet. Und obwohl viele behaupten, Punk wäre eine Jugendkultur, sieht man auf solchen Festivals durchaus eine Menge Altpunks rumlaufen, die sich größtenteils genau so den Riss geben wie die jugendliche Generation. Jetzt könnt ihr euch vielleicht ein bisschen vorstellen, wo ich also kurz vor Ende des Jahres 2012 rumgestolpert bin.
Mein Punk im Pott begann mit einer Band, die den wundervollen Namen Dödelhaie trägt. Der Sänger ist einigen ebenfalls bekannt als 'Andiiiiiii von Impact Records', wie der werte Herr immer so schön zu sagen pflegt, wenn er mit seiner Kamera über Festivals marschiert, um jeden sehenswerten Moment aufzunehmen und ein lustiges Video daraus zu basteln. Würde mich jetzt jemand fragen: »Kommst du mit? Dödelhaie spielen gleich« – ich wäre sofort dabei! Die Stimmung war bombastisch, die Dödelhaie packten ihre radikalsten Songs aus, Lieder, die der Verfassungsschutz gar nicht gerne hört. Unsere lieben Brandenburger haben aber seit einigen Monaten noch einen ganz besonderen Fan, und zwar ihren Innenminister Woidke, der über genau solche Bands spricht: »Die linksextreme Hassmusik ist keinen Deut besser als die rechte!« Doch was macht eine gute Punkband? Schreibt einen Song drüber und nennt ihn eben "Linksextreme Hassmusik". Ebenfalls dabei waren Lieder wie "Radieschen auf Frischkäse", das "Molli-Lied", "Radikal" und andere Kracher.
Die nächste Band auf meinem persönlichen Zeitplan waren wohl oder übel Die Kassierer. Ich glaub, wenn ich das nächste Mal dazu gezwungen werde, mir die anzusehen, muss ich mich vorher betrinken. Für Sänger Wölfi hat es Tradition, sich auf der Bühne nackt auszuziehen – ein Anblick, den man sich definitiv sparen kann. Außerdem verstehe ich einfach nicht, was man an Liedern wie "Blumenkohl am Pillemann" und "Ich muss kacken" so toll finden kann. Also: Nicht mein Fall. Schnell weiter im Text und ab zur nächsten Band. Fahnenflucht, da geht’s doch gleich schon wieder bergauf. Danach folgte Punk-Legende Slime. Viel Altes, weniger Neues, was ich persönlich aber besser finde, denn die alten Songs muss man einfach kennen und lieben. Die neueren gefallen mir nicht so gut. Zwischen Liedern wie "Störtebeker", "Rebellen", "Linke Spießer" und "Albtraum" dann eine Ansage für die Freilassung von Pussy Riot, der "Religion" von 1983 folgte – traurig, dass so viele Themen immer noch bestehen:
»Religion - Bedeutet Unterdrückung
Religion - Ist Opium für das Volk
Religion - Hat Millionen von Menschen getötet
Religion - Doch die Kirchen
Sind immer noch voll «
Als unvergesslichen Abschluss hauten Slime natürlich noch "Deutschland muss sterben" raus. Eine legendäre Punk-Hymne, wenn ihr mich fragt!
Nach Slime waren Rasta Knast an der Reihe, nach denen Heiter bis Wolkig einen Auftritt mit unvergesslicher Bühnenshow hinlegten und mit dem Staatsfeind-Song Nummer Eins "Hey Rote Zora" ordentlichen Applaus kassierten.
Danach folgte eine meiner absoluten Lieblingsbands: Alarmsignal! Natürlich stand ich auch hier wieder in der ersten Reihe und erfreute mich an Liedern wie "Moderne Sklaverei", "Zivilkrank", "Gegen den Staat" und dem ultimativen Stimmungslied "Wir leben".
Am nächsten Tag ging es genau so fantastisch weiter wie am Tag zuvor. Blut und Eisen sagten kurzfristig ab, stattdessen standen Knochenfabrik auf der Bühne. Der Sänger betonte mehrfach, dass normalerweise kein Bandmitglied bei Auftritten nüchtern ist und wir ihnen die Fehlerchen nicht übel nehmen sollten. Zusätzlich kam erschwerend dazu, dass der Schlagzeuger nicht da war, deshalb trommelte eben einfach, wer gerade Lust hatte. Aber: »Dat is Punk, dat raffste nie!« Auch hier wieder mal affengeile Stimmung mit Songs wie "Obdachlos und trotzdem sexy", "Die Tochter vom Nachbarn", "Ich hör dir nicht zu" und natürlich "Filmriss".
Bei Eisenpimmel kamen dann scheinbar sämtliche Schnapsleichen vom Vortag aus ihren Ecken gekrochen und stürzten sich in den Pogo, was dazu führte, dass ich als Außenstehende selbst das Vergnügen hatte, ungewollt genau dort zu landen, hinzufallen und jemandem versehentlich den Bierbecher aus der Hand zu schlagen. Dieser landete dummerweise genau auf meinem Kopf und ergoss sich des Weiteren über mein T-Shirt. Tja, sauber bleiben is' halt nicht. Nachdem ich dann noch irgendwas mit Karacho an den Kopf bekam, ergriff ich die Flucht zum Bierstand und ließ mich erst bei Sham 69 wieder blicken, die eine Dreiviertelstunde den guten, alten, britischen Oi! zum Besten gaben.
Weiter ging es mit keinen Geringeren als Toxoplasma. Überraschung: Es stand ein ziemlich kleiner Fan mit auf der Bühne, etwa im zarten Alter von sechs Jahren, wohl der Sohn des Sängers, der am Bühnenrand schon fleißig übte, um in ein paar Jahren im Pogo durchstarten zu können.
Herzallerliebst! Natürlich gab es auch von der Band ordentlich Saures: "Vakuum", "Deutsch in Kaltland", "Asozial", "Schwarz, Rot, Braun", "Gut und Böse" und ein paar ganz neue Songs waren am Start.
Ein ziemlicher Kontrast zu Toxoplasma war die darauf folgende Band Sondaschule. Plötzlich war die Halle abartig überfüllt und alle wollten nach vorne. Hilfe! Irgendwo dazwischen irgendwelche Leute, die scheinbar noch nie auf einem Konzert und erst recht auf keinem Festival waren – bei mir hat sich, glaub ich, noch nie zuvor jemand entschuldigt, weil er mich aus Versehen geschubst hat. Naja, auch mal was Neues. Auch Sondaschule hatten einige neue Songs im Gepäck, super geil wie immer! Unter anderem gab es "Alles Gute", "Pommesbude", "Tausche Alkoholsucht gegen Liebe", "Dumm aber Glücklich" und "Es ist wie es ist" auf die Ohren. Als nächstes dann die auf so ziemlich jedem Punk-Festival anwesenden Lokalmatadore, die ich inzwischen aber schon oft genug gesehen habe … Lieber nochmal 'ne Runde ausruhen für die letzte Band, die keine geringere war als die Oi!-Punk-Legende Vier Promille. Wow! Alle Kracher mit dabei, einfach nur unvergesslich! "Jenny", "Alte Schule", "Export", "Im nächsten Leben", "Träume sterben", "Jeder hat sein Kreuz zu tragen" und, und, und. Der vorletzte Song "So schmerzt der Winter" war Gänsehaut pur, und als bombastischen Abschluss spielten sie ihr wohl bekanntestes Lied "Ich werd' mich ändern". Definitiv eine der besten Bands auf dem ganzen Festival.
Alles in allem wird auch Punk im Pott 2012 ein unvergessliches Erlebnis bleiben. Das einzig Blöde an Festivals ist nur, dass sie immer viel zu schnell zu Ende sind. Ganz zum Schluss danke ich noch allen, die Punk im Pott für mich zu etwas Besonderem gemacht haben und verabschiede mich mit einem lauten »Cheers« bis zum nächsten Mal!
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