Rock Meets Classic / 09.03.2014 Tempodrom
Tempodrom
Rock Meets Classic
Tempodrom
09.03.2014
Konzertbericht
Stil: Rock


Artikel vom 16.03.2014


Holger Ott
Tross Erneut ist ein Jahr vergangen und wieder zieht der Tross mit dem klangvollen Namen "Rock Meets Classic" durch die Lande. Diesmal gastiert diese Veranstaltung im Tempodrom in Berlin, nachdem 2013 die Max-Schmeling-Halle etwas spärlich besucht war. Mit an Bord der nun zum fünften Mal stattfindenden Kombination aus Rock und klassischen Elementen sind neben der Mat Sinner Band und dem Bohemian Symphonic Orchestra Prague, die wie bisher jedes Jahr den Rumpf bilden, keine Geringeren als Ex-Ultravox-Frontmann Migde Ure,
Joe Lynn Turner, Ex-Sänger von Rainbow, Mick Box und Bernie Shaw als Vertreter von
Uriah Heep, Alice Cooper in Begleitung seiner göttlichen Gitarristin Orianthi und als Very Special Guest Kim Wilde.
Die gesunde Mischung macht das Event in jedem Jahr aufs Neue interessant. Abgedeckt wird dabei fast jeder Musikgeschmack und so finden sich Alt und Jung im Betonzelt nahe des ehemaligen Anhalter Bahnhofs ein. Leider muss ich feststellen, dass auch diese Halle nicht restlos gefüllt ist. Preise bis zu achtzig Euro für ein Ticket an vorderer Front schrecken dann doch den ein oder anderen Fan ab. Da auch Alice Cooper seine Horrorshow nicht im gewohnten Umfang abziehen kann, bleiben auch viele seiner treuen Anhänger fern, obwohl er als Headliner angekündigt ist.
Die Show wird wie immer von der Mat Sinner Band in Begleitung des Orchesters aus Prag eröffnet. Im Zeichen von Queen gibt es eine Mischung aus "We Will Rock Midge Ure You" und "The Show Must Go On". Einzige Gelegenheit, um den umfangreichen Backgroundchor vorzustellen, während sie ihre Soloparts vortragen.
Midge Ure ist der erste Stargast des Abends. Seine unverkennbare Stimme katapultiert die Zuschauer zurück in die 'gute alte Zeit' der achtziger Jahre, als seine Band Ultravox ihren Höhepunkt hatte und aus keinem Radiosender wegzudenken war. "Vienna" und "Dancing With Tears in My Eyes" gehören zu den absoluten Elektro Pop-Klassikern, die auch heute noch sehr gerne gehört werden. Er strahlt gute Laune aus, spielt eine hervorragende Gitarre, ist ein Sympathieträger und somit ein gelungenes Opening. Ich mag seine Musik und freue mich, ihn zum ersten Mal live zu erleben. Damit beginnt aber bereits das eigentliche Manko des Events. Die Spielzeiten der einzelnen Protagonisten sind einfach viel zu kurz. Nach noch nicht einmal zwanzig Minuten ist Midge Ure wieder hinter der Bühne verschwunden. Das Publikum ist nicht ansatzweise warmgelaufen. Somit springt der Funken absolut nicht über und er erntet nur mäßigen Applaus, der schon im Keim von der nächsten Ansage des kommenden Künstlers erstickt wird.
JL Turner Joe Lynn Turner ist für manche Tempodrom-Besucher vielleicht ein unbeschriebenes Blatt. Wer aber tiefer ins Detail geht, wird feststellen, dass er seine Stimme sogar für eine LP
Deep Purple zur Verfügung gestellt hat. Auf der Scheibe "Slaves And Masters" hat er sich dabei verewigt und singt daraus auch den erfolgreichsten Titel "Love Conquers All". Größter Aktivposten seinerseits waren aber die Jahre als Sänger der Band Rainbow, bekanntermaßen
Ritchie Blackmore Zwischenprojekt in den Jahren, als die Stimmung um ihn bei Purple nicht so rosig war. Aus dieser Epoche stammen "Stone Cold", "I Surrender" und "Since You Been Gone". Turner singt sich die Seele aus dem Leib - das Publikum schweigt dazu. Keine Emotionen, kein Freudentaumel, Turner verschwindet so schnell von der Bühne, wie er gekommen ist. Jammerschade wie ich finde, denn der Mann hat eine exzellente Stimme. Vielleicht hätte er doch besser "Long Live Rock 'n' Roll" singen sollen, wie im Programm angekündigt wird.
Das Orchester erhält die nächste Gelegenheit zu beweisen, dass Rockmusik für ein Streichorchester kein Fremdwort ist. Wie vor einem Jahr wird das Thema aus dem Blockbuster "Fluch der Karibik" intoniert. Für Dauergäste langweilig und ich frage mich ebenfalls, wie vermutlich viele Besucher, ob die Damen und Herren nicht was anderes auf dem Kasten haben.
Der Very Special Guest des Abends wird angekündigt. Kim Wilde soll mit ihren Gassenhauern für Stimmung sorgen, aber ist die wilde Kim denn mehr 'special' als alle anderen auf der Bühne? Ich denke nicht. Trotzdem schafft sie es, das Publikum aufzutauen. Kein Wunder bei Hits wie "Kids In America". Sie ist sehr agil. Ständig von links nach rechts unterwegs, mit einem Abstecher bis fast hinauf zu Randy Black, der hinter einer Plexiglaswand sein Drumset bedient. Aber auch ihre Zeit ist auf vier Songs begrenzt und als die Stimmung im Saal ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hat, wird auch schon zur Pause geläutet.
Kim Wilde    Kim Wilde
Mein Resümee in dieser Erholungsphase beschränkt sich auf ein schlichtes 'Naja'. So richtig hat mich bislang nichts vom Hocker gerissen. Ich kann mich an Veranstaltungen in den Siebzigern erinnern, als an einem Abend Bands wie Slade, Sweet, Suzi Quatro und T.Rex die Bühne gerockt haben. Da war wenigstens richtig was los.
Keine lahmen Sitzplätze im Innenraum für die ältere Generation, die zum Teil in Abendgarderobe mit einem Glas Sekt zum 'Stößchen' rufen. Die Veranstaltung ist dabei, abzudriften, und wenn Typen wie Mat Sinner nicht schnellstens die Kurve kriegen, gehen bei "Rock Meets Classic" bald die Lichter aus.
Mein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es spätestens in einer Stunde zu Ende ist. Riecht nach einem kurzen Konzertabend, der im zweiten Teil erneut vom Orchester eingeleitet wird.
Pink Floyd mit "Another Brick In The Wall" ist das Thema und als Sänger und Hauptgitarrist darf sich Oliver Hartmann aus Sinners Band profilieren. Alle Musiker auf der Bühne machen eine sehr solide Arbeit und anscheinend sprühen die ersten Funken in die Sitzreihen über.
Als hätte ich es gewusst, werden Mick Box und Bernie Shaw von Uriah Heep mit tosendem Applaus begrüßt. Shaw ist der Entertainer überhaupt. Es dauert keine zwei Minuten und das Publikum frisst ihm aus der Hand. Er ist der Segen das heutigen Abends. Mit dem Fasttrack "Easy Livin" weist er den Weg, legt "Free Me" nach und bringt mit "July Morning" das Monumentalwerk, das kaum besser zum Orchester aus Prag passt. Endlich können sich auch die Damen an den Streichinstrumenten austoben. Der Saal bebt und die Menge springt von den Sitzen. So und nicht anders stellt man sich eine perfekte Stimmung vor. Selbst die ältere Dame "Lady In Black" erwacht zu neuem Leben, als bis zur letzten Silbe jedes Wort mitgesungen wird. Die Abgesandten von Uriah Heep haben es zum Glück geschafft, der Veranstaltung die Krone aufzusetzen, die sie eigentlich verdient hat, nämlich wie es der Name sagt, Rockmusik mit Klassik zu vereinen.
Mick Box    Uriah Heep Bernie Shaw
Nachdem sich das Orchester zwischenzeitlich an Beethovens Fünfter ausprobiert hat, bleibt nur noch einer übrig, oder besser gesagt eine. Orianthi, die Supergitarristin aus Alice Coopers Band schleicht sich auf die Bühne und zieht sofort alle Blicke auf sich. Mrs. Obercool leitet mit einem gepflegten Solo die Ankunft des Meisters ein. Orianthi Cooper sieht erst einmal keinen Stich. Im Flammenmeer am Bühnenrand zu "House Of Fire" verzieht Orianthi wie immer keine einzige Miene. Ihre Körperhaltung: leicht nach hinten verlagert, mit angewinkelten Knien und wallender blonder Lockenpracht, steht sie nur da und beackert die Saiten der grünen Gitarre. Cooper beginnt seine Show abzuziehen, umschleicht sie, versucht ihr etwas Bewegung zu entlocken. Sie bleibt cool, egal wie heiß die hohen Flammen vor ihr sind. Ab und zu schreitet sie gemächlich an ein Mikro, um den Backgroundchor zu verstärken, eher eine Alibifunktion. "No More Mr. Nice Guy", der erste Klassiker des Schockrockers. Heute wird aber, wie bereits angedeutet, weniger geschockt. Keine Schlangenküsse, keine Metzeleien oder Selbstverstümmelungen. Das Blut fließt heute nur in geringen Mengen. Mein angekündigter Favorit "Billion Dollar Babies" bleibt leider außen vor. Stattdessen ertönt "Only Woman Bleed", zu dem eine Tänzerin die Bühne betritt, um Cooper zu umgarnen. Sie entpuppt sich als Vampirin und gibt dem Meister den tödlichen Biss. Alice Cooper ist jetzt in seinem Element. "Welcome To My Nightmare" heißt die Devise, aber bis auf Pyro und Lichteffekte passiert nicht viel auf der viel zu kleinen Bühne. Er kann nicht so, wie er am liebsten möchte, muss seine Monster zu Hause lassen und hat das Problem, seine Albträume nur mit Worten zu vermitteln. Das Publikum bleibt dadurch eher verhalten. "Poison", sein größter Hit der letzten Jahrzehnte, wird nachgeschoben, bevor der Abend offiziell zu Ende ist.
Alice Cooper    Alice Cooper Alice Cooper
Einzige Zugabe, bei der alle Mitwirkenden gemeinsam trällern, ist "School's Out". Finale Der Nachwuchs von Bernie Shaw darf ebenfalls auf die Bühne, um sich schon mal auf die kommenden Jahre auf der Schulbank einzustimmen. Alles wirkt wie ein heilloses Durcheinander im Konfettiregen und mit überdimensionalen Bällen im Publikum. Heep und Cooper haben die Veranstaltung retten können. Im nächsten Jahr könnte es für den Veranstalter etwas eng werden, wenn nicht mal ein paar aktuellere Highlights auf die Bühne gebracht werden. Sicher ist es für die Besucher schön die alten Klassiker zu hören, aber damit kann man bald niemanden mehr locken. Junges Publikum muss verstärkt in den Saal und die bekommt man nur mit jungen guten Bands. Es gibt doch derer mehr als genug.
Vielen Dank an Janine Lerch für die Akkreditierung.
Backgroundchor    Finale Finale
Setlist
Orchester
01:The Show Must Go On

Midge Ure
01:Hymn
02:Breathe
03:Vienna
04:Dancing With Tears In My Eyes

Joe Lynn Turner
01:Stone Cold
02:I Surrender
03:Love Conquers All
04:Since You Been Gone

Orchester
01:He's A Pirate

Kim Wilde
01:You Came
02:Cambodia
03:You Keep Me Hanging On
04:Kids In America

Orchester
01:Another Brick In The Wall

Uriah Heep
01:Easy Livin'
02:Free Me
03:July Morning
04:Lady In Black

Orchester
01:Beethoven 5

Alice Cooper
01:House Of Fire
02:No More Mr. Nice Guy
03:Only Woman Bleed
04:Welcome To My Nightmare
05:Poison

Finale
01:School's Out
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