Witching Hours Over Europe
02.10.2013, Darmstadt-Mühltal, Steinbruch Theater
Ticket Witching Hours Over Europe
Darmstadt-Mühltal, Steinbruch-Theater
02. Oktober 2013
Event
Stil: Doom, Black Metal u. a.


Artikel vom 10.10.2013


Andrea Groh
PlakatAuch wenn die Tour unter dem Motto "Witching Hours Over Europe", bezogen auf den Titel der neuen CD von The Vision Bleak, lief, war es für mich eher ein sehenswertes Package von drei interessanten Bands und ich habe darin weniger einen Headliner mit zwei Vorgruppen gesehen. Zu diesem Empfinden passte dann auch, dass sich die Spielzeiten der einzelnen Acts nicht gravierend unterschieden, die ersten beiden hatten knapp eine Stunde, während die dritte etwas länger als eine Stunde auf der Bühne stand. Oder täuscht mich da mein Eindruck - genau gestoppt habe ich die Zeiten nicht.
Auf jeden Fall bot der Abend drei interessante Bands, die unterschiedliche Facetten der dunklen Seite des Metals präsentierten.
Zunächst ging es mit einer halbstündigen Verspätung los, also um 21 Uhr statt um 20:30 Uhr. Ich könnte jetzt lästern, das sei ziemlich doomig… und passe zur Bandgeschichte. Saturnus gibt es nämlich bereits seit 1991 (und gehören damit zu den Vorreitern und den Ersten im Genre Doom/Death. Doch in dieser Zeit haben sie nicht gerade viele Veröffentlichungen zustande gebracht (vier CDs, dazu Demos und EPs), meistens liegen mehrere Jahre zwischen den einzelnen CDs. Oder erklären sich die Zeitabstände dadurch, dass sie in Saturnjahren rechnen?? Auch Live-Auftritte sind eher selten. Mag sein, dass die Dänen dadurch nicht den Status haben, den sie haben könnten. Ich musste erst einmal überlegen, als ich den Namen gelesen habe, denn ich hatte sie gar nicht mehr so wirklich auf dem Schirm. Dabei spielen sie doch die Art von Doom, die mir so ziemlich am liebsten ist. Ich mag den Wechsel zwischen Growls und Klargesang und auch das Keyboard als Ergänzung zu den Gitarren. Okay, das ist heute nichts Besonderes mehr, aber kann sehr schön sein, vor allem wenn die Tasten und die Leadgitarre so tolle Harmonien zaubern. Natürlich dürfen die tonnenschweren Riffs auch nicht fehlen - und das tun sie auch nicht. An diesem Abend spielten sie vorwiegend Songs von ihrer letzten CD "Saturn In Ascension", ein wirklich gutes und angenehm zu hörendes Werk, bei dem man allerhöchstens kritisieren könnte, dass im Verhältnis zur Spielzeit von über einer Stunde nicht so wirklich viel passiert, obwohl da schon einige Variationen und verschiedene Emotionen vorhanden sind. Nun, das trifft auf andere Kollegen ebenfalls zu. Doom/Death ist nicht die Sparte, bei der man viel Abwechslung erwartet, sondern man will in düsteren Klängen schwelgen. Und das kann man mit Saturnus herrlich, ob auf genannter CD oder auch an diesem Abend im Steinbruch, an dem die Band mit ihrer intensiven Live-Umsetzung Stimmung erzeugte und berechtigt 'abgefeiert' wurde.
Für diejenigen, die Saturnus zu langweilig oder langatmig fanden (falls es davon welche gab), boten Dordeduh aus Rumänien eine Alternative. Auch hierbei handelt es sich nicht um Unbekannte. Negură Bunget, 1995 von Hupogrammos und Negru gegründet, gelten als etwas Besonderes, da sie traditionelle Elemente mit (Black) Metal mischen, um Intensität und Spiritualität (Naturmystik) zu erreichen. Das Werk "Om" ist in dieser Hinsicht wirklich beeindruckend und eigenständig. Leider kam es danach zu internen Unstimmigkeiten, die zur Folge hatten, dass Hupogrammos und Sol Faur die Band verließen und Dordeduh gründeten, die für manche Fans mehr Negură Bunget sind als der Rest um Negru, der den Namen noch trägt. Bislang gibt es von Dordeduh nur eine EP und die CD "Dar de Duh", die ebenfalls mit der erwähnten Mischung überzeugt und sich nur schwer in Sparten einordnen lässt.
Wie sie das wohl live umsetzten, war die Frage, die ich mir im Vorfeld stellte. Mit oder ohne traditionelle Instrumente? Eingeschränkt mit war dann die Antwort. Gleich zu Anfang gab es zwei Tulnics (die rumänische Version von Alphörnern, sind das dann quasi Karpatenhörner?) bei dem Song "Dojană", auch wenn die Live-Version nicht ganz so atmosphärisch wirkte, wie das Original. Wow, mutig, doch recht unmetallisch einzusteigen, aber wirklich großartig. Später wurde es - nennen wir es mal - 'standardmäßiger', also Gitarren, Bass etc., wobei das Hackbrett (Hammered Dulcimer) bis zum Schluss für originelle Akzente sorgte. Die Musik variierte insgesamt betrachtet von schwarzmetallischer Raserei über langsamere, teils doomige Metalpassagen bis eben zu den abgefahrenen Folkloreelementen, ebenso bewegte sich die Stimme von Keifen, Kreischen über Growls bis zu harmonischem Gesang. Faszinierend, aber logischerweise ist eingängig etwas anderes. Das ist dann eher zum Sehen und Staunen statt zum Mitgehen, obwohl bei den wilden Stellen vereinzeltes Headbangen im Publikum auszumachen war. Doch egal, ob man sich mitreißen ließ oder sich das Ganze eher neugierig ansah, ein außergewöhnlicher Auftritt wurde geboten - für den man allerdings auch eine gewisse Offenheit benötigte, also nichts für eingefleischte True-Metaller. Tja, wer diese Schublade nicht verlassen kann, verpasst dann solche beeindruckenden Bands wie Dordeduh.
Die Gothic-Metaller sind dann die wohl am meisten dem Massengeschmack zuträglichste Band des Abends, was sich auch in der Zahl der getragenen/gekauften Shirts zeigte. Wobei Gothic hier nicht mit Trällerelsen und übertriebenem Keyboardkitsch zu assoziieren ist, sondern Bezug auf den Begriff Gothic Novel nimmt, also Schauerroman und The Vision Bleak daher (nicht nur von mir) gerne als Horror Metal bezeichnet werden. Horror im Sinne von H. P. Lovecraft, E. A. Poe und anderen Literaten, aber auch von etlichen Filmen. Die beiden Bandgründer und Hauptakteure Ulf Theodor Schwadorf und Allen B. Konstanz kleiden sich daher auf Fotos und auch an diesem Abend etwas altmodisch (Zylinder war aber dieses Mal nicht dabei) und haben das Gesicht geweißt. Die Mitmusiker schlossen sich diesem Stil nicht an, sodass die Optik etwas uneinheitlich erschien - schade, da hat man etwas Wirkung verschenkt.

Da - wie bereits erwähnt - die Tour "Witching Hours Over Europe" zur gerade erschienen neuen CD "Witching Hour" hieß, war logisch, dass davon mehrere Songs vorgestellt wurden. Der ist wirklich toll gemacht, wobei der Song mich bislang nicht so überzeugen konnte. An dieser Tatsache änderte sich auch an diesem Abend nichts. Kein Zweifel, Atmosphäre ist vorhanden, aber irgendwie packt mich das nicht, gleiches gilt für die anderen neuen Songs. Hm, vielleicht eher etwas für Leute, die Kuschelvampir-Filme mögen? Das ältere Material wirkt härter, böser und gefällt mir besser. Wobei meine liebste CD von The Vision Bleak die "The Wolves Go Hunt Their Prey" ist, vor allem wegen der "Black Pharaoh"-Trilogie. Davon gab es im Steinbruch immerhin den zweiten Teil (ich hätte gegen alle drei gehabt…), danke dafür (hätt' ich denen übel genommen, wenn nicht…). Und worauf ich auch gewartet hatte: "Kutulu". Der Beschwörungsteil »IA! IA! KUTULU FHTAGN! IA! R'LYEH KUTULU FHTAGN!« ist einfach klasse - aber zum Glück wirkungslos: Der Krake auf meinem Ahab-Kapu wurde NICHT lebendig. Die Ansage (und das dazu passende Shirtmotiv) »Can you say Kutulu« (kann ich schon, will ich aber nicht, sonst erwecke ich noch einen 'Großen Alten'…) hat schon etwas Amüsantes, mehr davon.

Damit komme ich zum Kritikpunkt des Abends: Es ist schon stimmungskillend, wenn in den Pausen zwischen den Songs der (Haupt-)Frontmann sich umdreht, um aus seiner Wasserflasche zu trinken und die Gitarristen ihr Griffbrett abwischen. Dadurch entsteht eine Lücke, die gerade, wenn man das Image als Horror-Story-Erzähler hat, unbedingt hätte gefüllt werden sollen. Entweder dass ein anderer (es sind ja zwei eigentlich zwei Frontmänner/Sänger vorhanden) das Wort übernimmt oder durch eine unheimliche Pausenmusik, die durch einen Tastendruck zu aktivieren wäre (bei Melechesh hat das gut funktioniert als sie an gleicher Stelle standen). So muss ich leider feststellen, dass ich von The Vision Bleak etwas enttäuscht war, ich hatte irgendwie mehr erwartet in Bezug auf Professionalität und Atmosphäre.
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