Nachdem kürzlich schon die aktuelle CD Glorious Collision hier im Review gewesen ist, gab es kein großes Überlegen, als die Ankündigung einer Mini-Tour ins Haus flatterte. Attack-Events im belgischen Genk hatten die schwedischen Progger in den grenznahen Raum gelotst und mit der Location Rondpunt 26 kletterte zudem das Soundbarometer auf ‚Schön'. Als Support waren für die Tour die belgischen Max Pie gebucht, die sich bereits landauf, landab so einige Sporen verdienen konnten. Obendrein stand als dritte Band noch Hell City auf dem Zettel, deren Name mir zwar aus dem Internet ansatzweise bekannt war, die ich jedoch noch nie live gesehen hatte. Die Gerüchteküche ließ vermuten, dass es ein gut besuchtes Event werden würde und ein Freitagabend eignet sich ja immer bestens für eine gute Wochenend-Auftakt-Show. Außerdem musste bei dem denkwürdigen Datum 11.11.11 da auch ein denkwürdiger Abend draus werden!
Hell City
Recht pünktlich gingen dann auch die Lichter aus und das Quintett von Hell City aus dem benachbarten Bilzen (B) enterte unter Applaus die Bühne, das heißt, erst kamen die vier Jungs, nahmen ihre Plätze ein und am Schluss sprang Sängerin Michelle Nivelle ans Mikro und rockte direkt los. Offensichtlich waren gerade die vorderen Reihen mit Freunden oder Bekannten besetzt, denn da war richtig Stimmung in der Bude - und die schlug schnell auf den Rest des bereits gut gefüllten Saals über. Das überschaubare Set von gerade mal sechs Songs zuzüglich Intro und Abgesang wurde sehr überzeugend rübergebracht und machte das, wozu es da war: anheizen. Die Stücke sind eine gefühlte Mischung aus Metal und klassischem Hardrock mit all seinen Einflüssen.
Augenweide Michelle kann nicht nur gut aussehen, sie versteht es auch, ihre klare und gut modellierte Stimme punktgenau einzusetzen. Vielleicht wäre noch an der einen oder anderen Stelle ein kleines Aufpeitschen des Publikums mit direkter Ansprache (oder besser direktem Anschreien) angesagt, so oder so ähnlich lautete die einhellige Meinung im Fachkreise. Jeder von uns könnte sich diesen Feger als wilden Derwisch am Mikro vorstellen, she's got the voice, she's got the looks. Und neben dem Gesang stimmen die restlichen Komponenten der Musik Hell Citys auch vollkommen, zwei dominante Gitarren, die im ständigen Wechsel mit einer hämmernden Rhythmusfraktion erfolgreich um die Gunst des Publikums kämpfen. Für den Musikliebhaber im grenznahen Raum sei an dieser Stelle die Empfehlung ausgesprochen, ruhig mal den alten Schlagbaum zu passieren und sich einen Gig der Truppe anzusehen, das macht richtig Spaß.
Line-up:
Michelle Nivelle (vocals)
Ward Achten (bass)
Vincent Noben (lead guitar)
Alan Coenegrachts (guitar)
Tommy Goffin (drums)
(Setlist siehe Foto)
Max Pie
Als nächstes standen die Herren von Max Pie auf der Liste und es schien, als sei die Umbaupause gerade einmal fünf Minuten lang, oder kurz gewesen. Kaum Zeit für ein Bier und ein Schwätzchen vor der Tür - auch in Belgien 'mag je binnen niet roken'. Die belgischen Lokalmatadore konnten noch mehr als ihre Vorgänger auf die Hilfe des Publikums zählen, denn gefühlt kannte aber auch jeder einzelne Besucher das Quartett aus dem benachbarten Königreich. So wird es dem Shouter Tony auch leicht gemacht, mit dem Publikum persönlichen Kontakt aufzunehmen. Begeistert hat mich an diesem Abend seine Stimme, die das ebenfalls kurze Set wirklich klasse rübergebracht hat.
Auch Max Pie bedienen sich im großen Topf des Metal/Prog-Metal und haben die Ergebnisse ihres Schaffens unlängst in Silber gebrannt. "Initial Process" heißt das Werk und wird demnächst hier auf RockTimes einer eingehenden Untersuchung standhalten dürfen. Mit der neuen Scheibe im Hintergrund spielten sie dann auch ausschließlich Songs von eben dieser. Mein Favorit war dabei der Opener des Sets, "When You're Gone", mit herrlichen Gitarrenläufen und einem Sound, der dem fast orchestralen Klang der CD auch live sehr gut nachempfunden war. Apropos Sound, der stimmte wirklich an diesem Abend, auch bei den anderen Bands, und die große, breite Bühne bot ausreichend Platz, um mit mehr als nur zehn Figuren bequem in der ersten Reihe stehen zu können. Mit den Herren Tony, Oli, Mike und Dom wurde dann auch der letzte vor der Türe hadernde Gast in die Halle gelockt und mit angeproggtem Metal versorgt. Es wurde Zeit für den Top Act des Abends.
Line-up:
Tony (vocals)
Mike (guitar)
Oli (bass)
Dom (drums)
Setlist:
When You're Gone
Lords Of Darkness
Formatted Mind
Like A September Day
A Soldier's Dead
Come To My Grave
Crawlin'
Evergrey
Die Tour war ja von Beginn an als denkbar kurze Geschichte geplant und die räumliche Nähe der einzelnen Locations zueinander gestattete es somit einigen Besuchern, mehrere Gigs innerhalb weniger Tage zu genießen. Daher wunderte es mich wenig, dass die Erzählungen von den beiden Abenden zuvor in aller Munde oder Ohren waren. Toll soll es gewesen sein, richtig guter Sound und die Schweden in Höchstform hieß es, klasse Licht, blau und weiß mit viel Nebel. Gute Setlist mit einigen neuen Songs, aber auch alte Kracher - das ließ auf Gutes hoffen. Wie schon bei den beiden zuvor aufspielenden Bands, war die Zeit der Bühnenvorbereitung für die schwedischen Dunkelmänner angenehm überschaubar und so mussten wir nicht lange ausharren, bis dann die Licht- und Tontechniker ihren Einsatz bekamen. Wie erwartet wurde es düster, kaltes Licht und viel Trockeneis - während fast des kompletten Auftritts. Gitarre,
Bass, Keyboards und Schlagzeug waren schon besetzt, als dann endlich Tom Englund seinen Platz am Mikro einnahm und sich die Gitarre umschnallte.
Direkt der Opener "Leave It Behind Us" war ein erstes Highlight. Es ist ja manchmal nicht so ganz einfach, wenn Musiker gleich mit einem ganz neuen Song aufwarten und eine Show damit eröffnen, aber dieser Titel von der "Glorious Collision" kam sofort genau da an, wo er hin sollte. Der Saal kochte gefühlt binnen Sekunden. Stimmlich voll auf der Höhe (und wer Toms Organ von den Platten her kennt, weiß genau, wie wichtig es ist, dass eben dieses perfekt rüberkommt) hatte Englund das Volk sofort auf seiner Seite. Wenn diese Qualität gehalten werden würde, gäbe es absolut nicht den Hauch einer Kritik. Und, nehmen wir das Fazit mal vorweg, es gab wahrlich keinen Grund zur Klage. Marcus Jidell an der zweiten Gitarre, besser gesagt, zweiter Gitarrist im Bunde an
der ersten Gitarre, war sich wohl bewusst, was die Fans hören und sehen wollten und er hämmerte die Riffs runter oder ließ sich zu manch tollem Solo hinreißen. Sehr beeindruckend war auch die Menge während der Show geleerter Duvel-Gläser - für den Unkundigen, es handelt sich um belgisches Bier mit einigen Umdrehungen mehr, als das sonst gern getrunkene Jupiler.
Die Reihe der dargebotenen Songs düsteren, melodischen Metals stellte sich aus unterschiedlichen Schaffensphasen der Band zusammen. So hörten wir neben dem brandneuen "Leave It Behind Us" auch "Wrong" und "Frozen" von der aktuellen Scheibe, die alle sehr gut ankamen. Sehr schön war Englunds Ansage zu "Different Worlds", das sie zuvor erst drei Mal live gespielt hatten - und wobei er seinen Part »...fucked it up every single time.« Der Song wird getragen von leichter Keyboard-Untermalung und ansonsten ausschließlich klarem, hohem Gesang, bevor dann nach
rund vier Minuten Jidell mit einer Slide-Einlage einsteigt und der Rest der Band ebenfalls dazukommt. Und wie schon zuvor wird weder mit Nebel noch mit blauen Spots gespart. Im Gegensatz zu den Shows an den Tagen zuvor hatte man noch zwei Songs draufgepackt, da der Band die ganze Angelegenheit zu kurz erschienen war und so kamen
wir noch in den Genuss von einem großartigen "Blinded" mit dem üblichen Synthi-Intro, bevor das harte Riff die Magengrube in Wallung versetzte. Auch das fantastisch düstere "Monday Morning Apocalypse" wäre uns ansonsten wohl entgangen.
Bevor uns die Band dann mit "A Touch Of Blessing" in die anschließende Party entließ, gab Marcus Jidell, erneut in Nebel und blau-weißes Licht gehüllt, ein sphärisches Solo auf seinen sechs Saiten zum Besten, nur gegen Ende etwas von Drummer Hannes van Dahl, Bassist Johan Niemann und dem Keyboarder Rikard Zander unterstützt. Der Song selber lud noch ein letztes Mal zum Klatschen und Mitsingen ein - großes Kino! Alle fünf Schweden ließen nicht eine Minute Zweifel daran aufkommen, dass sie wegen der Musik und der Fans gekommen waren und wurden auch im Anschluss an die gut zwei Stunden Show nicht müde, noch lange unter den Anwesenden zu bleiben. Fotos, Autogramme, Duvel, Jack Daniel's, noch ein Duvel, noch mehr Fotos…und vor allen Dingen viel Spaß.
Ein wirklich großartig organisierter Abend mit äußerst angenehmem Publikum und viel guter Musik ist für mich als Fazit dieser Veranstaltung zurückgeblieben. Es hat sich mal wieder mehr als gelohnt, über die Grenze zu schauen. Herzlichen Dank an Attack-Events für die unkomplizierte Akkreditierung und die freundschaftlich-familiäre Aufnahme. Tot ziens.
Line-up:
Tom Englund (vocals, guitar)
Rikard Zander (keyboard)
Marcus Jidell (guitar)
Johan Niemann (bass)
Hannes Van Dahl (drums)
(Setlist siehe Foto)
Bilder vom Konzert
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