Ich ärgere mich in zunehmenden Maße darüber, was uns in Beipackzetteln inzwischen alles als "progressiv" angedreht wird. Da heißt es, dass
Eyefear australische Power-Progressive-Metaller sind. Nun, das sind sie genauso wenig wie
Cloudscape,
Neverland,
Vanishing Point und andere Formationen.
Eyefear spielen auf ihrem dritten Studio-Album einen blitzblanken Melodic Power Metal und bieten nur an einigen Stellen leichte Progressivität. Deswegen ist die Platte von Beginn an leicht konsumierbar. Vergleiche mit
Queensryche und
Fates Warning lehne ich ab, auch wenn uns das so angeboten wird. Nun wollen wir aber die Platte nicht schlecht reden, ich wäre nur dankbar, wenn mit solchen Trademarks etwas sparsamer umgegangen werden würde. So etwas birgt Gefahren in sich, denn in Progkreisen würde es für das neueste Werk von
Eyefear einen Verriss geben, der seines gleichen sucht.
Anders verhält es sich im Genre, welches ich der Band gerne zuschreibe. Denn Gott sei Dank hat uns das Label noch dazu geschrieben, dass Eyefear sich nicht im Elfenbeinturm des Prog versteigen wollen, sondern viel mehr ihr Hauptaugenmerk auf gute Songs und eingängige Melodielinien legen. Alles andere würde dem auch nicht gerecht werden. Denn auch in der Produktion waren namhafte Leute tätig. Da hätten wir z.B. Andy LaRocque (King Diamond).
Songtechnisch hören wir von Beginn an schneidende Gitarren und dahinter gelegte Synthie-Teppiche. Im Eröffnungstrack "Searching For Forgiveness" wurden zudem recht anständige und geschmackvolle, ruhige Pianoparts eingebaut. Aber auch symphonische, atmosphärische und andächtige Tastenläufe sind auf dieser Scheibe zu hören. "Lost Within" lässt in der Tat einige Vergleiche mit den großen Metal-Ikonen von
Iron Maiden zu. Sänger
Danny Cecati hat ohne Frage eine gute und passende Stimme, lässt aber den Charme eines
Bruce Dickinson vermissen. Der Song lebt von seinen drückenden und treibenden Drums.
Die quirligen und flinken Rhythmusläufe in "The Eyes Tell No Lies" klingen überaus interessant. Sie sind nett und eingängig, im Gesamten allerdings 08/15, obwohl man sich in einen melodischen Power-Metal steigert, der an die Fuldaer von
Edguy erinnert.
Eyefear haben ohrenscheinlich Spaß an ihren eigenen Stücken, allerdings kopieren sie auch so ziemlich jeden Gitarrenriff, garnieren diesen mit ein paar Pianoläufen und das war es dann auch schon. Durchaus solide, viel hängen bleibt dabei nicht.
Man mag es kaum glauben, aber Höhepunkt dieses Albums ist "Haunted Memories". Melodischer Einfallsreichtum beseitigt so manche metallische Tristesse. Das geht ins Ohr und zaubert ein kleines Lächeln ins Gesicht. Anspruchsvolle Takte und dazwischen ein Melodic-Rock/AOR, der die gesamte Komposition schlüssig wirken lässt. Und diesen positiven Eindruck zieht die Band auch in die Folgenummer "Breath Again" mit. Hier trauen sich die Australier etwas und das kommt bei mir dann auch gut an.
Das Fazit hatte ich ja schon vorweg genommen. Wenige progressive Einflüsse im letzten Teil des Albums rechtfertigen sicher nicht die Stilbeschreibung "Progressive Metal", aber ansonsten ist "A World Full Of Grey" für die melodisch veranlagte Metal-Fraktion mindestens eine gute Ergänzung.