Eyevory / Euphobia
Euphobia Spielzeit: 54:50
Medium: CD
Label: Artist Station, 2013
Stil: Prog Rock

Review vom 10.06.2013


Boris Theobald
'Euphorisch' ob der Fülle an guten Melodien, aber eine 'Phobie' davor, in allzu seichten musikalischen Gewässern zu schippern? Mit dem Namen ihres Premierenalbums "Euphobia" lässt sich nach Belieben wortspielen - so, wie Eyevory aus Bremen mit stilistischen Schubladen spielen. Sie nehmen sie nicht so ernst. Und das ist auch gut so und macht sie fluffig-frei, so wie man auch beim Hören recht schnell all zu steif festgelegte Erwartungen loslässt. Die Verbindung aus Prog und Pop wird im Zusammenhang mit der Band oft betont, vor allem von Eyevory selbst. Und das trifft auch ziemlich gut zu, allerdings längst nicht so langweilig und abgedroschen, wie das klingen mag. Eyevory sind poppig-eingängig, aber trotzdem technisch anspruchsvoll unterwegs und spicken ihre Songs gerade dann, bevor sie aalglatt zu werden drohen, mit wohltuenden Wechseln, ein paar rhythmischen Ecken und dramat(urg)ischen Kanten.
Eyevory, das sind zwei Damen und zwei Herren. Jana Frank und Kaja Fischer sind beide für die Lead Vocals zuständig, wechseln einander in manchem Song auch ab und begleiten einander nicht zuletzt mit sehr schön arrangierten Backing Vocals. Jana steckt zudem als Songschreiberin hinter den meisten Songs, dicht gefolgt von Gitarrist und Keyboarder David Merz. Sascha Barasa Suso sorgt allein am Drumset schon für viel zu viel Abwechslung und durchdachte, rhythmisch angespitzte Drives, als dass die Band nur im Ansatz als bloße 'Pop'-Nummer wahrgenommen werden könnte. Und dass zu Kaja Fischers Tätigkeitsprofil auch noch die Querflöte zählt, ist das letzte, unmissverständliche akustische Signal, dass Eyevory sich im Prog-Bereich tummeln.
Genauer gesagt bringt der Querflötenklang den Vibe der großen Pioniere der 70er mit ins Spiel - aber gar nicht retro klingend, sondern blitzsauber up-to-date produziert. Effekte und Loops bannen auch die letzte Gefahr des 'Verstaubten'. Ein schönes Beispiel dafür ist gleich der Opener "Sacrifice", der neben starken, binnen Sekunden zündenden Chorus-Melodien auch besonderen Wert auf Technisches legt, um gleich zu zeigen, was man kann und was man will. Schon im Intro präsentieren sich Gitarre und Querflöte melodisch eng miteinander verwoben und über einem dynamischen, prog-metallischen Drive. Der spätere Instrumentalpart wechselt auch mal gleich das Tempo und kommt mit ein paar kleinen, aber spannenden Duellen und Duetten daher. Alles nicht zu episch, sondern kompakt und songdienlich, ohne aber nur 'pseudo' zu sein.
Der edel arrangierte Pop-Appeal mit Frauenstimmen bei "I Trust In You" erinnert melodisch entfesselt und leichtfüßig schwebend an die Bangles, hat aber auch immer wieder etwas vom leicht geheimnisvollen Atmo-Prog à la Saga. "Monster" und "Black Bird" zitieren in Sachen Gitarrenarbeit und verträumt-verhallten Klangeffekten 80er-Jahre-Rush zu Zeiten von "Power Windows" und "Hold Your Fire". Die kraftmeiernden Akzente zu Beginn von "Monster" und den Beinahe-Rap im weiteren Verlauf könnte man zusätzlich als Verneigung an "2112" bzw. "Roll The Bones" verstehen. Ohne die klanglichen und stilistischen Ahnenbeziehungen zu weit treiben zu wollen ... aber eines fehlt mir dann eben doch: Wenn man schon in solch detailverliebten Prog-Gefilden wildert, dann dürfte der Bass ein paar mehr Akzente setzen - da ist noch Potenzial. Zum Ausgleich hat man aber 'was eigenes': Der Instrumentalpart in "Black Bird" zeigt, dass eine Querflöte nicht nur lieblich, sondern auch wild und energiegeladen klingen kann.
Mit Songs wie den lyrisch-wehmütigen "Torn" und "On My Way To Bliss", die auf faszinierende Weise doch irgendwie keine Balladen sind, auf der einen und der Prog-Party mit Synthie-Hook namens "Good Times Are Now" (ein bisschen was von Arena) auf der anderen Seite stellen Eyevory ihre große Wechselwilligkeit unter Beweis. Außer vielleicht dem etwas zu glatten und uninspirierten "In My Dream" sind dann auch keine Schwachpunkte auf dem Album auszumachen - stattdessen mit dem langen Endstück "Requiem Aeternam" noch ein aufwändiges Schmankerl von Musikern für Musiker inklusive Überraschungseffekten. Der Falco-like gerappte Anfangspart erstaunt beim ersten und überzeugt beim zweiten Hinhören. Bis zu einer vokalen Schluss-Reprise gibt es dann minutenlang instrumentale Prog-Vertracktheiten auf die Ohren. Sowohl in idyllischen als auch in dramatischen Momenten springen ein paar schöne Hinhörer dabei ab.
Als Bonus fahren Eyevory noch einen Coversong auf, mit dem sie - fast könnte man sagen: passend zum Konzept der Band - beweisen, dass in Pop-Melodien mehr Potenzial schlummert, als für das Massenpublikum oft rausgeholt wird. Ihre Version des schwedischen 2012-Gewinners beim Eurovision Song Contest, "Euphoria", ist nicht schlecht ... aber nach der Speed Metal-Variante von ReinXeed wohl nur die zweitbeste Interpretation bislang. Doch dieses Stück Fremdmaterial ist ohnehin nur ein Spaß, den man sich einfach gegönnt hat - vielleicht weil "Euphoria" so stark nach "Euphobia" klang? Mit den eigenen Songs können Eyevory nach der bereits gelungenen EP
The True Bequest ein gelungenes erstes Album vorlegen - gute Songs, starke Melodien, handwerklich interessant und nicht zuletzt auch exzellent produziert. Anspieltipps sind "Sacrifice" und "On My Way To Bliss" - wer die beiden gehört hat, wird diese Band auf dem Schirm haben!
Line-up:
Jana Frank (lead vocals, backing vocals, bass)
Kaja Fischer (lead vocals, backing vocals, flute, piano - #7,10)
David Merz (guitars, synthesizer, programming, piano - #4,7,10)
Sascha Barasa Suso (drums, percussion - #6,8, electronic percussion - #5, vibraphone - #2, xylophone - #8, beatboxing - #7, backing vocals - #2)

Guest musician:
Immo Blumhoff (violin - #8)
Tracklist
01:Sacrifice (4:19)
02:I Trust In You (5:14)
03:Monster (5:11)
04:On My Way To Bliss (3:31)
05:Black Bird (5:25)
06:In My Dream (5:03)
07:Torn (4:05)
08:1001 Nights (5:00)
09:Good Times Are Now (4:27)
10:Requiem Aeternam (9:10)
11:Euphoria (3:24)
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