Menschen, bzw. Ausnahme-Musiker wie Keith Emerson oder Glenn Hughes braucht man dem geneigten Rock-Liebhaber mit einem Faible für die siebziger Jahre nicht mehr vorzustellen, die gehören einfach zum Grundwissen dazu. Und selbst wenn Emerson, Lake & Palmer ( ELP) auch noch nie so richtig 'mein Ding' waren, so habe ich aus musikalischer Sicht schon immer meinen Hut vor ihnen gezogen. Glenn Hughes war da schon mehr mein Fall. Drei wirklich großartige Alben mit Trapeze, dann der nächste Karriere-Schritt mit dem Einstieg bei Deep Purple (1973), bevor er sich nach deren Trennung trotz einiger Solo-Alben für gute zehn Jahre in den Urlaub und seine 'ganz eigene Welt' begab.
Aber beim dritten, groß auf dem Cover dieser CD auftauchenden, Namen habe ich dann schon große Augen gemacht, denn der Gitarrist Marc Bonilla war mir bisher überhaupt noch gar nicht zwischen die Finger, bzw. in den CD-Schacht gekommen. Dennoch war die Spannung groß, als ich den ersten Hördurchlauf begann. Es handelt sich um ein Konzert, das in Kalifornien im Jahr 1998 aufgezeichnet wurde und bisher nur für kurze Zeit über Keith Emersons Homepage zu erwerben war. Die weiteren Musiker bestanden aus Bonillas damaliger Band, sodass bezüglich der Rhythmus-Abteilung (Hughes beschränkte sich lediglich auf den Gesang) schon mal ein blindes Verständnis vorgegeben war.
Wie sich später noch deutlich herausstellen sollte, ist das Album in Blöcke eingeteilt, bei denen jeder der drei (Haupt-) Protagonisten ganz für sich dick auftrumpfen darf. Der Anfang, die ersten beiden Tracks "Afterburner" und "Long Journey Home" gehören ganz klar Marc Bonilla. Beide sind Instrumentals, könnten aber unterschiedlicher kaum sein. Während "Afterburner" kräftiger rockend nach vorne geht und Bonilla mit einem technisch wie auch sehr gefühlvollen Stilmix aus Rock, Heavy-Einlagen und gar Jazzigem zu überzeugen weiß, ist die Folgenummer (unter Mithilfe von Emerson) sehr getragen, atmosphärisch und melancholisch. Die Gitarre schluchzt und windet sich mit lang gezogenen Noten durch den Song und versiegt schließlich wie ein sterbender, weißer Schwan. Bonilla schafft es, bereits auf diesen ersten beiden Tracks zu beeindrucken.
Song Nummer drei nimmt Gestalt an. Nein, immer noch nichts von Glenn Hughes zu sehen, immer noch kein Gesang. Vielmehr hat hier Keith Emerson seinen ersten großen Auftritt mit der alten ELP-Nummer "Hoedown" vom Album "Trilogy" (1972) und nimmt, ganz und gar nicht verlegen, das Spotlight ein, während er eine starke Version des Titels in die Tasten hämmert. Aha, nun also doch: Zu den ersten, noch zaghaften Akkorden von Procol Harums "A Whiter Shade Of Pale" betritt Glenn Hughes die Bühne und reißt das Publikum in Nullkommanix mit.
Bezüglich Intensität und Atmosphäre wird die Original-Version dieses Gassenhauers wohl für immer und ewig die beste bleiben. Aber Glenn Hughes kommt mit seiner Fassung verdammt nahe dran. Dieser Stimmumfang und der Soul des Engländers lassen nach wie vor den allermeisten Konkurrenten die Nackenhaare aufrecht stehen. "White Noise" ist ein weiteres Instrumental, bei dem sich Emerson und Bonilla vortrefflich duellieren. Glenn Hughes kommt für das rockige, von ihm und Bonilla verfasste "Cover Me" zurück, bevor man so langsam in die Zielkurve, bzw. den Höhepunkt einbiegt.
Was soll man zu "Nutrocker" noch groß sagen? War immer schon geil, war auf diesem Konzert 1998 geil, ist heute noch geil und wird es wohl auch immer bleiben. Vergleiche zu der Original-Version spare ich mir hier mal, da müßig. Und auch wenn sowohl Glenn Hughes als auch Marc Bonilla großartige Beiträge zu "Tarkus" abliefern, so befinden wir uns bei diesem Song selbstverständlich und ohne einen Anflug von Zweifeln im Keith Emerson-Land. Zirka 20 Minuten Vollbedienung der besonderen Tasten-Art.
Eine kleine Überraschung ist das Allman Brothers Band-Cover "Dreams". Überraschend vor allem deshalb, da sich die Gitarre entgegen der Original-Version doch stark zurückhält und dem Keyboard und Gesang den Vorzug lässt. Hughes überzeugt einmal mehr und auch Emerson lässt nichts anbrennen. Gegenüber dem Original zwar nicht ganz so überzeugend, aber Respekt erfordert es aufgrund der starken Individualisten allemal. Abgeschlossen wird "Live From California" von einem Studio-Song, der exquisit für diese Tour 1998 eingespielt wurde und ebenfalls überzeugen kann.
Dieses Album hat Power, Feeling, technische Brillanz und außerdem die erwartet guten Songs aufzuweisen. Knapp 70 Minuten, die pulsieren, nie langweilig werden und mich dann doch wieder auf die alten ELP-Scheiben sowie die musikalische Vergangenheit und Gegenwart von Marc Bonilla neugierig gemacht haben. Tolle Sache!
Line-up:
Keith Emerson (keyboards)
Marc Bonilla (guitars)
Glenn Hughes (vocals)
Mike Wallace (guitars)
Bob Birch (bass)
Mick Mahan (bass)
Ed Roth (keyboards)
Joe Travers (drums)
Tracklist |
01:Afterburner
02:Long Journey Home
03:Hoedown
04:A Whiter Shade Of Pale
05:White Noise
06:Cover Me
07:Nutrocker
08:Tarkus
09:Dreams
10:Middle Of A Dream
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