Fair Warning
Neues Album, neues Label und die Sache mit den Hits
Fair Warning, einer der anerkanntesten deutschen Melodic Rock-Acts der 90er Jahre haben sich reformiert und mit Brother's Keeper ein neues Album eingespielt.
RockTimes sprach mit Gitarrist Helge Engelke über die Hintergründe der Reunion und über geplante Aktivitäten.
RockTimes: Hallo Helge, vielen Dank, dass du dir Zeit für unser Magazin nimmst. Wir freuen uns, dass es Fair Warning wieder gibt. Wie kam es dazu? Immerhin liefen mit Soul Doctor und Dreamtide ganz gute Projekte.
Helge: Fair Warning wurde im Jahr 2000 auf Eis gelegtn weil Tommy stylistisch etwas anderes machen wollte. Tommy teilte uns seine Entscheidung während der Produktion von "Four" mit. Er benutzte die Worte: »Nach dieser Platte soll es das für mich mit Fair Warning erstmal gewesen sein«. Es gab keinen Streit und auch kein 'Nie wieder'. Ich glaube, allen war klar, dass da keine Türen für ewig zugeschlagen wurden. Dazu sind Tommy, CC, Ule und ich über die Jahre immer in Kontakt geblieben. Wir haben viel telefoniert, uns gegenseitig geholfen und auch gemeinsame Dinge unternommen. Nur eben nicht Fair Warning. Auf der persönlichen Ebene hatten wir sowieso nie Probleme. Musikalisch waren wir uns öfter uneinig. Fair Warnings 'Ende' im Jahr 2000 war also keine Trennung wie man sich das typischerweise vorstellt.
2005 bekam Tommy Anfragen seitens seiner Plattenfirma, ob er interressiert sei, ein Solo-Projekt im Fair Warning-Stil zu machen. Mit dabei sollten Fair Warning-Mitglieder sein. Wir haben darüber alle kurz nachgedacht und beschlossen, so etwas nicht zu machen. Das wäre ja so eine Art 'Fair Warning light' geworden. Also haben wir uns gesagt: »Nee, nee, entweder ganz oder gar nicht«.
Zur Gelassenheit bezüglich Fair Warning trägt sicherlich auch bei, dass sowohl Soul Doctor als auch Dreamtide weiter existieren. Selbst wenn Beides auch nur 'ganz gut' ist.
RockTimes: Hat Fair Warning für alle Bandmitglieder nun wieder absolute Priorität oder wird an den zwischenzeitlichen Projekten weiter gearbeitet?
Helge: Während der Aufnahmen zu "Brother's Keeper" hatte natürlich Fair Warning absolute Priorität. Anders wäre es auch zeitlich gar nicht gegangen. Demnächst werden wir nun touren und auch da wird 100% der Zeit dafür aufgewendet. Danach werde ich mich der nächsten Dreamtide-CD widmen. Tommy hat, so weit ich weiß, auch weitere Pläne für Soul Doctor.
Alles danach liegt im Bereich der Wahrsagerei, und das ist ja ein eher unsicheres Thema.
RockTimes: Ihr habt das neue Songmaterial, wie ich gelesen habe, in ziemlicher Abgeschiedenheit erarbeitet. Habt ihr diese Zeit auch genutzt, um wieder mehr zueinander zu finden? Wurden die alten Zeiten aufgearbeitet?
Helge: Gruppendynamik ist ja immer eine schwierige Sache. Wie gesagt, wir wollten alles richtig machen. So haben wir uns dann daran orientiert, was auch bei Anderen super funktioniert hat.
Wir haben also nicht nur einen sondern gleich vier Psychologen engagiert, für jedes Bandmitglied einen. Die haben wir dann eingesperrt und denen das Diskutieren, Streiten und Aufarbeiten der Vergangenheit überlassen. Am Ende haben die Psychologen sich dann geprügelt. War okay, die wurden ja schließlich dafür bezahlt.
Nein alles Quatsch. 'Zueinander finden' war nicht nötig.
RockTimes: Wir hoffen, dass das neue Album "Brother's Keeper" nicht nur eine einmalige Sache ist. Wie sind eure Planungen und wo wollt ihr mit Fair Warning noch hin? Was sind die abgesteckten Ziele?
Helge: Im Moment bereiten wir Auftritte vor und wollen mal sehen wohin uns das führt.
RockTimes: Ich denke, es ist klar, dass sich jeder Musiker über Jahre hinweg verändert. Worin liegt der wesentliche Unterschied zwischen Fair Warning von damals und heute im Jahr 2006?
Helge: Wesentliche Unterschiede gibt es keine. Auffällige Wesensänderungen sind bei Keinem zu beobachten. Sicherlich haben sich die Meisten weiterentwickelt, was man auf "Brother's Keeper" meiner Meinung nach deutlich hören kann.
RockTimes: Mir ist beim Anhören eures neuen Albums aufgefallen, dass sich die Stücke für meine Begriffe wirklich allesamt auf einem guten und hohen Niveau befinden. Es gibt für mich so gut wie keine Ausfälle. Wer zeichnet im Jahr 2006 für das Songwriting in der Hauptsache verantwortlich? Hat sich das Komponieren von Songs bei Fair Warning über die Jahre hinweg verändert?
Helge: 11 der Songs hat Ule geschrieben, 2 ich. Verändert hat sich an unserer Arbeitsweise nichts.
RockTimes: Andy Malecek ist nicht mehr bei Fair Warning. Ist die Zusammenarbeit dauerhaft beendet? Möchte er sich nur noch um Last Autumns Dream kümmern? Was sind die Gründe, dass er nicht mehr dabei ist?
Helge: Am Anfang sagte ich, dass die heutigen vier Musiker immer in Kontakt geblieben waren. Nicht so Andy. Nach seinem Ausstieg im Frühjahr 2000 haben wir kaum etwas von ihm gehört. Das heißt CC, Ule und ich überhaupt nichts und Tommy wenig.
RockTimes: : "Brother's Keeper" ist eine klasse Produktion geworden und hat einen wirklich knackigen Sound. Wie habt ihr das so toll hinbekommen?
Helge: Danke. Lange schrauben, feilen, drehen und immer wieder versuchen das Bestmögliche zu erreichen.
RockTimes: Ich finde, dass die gespielten Gitarrenriffs jetzt wieder mehr in Richtung eures Debüts aus dem Jahr 1991 gehen. Nicht mehr ganz so seicht, wenn ich ehrlich bin. Täuscht mich das oder war das so gewollt?
Helge: Da kann ich nun nicht mit. Ich empfinde das Debüt als eher seicht.
RockTimes: Der Gitarrensound ist auf der Platte sehr druckvoll und satt. Werdet ihr für eure Live-Auftritte einen zweiten Gitarristen verpflichten? Wird es ein fünftes Bandmitglied geben?
Helge: Live werden wir zu sechst spielen. An den Keyboards wird, wie immer, Torsten Lüderwaldt zu finden sein, und die zweite Gitarre wird, das ist neu, Peter Jordan bedienen. Ein fünftes Bandmitglied wird es nicht geben.
RockTimes: Eure erste Single-Auskoppelung "Don't Keep Me Waiting" hat in Japan wieder unheimlichen Erfolg. Wie erklärst du dir, dass Fair Warning gerade in diesem Land so gut ankommt? Hat man euch dort in den vergangenen Jahren überhaupt nicht vergessen?
Helge: Erklären kann ich das tatsächlich nicht. Wir waren im Juni auf Promo-Tour in Japan, zuerst natürlich sehr neugierig, was uns erwarten würde und am Ende sehr überrascht über die nach wie vor sehr große und positive Resonanz.
RockTimes: Ihr werdet voraussichtlich am 01.10.06 beim 'United Forces Of Rock-Festival' in der Rockfabrik in Ludwigsburg auftreten. Was können wir erwarten? Werdet ihr auch ältere Songs von euch spielen?
Helge: Wir werden einen Querschnitt aus allen Fair Warning CDs präsentieren.
RockTimes: Für wann ist eine Deutschland-Tour geplant? Gibt es schon Gedankenspiele, wen ihr mit auf Tour nehmt, oder werdet ihr zunächst mit einem größeren Act spielen, um so wieder voll in die Szene einzutauchen?
Helge: Gedankenspiele gibt es einige, auch konkretere Planungen. 100 % sicher sind bisher eine Japan-Tour im Oktober, 'United Forces' und ein Festival in England.
RockTimes: Ihr seid mit eurem Plattendeal nun bei Frontiers Records gelandet. Die Jungs von Toto ebenfalls. Die sind froh darüber, weil sie nun nicht mehr den Zwang und Druck verspüren, unbedingt einen Hit zu schreiben. Sondern sie können dort endlich das abliefern, worauf sie besonders Lust haben und hinter dem sie musikalisch auch voll stehen. Ist das bei euch ähnlich? Habt ihr im Gegensatz zu früher nun mehr Freiheiten?
Helge: Ist das so?!??
Wenn man bei Frontiers ist um keine Hits zu schreiben, finde ich das eher bedenklich. Plattenfirmen, die keine Hits wollen, gibt es meines Wissens nicht.
Bei Frontiers verhält sich das, glaube ich, so:
Die veröffentlichen Sachen, von denen sie meinen, das sie in ihr Raster passen. In unserem Falle ist das Melodic Rock. Ein Begriff mit dem ich persönlich nichts anfangen kann. Reingeredet hat uns seit der ersten CD keine Plattenfirma mehr.
RockTimes: Nochmals vielen Dank für das gute Gespräch. Wir drücken die Daumen und werden hoffentlich über euch noch eine Menge berichten können. In diesem Sinne....rock on..!
Helge: Danke auch.


Interview mit Helge Engelke
Ralf 'Jogi' Ruhenstroth, 19.08.2006