Father Golem / I/O
I/O Spielzeit: 54:45
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2012
Stil: Prog Metal

Review vom 11.04.2012


Boris Theobald
¡'Aquí tiene'! Hier ist die Bewerbungs-CD für die internationale Prog Metal-Bühne! Hat ein bisschen länger gedauert. Die Spanier von Father Golem haben in der Tat schon einen ziemlich langen Findungsprozess hinter sich. Die Gründung der Band aus Madrid geht ins Jahr 1999 zurück. Jahre lang gab es dem Vernehmen nach immer wieder Unsicherheiten, was die musikalische Ausrichtung der Band angeht. Es gab ein paar Alben und ein paar Besetzungswechsel. Ein wichtiger Meilenstein dürfte die Verstärkung durch Gitarrist Jani Pihlman 2008 gewesen sein. Im folgenden Jahr kamen auch ein neuer Basser/ Keyboarder und Drummer an Bord. Und mit "I/O" steht nun ein ordentlicher Rundling zu Buche, der zwar noch Luft nach oben lässt, aber doch einiges an Potenzial präsentiert, um der Band auch die nächsten Schritte zuzutrauen.
Der Fünfer macht einen modernen Progressive Metal, der schon von einer 'Generation' - wie lange auch immer man die bemessen sein mag - nach Fates Warning, Dream Theater & Co. geprägt ist. Es wird düster in erdigen Gefilden gerifft, und zwar schön verproggt mit zahlreichen gefälligen Wechseln. Die tiefen Tönen der Marke 'Skalpellarbeit per Bulldozer' werden geschickt konterkariert mit sehr melodischem, weit ausholendem Metalgesang (hat was von Pathosray) sowie atmosphärischen Gegenargumenten im introvertieren bis melancholischen Bereich (erinnert an Sun Caged). Wo besonders thrashig mit der kontrollierten Abrissbirne hantiert wird, klingt die Band auch schon mal nach Evergrey. Das ist zum Beispiel bei "Impact!" der Fall. Auch hier gehört die gekonnte 'Flucht' auf atmosphärische Inseln zum festen Programm.
Auf "I/O" beweist die Band durchweg ein feines Gefühl für Songarchitekturen. "Perfect Chaos" ist ein mutiger Start, denn der Song hat immerhin siebeneinhalb Minuten auf der Anzeige und verzichtet auf eine klassische Struktur aus klar erkennbaren Strophen und Refrains. Damit setzen Father Golem sich gleich mal von Genre-Größen wie Symphony X ab, die in letzter Zeit wieder eher zu eingängigen Strukturen tendierten. Die Spannungen werden lieber in weiten Bögen aufgebaut. Das folgende "Circle Of Light" setzt zwar auf eine Refrain-Struktur, verabschiedet sich dann aber nach fünf Minuten von allen Erwartbarkeiten auf eine fast vierminütige instrumentale Rundreise, bis am Ende nochmal ein 'kleines Finale' mit Gesang ansteht. Das ist das Strickmuster "Metropolis Pt. 1", wenngleich Dream Theater noch klar in einer anderen Liga spielen...
... aber mutig is es allemale. Und die Band setzt sich von den meisten Einflüssen immerhin dadurch ab, dass sie wenig auf Keyboards setzt, sondern sehr gitarrenlastig agiert. Jani Pihlman gibt den Weg vor, und der führt über melodiöse Soli und ansprechende Frickeleien. Am laufenden Band ändert sich die rhythmische, dynamische und atmosphärische Großwetterlage. Mancher Wechsel wirkt zu konstruiert; etwas öfter dürfte es so intuitiv und emotional passieren wie bei "Last Man On Earth", einem packenden und eindringlichen Stück über Wahn- und Unsinn des Krieges - vielleicht der epische Höhepunkt des Albums. Der Song hat ein regelrechtes Drehbuch, vom ruhigen Einstieg über einen dramatischen Chorus, einen introvertierten B-Part bis hin zu einem bedrohlichen Finale mit wütenden Sprechparts, die etwas an Andromeda erinnern. Hörenswert, wie die Band 'Unruhe' durch ständige Wechsel generiert - Kopf und Bauch arbeiten zusammen...
"Infrared" ist schnell als zweites Highlight des Albums ausgemacht. Das Thema der Lyrics ist ein ganz und gar anderes: Trennungsschmerz. Und Father Golems musikalische Studie dazu ist ein aufregendes Wechselspiel der Gefühle - im wahrsten Sinne des Wortes: Melancholie, Trotz, Wut. Passend dazu spult Jani Pihlman auch eine große Bandbreite an Gitarrensoli ab. Schön, wie die komplette Statik des Stücks in ständiger Bewegung ist, atmosphärisch wie rhythmisch. In sehnsuchtserfüllten musikalischen Momenten kommt auch das Keyboard punktuell zum gelungenen Einsatz, mit Klavier- und Streicherklängen. Es dauert aber nicht lange bis zum nächsten 'Gefühlsausbruch'. Großes Kino - erinnert stellenweise an eine Mischung aus Sun Caged und Redemption.
"I/O" hat also starke Momente. Zu den ganz 'Großen' fehlt aber noch etwas, eine stilistische Besonderheit, beispielsweise. Oder aber auch Gesang auf Weltklasse-Niveau - da klingt Dani Castro in den ganz hohen Regionen etwas zu 'übersteuert' (über die Aussprache-Defizite hier und da sei hinweggesehen). Insgesamt sind Father Golem so ein bisschen gefangen zwischen 'muss' und 'kann': Sie sind nicht spektakulär genug, um sich irgendjemandem aufzudrängen. Aber hat man sie erstmal im CD-Player am Rotieren, sind die interessant genug für weitere Hördurchgänge, auf denen es einiges zu entdecken gibt. Ich würde mir wünschen, das die Jungs mal einen interessanten Support-Slot ergattern und sich auch hierzulande präsentieren können. Wer also noch eine Prog-Band für unterwegs sucht: Einfach mal in "I/O" reinhören. ¡'Aquí tiene'!
Line-up:
Dani Castro (vocals)
Jani Pihlman (lead guitar)
Fernando Sanjuán (rhythm guitar)
Cheko (bass, keyboards)
Jouni Pihlman (drums, percussion)
Tracklist
01:Perfect Chaos (7:30)
02:Circle Of Light (9:50)
03:Sole Survivor (7:24)
04:Last Man On Earth (9:31)
05:Infrared (8:20)
The Evercycling Journey:
06:Trapped Among Gravity Fields (4:32)
07:Impact! (7:37)
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