Moderner, treibender, teils punkiger Rock erreicht uns dieser Tage aus Italien. Und mag jetzt auch der ein oder andere ob etwaiger, haarsträubender Englisch-Aussprache vielleicht schnell die Nase rümpfen, so kann ich gleich zu Beginn Entwarnung geben. Denn wäre einem das Heimatland von The Fire nicht bekannt, man würde ganz sicher nicht auf den Stiefel tippen.
Zu international ausgerichtet klingt das Quintett, als dass man auf eine spezielle Herkunft schließen könnte. Denn zum einen entstehen druckvolle, punkdurchzogene Rock-Sounds, wie man sie auf "Abracadabra" hört überall auf der Welt, zum anderen kann man dem höchst professionell agierenden Frontmann Olly keinerlei typischen Akzent nachweisen. Ein Riesenvorteil, den The Fire da für sich verbuchen können. Damit sollte einer internationalen Karriere nichts im Wege stehen.
Das kann man allerdings nicht nur am Gesang festmachen, denn auch die musikalische Untermalung stammt aus Profihand. Eingängige und höchst kurzweilige Arrangements haben die Mannen komponiert und auf Silberscheibe gebannt. Man findet hier alles, was das zeitgemäße Rockerherz begehrt: Druckvolle Powerchord-Refrains, unglaublich griffige Hooklines und energisches Drumming; auf der anderen Seite aber auch tiefe Emotionen und Zerbrechlichkeit. Gekrönt wird all das vom ausdrucksstarken Organ Ollys, der stellenweise auch mal in kurze Screams abdriften kann.
Alternative Rock müsste ich dazu jetzt eigentlich sagen, wenn der Begriff für mich denn nicht zu negativ behaftet wäre. The Fire haben mit den üblichen Schrammel-Rockern nämlich nichts gemein, sondern agieren weitaus energiegeladener bzw. druckvoller und klangtechnisch sauberer als so manche dieser Schraddel-Combos. Außerdem sind die traditionellen wie punkigen Einspritzer einfach zu groß - also sollte man hier von griffigem, modernem Rock-Sound sprechen.
"Abracadabra" ist übrigens das erste Album The Fires, das auch in Deutschland erscheint. Den Vorgänger "Lovedrive" (2006) konnte man hierzulande nicht erstehen, was die beiden Bonus-Tracks erklärt und legitimiert: "Emily" und "Small Town Boy" (letzteres ein Cover des alten Bronski Beat-Hits) sind nämlich die beiden Single-Auskopplungen vom 2006er Album, die auf "Abracadabra" jetzt einem breiten Publikum präsentiert werden. Genau diese Aufmerksamkeit haben sie unbedingt verdient, denn gerade "Emily" ist ein frischer, punkiger Rock-Song, der einem mächtig in die Beine sowie voll auf die Zwölf geht und dessen coole Rhythmus-Gitarren im Refrain Akzente setzen. Damit könnte man die Tanzflächen so mancher Disco im Sturm nehmen.
Die regulären Album-Tracks brauchen sich hinter den beiden Dreingaben allerdings keineswegs zu verstecken, sondern sind durch die Bank rockig-treibende Glanzlichter, die man irgendwo zwischen Breed 77 und geradlinigen Faith No More einordnen kann. Der Opener "Never" tönt, rein akustisch gehalten, ziemlich folkig aus den Boxen, nur um die Band beim darauf folgenden Titeltrack voll durchstarten zu lassen. Das coole Sinatra-Cover "New York, New York" verpasst dem Evergreen eine ordentlich rockende Frischzellenkur, und "Bohemian Burlesque" ist vielleicht der beste Song auf der Scheibe - in meinen Augen das Aushängeschild von The Fire, das die oben beschriebenen Sound-Merkmale vereint. Somit haben die Italiener also genügend ausdrucksstarke Nummern auf "Abracadabra" untergebracht. Sehr schön, das!
Doch damit nicht genug: Bei der intensiven Piano-Ballade "Sweet Enemy" werden die Gefühle plötzlich groß ausgepackt und die Tränendrüsen strapaziert, während "Yvonne" durch stampfende Rhythmen in den Strophen und treibende Rock-Sounds im Refrain besticht. "Lady Motorcycle" schließlich ist ein straighter Rock-Song mit viel Power und kurzen, aber effektiven Flageolett-Breaks im Refrain - geht sofort ins Ohr und macht Laune!
Insgesamt bieten The Fire auf "Abracadabra" einen nahezu perfekten Haufen an kompositorischer Finesse. Die Stücke passen einerseits definitiv in die heutige Zeit, biedern sich dabei andererseits aber keineswegs an. Schließlich setzt die klare, druckvolle Produktion das Ganze ins rechte Licht, so dass diese Dreiviertelstunde Rock zu einem echten Hörvergnügen wird. Logische Schlussfolgerung: Wer auf energetischen, ausdrucksstarken, vom Punk beeinflussten Rock steht, der muss bei The Fire zugreifen! Bellissimo!
Anspieltipps: "Never", "New York, New York", "Bohemian Burlesque", "Sweet Enemy", "Yvonne", "Lady Motorcycle", "Emily".
Anmerkung: Aktuell ist von The Fire übrigens auch die EP "Electro Cabaret" (2009) zu haben, die man direkt bei der Band ordern kann. Der Clou dabei: Man zahlt genau so viel, wie einem die Chose wert ist (ein Prinzip, das Radiohead vor einiger Zeit salonfähig machten). Also immer ran an den Speck, zumal der absolut geile, rhythmisch südländisch-traditionell ausgerichtete Titeltrack (in italienischer Sprache gesungen) Großes verspricht. Bei The Fire ist also noch lange nicht der Ofen aus, sondern auch in Zukunft mit einigem zu rechnen. Eine Band, die man unbedingt im Auge behalten sollte…
Line-up:
Olly (lead vox, guitar)
Lou Castagnaro (guitar)
Filippo Dallinferno (guitar and vox)
Pelo (bass)
Alecs (drums)
Tracklist |
01:Never (0:49)
02:Abracadabra (3:13)
03:Wasted (3:32)
04:New York, New York (3:01)
05:Bohemian Burlesque (3:38)
06:Sweet Enemy (4:02)
07:Scars (4:02)
08:Chevalier (3:15)
09:Yvonne (3:32)
10:Lady Motorcycle (3:03)
11:My Fenestration (3:10)
12:Walk! (3:17)
13:Emily [Bonus Track] (2:31)
14:Small Town Boy [Bonus Track] (3:56)
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