Schon unglaublich, in welch rauen Mengen Heavy Metal aus Italien exportiert wird. Wer ist hier nun eigentlich Export-Weltmeister? Unglaublich ist aber auch die hohe Qualität der Ausfuhren - auch Flashback Of Anger, ein 2003 begründetes Produkt norditalienischer Eisenverhüttung, passiert mit dem Debütalbum "Splinters Of Life" völlig mühelos die Qualitätskontrolle.
Unglaublich ist es auch, wie 'italienisch' die italienischen Bands doch immer wieder klingen. Flashback Of Anger lassen mit ihrem progressiv angehauchten, epischen Power Metal immer wieder Einflüsse von Landsleuten wie Rhapsody (Of Fire), Labyrinth oder Vision Divine erkennen. Oder auch Angra - die sind zwar keine Italiener, klangen aber schon immer so.
'Italienisch' heißt seeeeeeeehr melodieversessen - und im Falle des Sextetts aus Florenz sind es keine 08/15-Hymnen, sondern majestätische Gesangslinien, die sich raumgreifend entfalten. Und dazu gibt's einen Keyboard-verschnörkelten Heavy Metal in klassischem, leicht mit Hall versetzten Klang und den klaren hohen Gesang von Alessio Gori, der auch nicht so weit entfernt ist von Roberto Tiranti. Irgendwie italienisch, eben...
Die knapp 54 Minuten von "Splinters Of Life" entfalten sich wesentlich vieldimensionaler, als man es zunächst erwartet. Der Opener "All I Have" geht erst einmal voll auf die zwölf und könnte ein Mix aus Hammerfall und Stratovarius sein. Eine amtliche Up-Tempo-Hymne mit nordischem Flair - am Ende ist die Welt doch klein; aber die Italiener haben den Heavy Metal ja auch nicht erfunden! Doch schon ein mehr als einminütiger Solo-Part, in dem sich Gitarre und Keyboard einander in Hochgeschwindigkeitspräzision den Melodie-Staffelstab weiterreichen, zeugt von der gehobenen technischen Klasse dieser Band.
Schon das folgende "Time Can Answer" beweist mit epischeren, Prog-lastigeren Strukturen die kompositorische Vielfalt der Italiener. Sie spielen gekonnt mit Rhythmus, Tempo und Songstruktur, streuen atmosphärische Breaks ein und veredeln ihren technisch saustarken Metal ein ums andere Mal mit romantisch-virtuosen Klaviereinlagen oder sogar barocken Versatzstücken. Die Vorliebe für klassische Musik ist bei Metal-Bands ja nicht selten (mit 'Klassik' meine ich in dem Fall nicht nur die gleichnamige Epoche).
Ein besonderes Schmankerl gibt es beim verhältnismäßig langen Titeltrack "Splinters Of Life". Hier beweist Lead-Gitarrist Giulio Cercato sein außergewöhnliches Können mit einer akrobatischen Anlehnung an Rimski-Korsakows berühmten "Hummelflug", an dem sich Hammerfall und Manowars Joey DeMaio ja schon mal mit seinem Tieftöner zu schaffen machte ("Sting Of The Bumblebee").
Flashback Of Anger kriegen es hin, dass ihre kompromisslose Heaviness mit messerscharfen Staccato-Riffs und wohldosierten Double-Bass-Spritzern die traumhaften Melodien kein bisschen beeinträchtigt. Von Song zu Song wird auch noch richtig gut variiert: Mal gibt's Speed Metal, mal einen Galopp-Refrain oder einen Chorus in betont mittelschnellem Double-Bass-Drive, mal eine Powerballade und mit "Outer World" ein lyrisches, vom Klavier getragenes Interludium.
Und dieses leitet zugleich ein insgesamt komplexer gestaltetes Finale des Albums ein. "Back In The Nightmare" ist schon ziemlich Prog-lastig und hält mit einem Wechsel zwischen Gesangs- und Instrumentalpassagen die Spannung hoch. "Off With My Heart" ist dann so etwas wie das epische Glanzstück des Albums: ein pittoreskes Balladen-Intro, wuchtiger Metal, halsbrecherische Solo-Duelle, überraschend eingestreute groovende Funk-Breaks und verschreibungspflichtige Screams.
Beim abschließenden Song "Flashback Of Anger" haben sich die Jungs in der Tradition von Bands wie Manowar und Hammerfall eine Band-Hymne zusammengeschustert. Sie fällt wie erwartet sehr heroisch und Mitsing-tauglich aus - die Gitarren spielen auch noch parallel zum Lead-Gesang und die ganze Band shoutet im Chor. Auch dieser Track ist aber ganz schön verschachtelt und Technik-betont ausgefallen und verkommt somit keinesfalls zu einem Promille-Gröler. Außerdem bleibt dieser Refrain - sei er noch so Met-selig und schunkel-tauglich - kleben wie Pattex. Irgendwas scheint die Band da richtig gemacht zu haben.
Um noch eine Schippe draufzulegen, dürfte es beim nächsten Mal noch ein Stück mehr Eigenständigkeit sein. Außerdem gibt es im Bereich der Keyboards noch Entwicklungspotenzial. Die sind zwar technisch 1A - hier hört man, dass ein echter Pianist und kein bloßer Tastendrücker am Werk ist. Dennoch wirken manche Frickeleien zu unmotiviert - ein wenig mehr Spannung täte dem Ganzen gut. Unterm Strich bleibt das Album aber ein starker Metal-Grenzgänger zwischen True, Power, Symphonic und Prog und besticht vor allem durch seine Frische. Man hört diesen Jungs in jedem Takt ihre Leidenschaft an - die wollen der Musikwelt noch was beweisen - weiter so!
Line-up:
Alessio Gori (lead vocals, keyboard)
Giulio Cercato (lead guitar)
Matteo Bonini (rhythm guitar)
Francesco Masini (bass)
Emanuele Giorgetti (keyboard)
Antonio Sigismondi (drums)
Tracklist |
01:By The Gates Of My Dreams (1:04)
02:All I Have (5:00)
03:Time Can Answer (5:25)
04:Stars (3:51)
05:A Void Within Me (4:45)
06:Splinters Of Life (7:45)
07:Strange Illusion (3:44)
08:Outer World (1:59)
09:Back In The Nightmare (5:23)
10:Off With My Heart (7:42)
11:Flashback Of Anger (7:14)
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