Zu 'Supergroups' kann ich mir zukünftig alle ätzenden Kommentare sparen - unser geschätzter, adeliger Kollege Jochen hat anlässlich der Besprechung des Debütalbums der Flying Colors alles Notwendige dazu angemerkt und mir damit ganz tief aus dem Herzen gesprochen! Aber weil mir gerade mal wieder die Finger jucken und nervös vor der Tastatur rumkribbeln, kann ich mir einen Kommentar zu Steve Morse anlässlich dieses Live-Doppeldeckers der Colors dann doch nicht verkneifen: Der Gitarrengenius ist bei Deep Purple einfach der richtige Mann am falschen Platz!! Vor knapp vierzig Jahren ist mir der Bursche mit seinen Dixie Dregs über den Weg gelaufen und somit bin ich (das ist sattsam bekannt) absolut unverdächtig, ihn nicht zu verehren. Wo er stattdessen hingehört, beweist er mit diesem Nebenprojekt. Morse ist viel zu progressiv, stilistisch viel zu breit für das mittlerweile doch eher altersschwächelnde Schlachtschiff des Hard Rocks aufgestellt. Aber, wer will es ihm verdenken? Soll man als Musiker unbedingt ehrenhaft-aufrecht in seiner selbst gewählten Nische verhungern?? Solange Steve Morse 'nebenbei' das aus sich herausholt, was er bei Purple nicht unterbringen kann, soll's mir recht sein.
Wenige Wochen nach Veröffentlichung von "Flying Colors" ging das prominente Quintett auf eine gefeierte Europatour. Die Show im niederländischen Tilburg vom 20. September des vergangenes Jahres wurde für diese Doppel-CD aufgezeichnet. Alle elf Titel des Debüts, dazu einige Kompositionen der Main- bzw. Ex-Bands der Protagonisten wurden gespielt.
Auch wenn ein paar Schnitte auszumachen sind, scheint die prickelnde Atmosphäre im örtlichen 013 gut auf dem Tonträger eingefangen.
Der Abwechslungsreichtum der siebzehn Songs sticht 'ohrenscheinlich' hervor. Es wird die ganze Bandbreite des britischen und amerikanischen Prog Rock geboten, der mit harmonischem, fast schon poppig-eingängigen Melodic Rock liiert wird. Morse und LaRue, die eigentlich ganz anders könnten, halten sich eher zurück bzw. bringen sich sehr mannschaftsdienlich ein. Nur einmal, beim herrlichen Intro zu "Kayla", gehen dann doch die Barockmusik-Gäule mit dem Erstgenannten durch. Überhaupt fällt auf, dass sich die Startruppe nicht in persönlichen Frickeleien verfängt, sondern sich zugunsten des großen Ganzen erfreulich zurückhält. Negativbeispiele anderer 'Supergroups' gibt es bekanntlich zuhauf...
Beim Opener "Blue Ocean" ist man sofort geneigt, an die achtziger Jahre von Genesis zu denken, vor allem, wenn der Refrain einsetzt. Gut, alles andere als die stärkste Phase dieser Band, aber vereinzelte Großtaten gab es trotzdem. "Shoulda Coulda Woulda" ist die einzige Nummer, die an mir vorbeirauscht, ohne tiefere Emotionen zu wecken. Ganz anders "Love Is What I'm Waiting For", das auf ziemlich geniale Weise das ELO mit Queen (Chöre und Solo ähneln "Killer Queen"!!) verbindet. Sehr schön präsentiert sich auch die reichlich Floyd-mäßige Ballade "Can't Find A Way", ein ziemlich nah am Original orientiertes Cover von McPhersons Band Endochine. Völlig aus dem Rahmen fällt die rein akustische Version des Leonard Cohen-Evergreens "Hallelujah", von Sänger Casey McPherson sehr gefühlvoll zelebriert.
Obwohl sich auf der ersten das sensationell interpretierte Dixie Dregs-Sahnestückchen "Odyssey" befindet, gefallen mir die Songs der zweiten CD durch die Bank einen winzigen Tick besser. Das liegt natürlich in erster Linie am genialen Spock's Beard-Hochamt "June" - Kerle, wird DAS geil vorgetragen!!! Repentance (herrlich: LaRues sphärischer Bass) steht kaum nach, zumal diese Nummer durch das virtuose Bass-Intro "Spur Of The Moment" eröffnet wird.
Damit jetzt nicht der fälschliche Eindruck entsteht, die besten Nummern von "Live In Europe" seien die Coverversionen, müssen an dieser Stelle noch das hymnische "Kayla" und die stimmungsvolle Ballade "Everything Changes" genannt werden. Von dem musikalischen Feuerwerk, das in "Infinite Fire" abgefackelt wird, mal ganz zu schweigen...
Das farbenfrohe Cover von "Live In Europe" macht dem Bandnamen Flying Colors wirklich alle Ehre. Wollen wir mal inständig hoffen, dass dies kein einmaliges Kurzzeitprojekt war und in Bälde ein zweites Studioalbum zu besprechen sein wird.
Dieses Konzert ist neben dieser Doppel-CD auch auf DVD bzw. Blu-ray erschienen. Eines von beiden sollte eine sinnvolle Ergänzung darstellen!
Line-up:
Casey McPherson (vocals, rhythm guitar)
Steve Morse (lead guitars)
Neal Morse (keyboards, vocals)
Dave LaRue (bass)
Mike Portnoy (drums, vocals)
Tracklist |
CD 1:
01:Blue Ocean (7:29)
02:Shoulda Coulda Woulda (6:04)
03:Love Is What I'm Waiting For (5:20)
04:Can't Find A Way (8:25)
05:The Storm (6:01)
06:Odyssey (6:52)
07:Forever In A Daze (4:28)
08:Hallelujah (5:18)
09:Better Than Walking Away (5:02)
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CD 2:
01:Kayla (7:05)
02:Fool In My Heart (3:46)
03:Spur Of A Moment (1:26)
04:Repentance (5:06)
05:June (5:58)
06:All Falls Down (3:53)
07:Everything Changes (8:03)
08:Infinite Fire (12:17)
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Externe Links:
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