Franz K. / Rock in Deutsch
Rock in Deutsch Spielzeit: 43:34
Medium: CD
Label: Sireena Records, 2011 (1973)
Stil: Politrock


Review vom 26.08.2011


Steve Braun
Wenn der Verfasser dieses Reviews seine Beiträge zur Schülerzeitung seiner Oberstufenjahre Revue passieren lässt, macht sich peinliche Berührtheit wie Heiterkeit gleichermaßen breit. Es ist schon lustig, welchen Schwachsinn man in der postpubertären Zeit in heiligem Ernst und im Brustton der Überzeugung von sich gibt. Und in den folgenden zehn Jahren ist das zumeist nicht viel besser... Es gibt nur Schwarz, Weiß und bestenfalls Grau - erst mit zunehmender Lebenserfahrung besteht die Chance, dass man das Leben auch in bunten Farben wahrzunehmen in der Lage ist!
Ich weiß natürlich nicht, wie es Franz K. geht, wenn sie ihre politischen Statements auf "Rock in Deutsch" heute betrachten. Mir ist es jedenfalls so, als würde ich beim Hören in einen Spiegel schauen. Anno 1973 kamen diese Art von Texten nicht nur bei mir gut an: Kapitalisten, Politiker und die Bundeswehr waren die Hassfratzen der Unterdrückung - einfach abschaffen und alles wird gut. Die unbedarfte Naivität hinter diesen Aussagen erschüttert zwar in der Nachbetrachtung, aber damals hatte man die kindliche Fähigkeit, hemmungslos träumen zu können, noch nicht ganz verlernt. Heute heißt es nur noch »Der Traum ist aus« - das »aber ich werde alles geben, dass er Wirklichkeit wird« wagt man nicht einmal mehr zu denken! Den schlaffen Arsch bekommt man auch viel zu oft nur noch bei unmittelbarer Betroffenheit hoch. Wie gut, dass wir damals noch nicht wussten, wie desillusioniert wir dereinst sein würden - wie konnten wir ahnen, dass die von uns belächelten, aber liebenswerten Punks mit ihrem dahin gerotzten »No future!« geradezu prophetische Weisheiten von sich geben würden...
Das Trio aus Witten liefert mit "Rock in Deutsch", dem Nachfolger ihres 1972er Debütalbums "Sensenmann", lupenreinen Politrock im Stil der Siebziger ab und reihen sich nahtlos mit dem Spliff-Vorläufer Lokomotive Kreuzberg, den Kölnern Floh de Cologne und den Hamburger Druckknöpfen ein. Ganz in Agitprop-Manier sind vor allem Auszubildende und Kriegsdienstverweigerer im Visier von Stefan Josefus' Texten - da fallen einem spontan einige Scherben-Klassiker ein. Wenn man diese im Sinne einer Widerspiegelung des Zeitgeistes sieht, ist daran nicht das Geringste auszusetzen. Magengeschwüre bereitet mir lediglich, wenn in Verbindung mit einer völlig gerechtfertigten, kritischen Auseinandersetzung mit der Bundeswehr, Ausschnitte aus Originalreden Hitlers und Goebbels eingespielt werden. Dies ist im Hinblick auf die Singularität der Mordtaten dieser Verbrecher eine monströse Gleichsetzung, die - da bin ich mir recht sicher - Franz K. in dieser Form in heutigen Tagen nicht mehr bringen würden.
Im Allgemeinen wird, ganz der damaligen Geisteshaltung verpflichtet, der Zeigefinger gehoben. Da ist es regelrecht wohltuend, wenn es im Bonus-Track "Blues aus der Pinte", den Stefan Josefus für diese Sireena-Edition spendiert hat, textlich etwas gelassener agiert wird.
Musikalisch liegt "Rock in Deutsch" nach Sandwich-Art zwischen dem ausufernden Krautrock des "Sensenmann" und dem knackigen Deutschrock des Erfolgalbums Wir haben Bock auf Rock. Die Songs sind deutlich kürzer als beim Erstling und trotzdem i. d. R. fast doppelt so lang wie auf dem Nachfolger. Der Blues hinterlässt die deutlichsten Spuren, allerdings sind noch 'krautige' Elemente, die durchaus in Randbereiche des Prog abdriften können, in Ansätzen hörbar.
Zwei Favoriten haben sich heraus geschält: Das ist einmal "Mackie Messer" aus der Brecht'schen "Dreigroschenoper", der hier als fröhlicher Boogie-Woogie interpretiert wird, sowie der seelenvolle "Blues aus der Pinte", bei dem sich später die Gebrüder Engel schadlos gehalten haben.
Franz K. sind bis in die heutigen Tage aktiv und haben ganz offensichtlich und erfreulicherweise immer noch 'Bock auf Rock'. Nach dem Tod vom Sänger/Bassisten Peter Josefus 1997 haben sein Bruder Stefan und Mick Hannes das Trio zum Quintett aufgestockt.
"Rock in Deutsch" sollte man unverkrampft angehen - es ist ein schönes Dokument des damaligen Zeitgeistes und der Bonus-Track mit Jean-Jaques Kravetz ist ein wahres Cremeschnittchen!
Line-up:
Peter Josefus (Gesang, Bass)
Mick Hannes (Gitarre)
Stefan Josefus (Schlagzeug)

Gäste:
Werner Becker (Fender Rhodes - #5, Piano - #6, Orgel - #3)
Bernd Wippich (background vocals - #2)
Jean-Jaques Kravetz (Piano - #8)
Tracklist
01:Schieß und marschier [3:58]
02:Cabora Bassa [2:30]
03:Peterlied [12:55]
04:Räder [4:15]
05:Big Boss [7:05]
06:Mackie Messer [2:50]
07:Rita B. [6:07]
08:Blues aus der Pinte (Bonus-Track CD-Reissue) [3:54]
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