Schon während der Tour wurden neue Songs eingespielt, auf dem im Juni 1972 veröffentlichten Free at Last war deutlich zu hören, dass Koss durch die Hinzunahme von Keyboards mit seinen einzigartigen Soli und Fills glänzen konnte. Die Platte war recht abwechslungsreich und Rodgers bewiess einmal mehr, dass er der beste weisse Blues- und Soul-Sänger war.
Wenn "Fire and Water" ihr "Revolver" war, kann man "Free at Last" als ihr "Sgt. Pepper's" bezeichnen. Das engere Blues-Rock Konzept, obwohl immer noch vorhanden, wurde zugunsten von Motown-Rhythmik und San Francisco-Pop/Rock zurückgedrängt. Wie dem auch sei, Koss spielt auf dieser Platte die wohl bewegensten, anrührendsten Gitarrenklänge die je in Vinyl gepresst wurden.
Das Album konnte gegen starke Konkurrenz bestehen: Zur gleichen Zeit kamen Deep Purple's "Machine Head", das Stones-Epos "Exile on Main Street" und andere Hammerplatten heraus. Selbst das amerikanische Publikum nahm "Free at Last" warmherzig auf und die Verkäufe waren mehr als befriedigend.
Eine weitere USA-Tournee wurde anberaumt und die wurde erneut zum Desaster. Koss war so weggetreten, dass er manche Auftritte nach den ersten Akkorden abbrechen musste. Die Band spielte dann ein, zwei Nummern mit Pianoünterstützung und verliess vorzeitig die Bühne(n).
Diesmal war der kommende Split final. Koss sagte dazu: "Es war das selbe wie vorher, nur noch schlimmer. Der Spannungen waren grösser, die Egos waren grösser. Ich konnte es nicht mehr aushalten. Andy und Paul stritten sich, Paul und ich stritten uns und ich sagte: No more, finish, fuck it, it's not worth the trouble."
Andy Fraser verliess die Band für immer, die anderen blieben gerade lange genug zusammen um eine neue Platte einzuspielen. Aber Koss war gesundheitlich so angeschlagen, dass in den Sessions Hilfe "von aussen" in Anspruch genommen werden musste. So sind auf "Heartbreaker" auf vielen Songs Tetsu und Rabbit zu hören. Diese beiden ja schon vom Free-Umfeld bekannten Musiker stehen dann auch als vollwertige Bandmitglieder auf dem Plattencover, während Kossoff kleingedruckt als Gitarrist von 5 Songs aufgeführt ist.
"Heartbreaker" ist erstaunlicherweise eine hervorragende Platte geworden.
Free waren Geschichte. Aber was für eine! Ohne diese Band wäre die Historie der Rockmusik anders verlaufen, oder sollte man nicht besser sagen: Manches hätte wohl nicht stattgefunden. Ihr Einfluss kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Diese vier Jungs haben sich durch ihre Musik unsterblich gemacht.
Paul Rogers gründete 1974 zusammen mit Simon Kirke, Mick Ralphs (von Mott the Hoople) und Boz Burrell die noch erfolgreichere Band Bad Company. Seit Mitte der 90er Jahre tourt und produziert er Alben unter eigenem Namen. Alle seine Live-Auftritte beinhalten natürlich auch Songs von Free.
Paul Kossoff versank immer mehr im Drogenstrudel. Der Meister der Overdubs, der entgegen aller gängigen Praxis im Studio die Gitarre über die schon fertige Gesangsspur legte und unnachahmlich um Rodgers' Stimme "herumspielte", blieb in den USA, wo er die Band Back Street Crawler zusammenstellte. Koss starb an den Folgen seiner heftigen Drogensucht am 19. März 1976 auf einem Flug von Los Angeles nach New York. Er war gerade mal 25 Jahre alt...
Eine Anekdote aus dem Studio möchte ich noch erzählen. Koss schloss seine Gitarre im Studio an zwei 200-Watt Marshall-Stacks an und drehte immer voll auf. Es war so laut, dass andere Bands, die in benachbarten Studios des selben Komplexes aufnahmen, reingerannt kamen und riefen: "What's going on, guys? A spaceship landed?" Koss, seine Gitarre und seine Marshall-Anlage, immer voller Strom...
Andy Fraser hat sich ganz aus dem Musikbusiness verabschiedet. Er lebt zurückgezogen in Süd-Kalifornien.
Simon Kirke stieg, wie oben schon gesagt, bei Bad Company ein und tourt seit einigen Jahren mit Ringo Starr's Allstar Band.
Alle Alben von Free wurden als Remix/Remaster auf CD neu aufgelegt und sind mit Bonustracks randvoll bespielt. Die Klangqualität ist geradezu atemberaubend gut, besser als so manche nagelneue Produktion.
Verwendete Quellen: Steven Rosen: The Story of Free and Bad Company,
ISBN: 0-946719-37-3
The Free Story, Island Records
Diskographie:
Tons Of Sobs (1968) Free (1970) Fire And Water (1970) Free Live (1971)
Highway (1972) Free At Last (1972) Heartbreaker (1973)
Manni Hüther, 11.11.2004
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