Oh ja, Frogg Café! Da habe ich so wunderbare, nicht wegzuwünschende Erinnerungen ans Burg Herzberg Festival 2004 (verdammt, schon wieder sechs Jahre rum) und ihren (Teil-)Auftritt ( Nick Lieto) mit Trigon und sonst wo überall (z.B. Zappanale) diese in meinen Augen und Ohren großartige Band aufgetreten ist. Und in nicht wenigen Artikeln ist hier über die einzelnen herausgebrachten CDs berichtet worden. Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind es bisher vier plus Doppel-CD ( The Safenzee Diaries) plus diese. Nicht zu vergessen, all die im Internet aufgetauchten Liveaufnahmen von Konzerten - es lebe der Download!
Ganz in der Tradition der ganz großen Prog Bands (hier keine weitere Nennung), zu denen ich ebenso Frogg Café zähle, mit ihrem so typischen Zappa-Jazz-Einschlag, bereitet das neue Album eben diesen Genuss, den ich voller Spannung erwartete.
Dieses Mal beließen es die New Yorker nicht bei den surrealen, abstrakten oder einfach nur stark-gezeichneten Coverbildern, nein, dieses Mal gibt es endartige Fotos, die auch noch auf einem der Bilder das stehende World Trade Center zeigen. "Terra Sancta" ist in dem Zusammenhang auch den Kindern gewidmet, die ihre Eltern am Tag der Zerstörung dieses Gebäudes verloren. Und so gibt es auch zu anderen Stücken der CD eine Geschichte - so zu "Pasta Fazeuhl", der aus der energetischen Musik der Band Magma entstand, die die 'Frösche' 2003 auf dem NEARfest hörten. Und "Under Wuhu Son" basiert auf einem Buch von Emily Prager aus dem Jahr 2001. Alles alte Geschichten, gewachsen, umgesetzt (nun endlich) und aufgenommen zwischen Dezember 2008 und März 2010.
Und noch was Neues. Ein großartiger Gitarrist, Steve Uh, verließ die 'Frösche'. Diese bedanken sich im Booklet. Ein alter (spielte schon und seither gelegentlich und u.a. auf dem 2002 er "Noodless"-Album mit), neuer großartiger Gitarrist, Frank Camiola spielt jetzt bis zum Saitenglühen ganz starkes, irres Zeug.
Und die Stücke an sich, ja, die Werke insgesamt, nehmen, auch wegen der dichten und vielfältigen Instrumentierung, manchmal schon orchestralen Charakter an, ohne dass sie ihr musikalisches, typisches Frogg Café-Gesicht verlieren.
Orientalisch, stark nach Sitar klingend, begibt sich diese CD auf eine, in viele Richtungen streuende, daher noch nicht bestimmte Reise. Wer würde mir glauben, dass bereits dieser Titel das ganze Repertoire Frogg Cafés zu Besten gibt? Kenner der Band würden das, würden vor Verzückung quietschen, sich auf dem Boden wälzen. So viele Ideen in ihrer Umsetzung zu erleben, ausgebrütet von genialen Musikern - DAS lässt keine Fragen aufkommen, keinen Zweifel offen! Nach diesem Beginn spielt die Gitarre ein Thema, das sich durch den gesamten Titel zieht, das von den Bläsern aufgegriffen wird, verarbeitet und weiterentwickelt wird, das die Violine einbindet, sich ständig steigernd, mit ganz vielen, auch, ganz klitzekleinen Höhepunkten nicht im vielstimmigen, äußerst perfekten, noch viel höher steigendem Gesang endet. Jetzt ist es progressive Musik, gleich darauf Jazz, ungeradlinig, ein klein wenig freejazzig, ja, wälzt euch nur weiter. Hendrix fackelt seine Gitarre ab, die Frösche lassen Geschichte aufleben. Chaos, wildes Erleben. Und in diesem Schrei gibt es das gesangliche Zeichen eines Neubeginns. Der Phönix aus der Gitarrenasche steigt auf, erlebt es.
In "Move Over I'm Driving" dürfen die Lieto-Brüder an ihren Blasinstrumenten toben, darf Bill Ayasse seine Saiteninstrumente lautstark und leise zu meiner Freude streichen, darf Herr Camiola seine Gitarre so schön spielen, hymnisch und extravagant. Schon diese ersten beiden Stücke sind musikalische Geschichten, Leckerbissen. Das strotzt vor Jazz, vor Lebensfreude, da gibt es übergangslose Gefühlswechsel, dass es eben so noch auszuhalten ist. Von Andy Sussmans Bass grundlegend, aber nicht sonderlich auffallend (weil dezent) durch das Stück geführt, rundet es James Guarnieri an den vielen Schlagwerken mit seiner Kunst vollmundig ab.
In "Pasta Fazeuhl", diesem 14-minütigen Werk treiben sie dieses famose, facettenreiche Spiel immer noch weiter. Deutlich jazzlastiger, ungeradliniger, heftig Zappaesk (wie es so schön doch heißt), besonders durch diese kleinen, feinen Xylophoneinschübe, die Breaks, dieses wilde Durcheinandergespiele schaukelt sich der erste Teil immer höher, um plötzlich abzusacken und von vorn, doch ganz anders, neu zu beginnen.
Und auch ganz anders steigert sich dieser Teil, marschierendes Schlagwerk und Violine bestimmen hier eher das gesamte Bild. Es scheint, als steuerten die Musiker geradewegs auf einen dramatischen Höhepunkt zu. Aber sie finden Ruhe für einen kurzen Moment, einen Atemzug, um sogleich die Ruhe ungeschehen zu machen, um ruhe- und rastlos fortzufahren als ginge es darum, den Zeitverlust des ruhig Verspielten aufzuholen.
Krönend das Finale, das sicher ganz im Sinne des Frank Zappa gewesen wäre. "Under Wuhu Son", dieses 20-minütige, dreiteilige Werk, beginnt als ruhiger Einstieg im ersten Teil - "In the Bright Light", mit Streichern und Marimba. Zwei Minuten lang dieses gefühlvolle Spiel, worauf härtere Töne, die wie der Sound aus "Terra Sancta" anmuten, gespielt werden und die sich erinnerungsfördernd im gesamten Stück noch mehrmals einbringen. Mit teilweise sparsamer Instrumentierung wird der Gesangspart virtuos vorgetragen. Der instrumentale Teil hat progressiven Einschlag, klingt sehr orchestral und hat schon hymnischen Charakter. Es ist äußerst angenehm, die Stimmen zu hören, passen sie doch, so völlig ungeschminkt und rein, zu diesem Text.
Instrumental, sehr hart, treibend und unter Einsatz aller Instrumente beginnt der zweite Teil, "Left for Dead", der von Bass und Schlagzeug rhythmisch kontrolliert wird, aber in dem sonst jeder zeigen kann, wie gut er doch spielen kann, nämlich super!
Regen fällt, Teil drei beginnt, "Brace Against the Fall", was doch gleich wieder an Frank Zappa erinnert. Ich sage es noch mal, denn gesanglich sind Frogg Café absolut auf der Höhe - spitzenmäßiger Gesang!
Instrumental ja sowieso, um an das Gesagte gleich anzuschließen. Ob es das Gebläse ist oder die neue Gitarre, kein Zweifel: Das ist perfekt! Das ist Genuss in Reinkultur. Und wie schnell die 20 Minuten vergehen, merke ich erst, als "From the Fence" beginnt. Und das ist ein Progstück durch und durch - in der Art von Echolyn, mal abgesehen von den Bläser- und Violineeinsätzen. Hier werden die Gitarren von einem Gastmusiker, Dennis Lippe, gespielt. Und zwar in allerbester Qualität, wie eigentlich nicht anders zu erwarten. Es beginnt ruhig und auch gleich mit Gesang. Zwischen prickelnden und verspielt wirkenden Strophenteilen gibt es jede Menge Instrumentalanteile, meist von Bläsern geführt, immer die Stückmelodie aufgreifend, wenig abschweifend. Klasse Zusammenspiel und Umsetzung; ein Stück zum Zurücklehnen, Augenschließen und Genießen.
Aufgewacht! Zum "Belgian Boogie Board". Hier gibt es das Schrägste der CD - für die einen das Beste, für die anderen sind dann eben doch sieben Stücke genug. Aber ich sage euch - ACHT ist 'ne super gute Zahl. Ihr glaubt nicht, was in dieser Zeit alles gespielt werden kann. In der Art dieses Zusammenspiels erkennt ihr die wahren Meister. Von mir allergrößtes Lob für diese 77:21 Minuten, geniale Musiker spielen geniale Musik.
Line-up:
Bill Ayasse (violin, viola, mandolin, hand percussion, vocals)
Frank Camiola (electric guitar, banjo, string bass)
James Guarnieri (drums, glockenspiel, orchestral percussion)
John Lieto (trombone and bass trombone)
Nick Lieto (lead vocals, piano, keyboards, trumpet, flugelhorn)
Andrew Sussman (electric bass, cello, acoustic guitar)
Tracklist |
01:Terra Sancta:
02:Move Over I'm Driving
03:Pasta Fazeuhl
Under Wuhu Son:
04:I. In The Bright Light
05:II. Left For Dead
06:III. Brace Against The Fall
07:From The Fence
08:Belgian Boogie Board
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