In einem Land, in welchem Opposition und Demokratie nahezu untergraben werden, musikalische Affinitäten zu fortschrittlichen Ausdrucksformen ausleben zu wollen, stellte die mittlerweile im weltweiten Wettbewerb unüberhörbaren Akteure mit Sicherheit vor ungeahnte Herausforderungen.
Die usbekischen Prog-Alchemisten Fromuz nutzten jedenfalls alle Effekte und technischen Möglichkeiten eines Tonstudios, um in ihrem dritten Mammutwerk ein wahrhaft leckeres Stil-Süppchen anzurichten, und dessen Rezeptur um einige exotische
Zutaten aus dem musikalischen Schmelztopf der Klassik sowie des fusionierenden Jazz zu verbessern.
Ein erstes Hörerlebnis erhärtet den Eindruck, einem überdimensionierten Orchestrion zu erliegen, das sich mit vorwärts drängenden, verschmelzend jazzigen Harmoniefolgen paaren möchte und zusammen mit der wohl austarierten Rhythmusgrundierung den quietschbunten Musizierzirkel zu perfektionieren.
Die letzten drei Monate waren bisher nicht besonders reich an wagemutigen Platten, sieht man einmal von Gabriels sinfonischem Oeuvre ab. Das Taschkenter Quintett könnte mit "Seventh Story" und dessen Verbindung von unvereinbar scheinenden Einflüssen das trostlose Prog-Loch halbwegs reparieren und nebenbei noch einen Platz im Paralleluniversum des Jazz Rock ergattern.
Die Protagonisten nähern sich der Tradition demonstrativer symphonischer Prog-Muster und diversen jazzigen Verquickungen, ohne die bedeutungsschwangeren Referenzen als bereichernden Schatz zu erheben, sondern die Extreme zwischen Neuem und Vertrautem in einer wirkungsvollen Klangkulisse zu verweben.
Die einstige Stammcombo um die verbliebenen Vitaly Popeloff und Albert Khalmurzaev wurde vollkommen regeneriert und die dazugewonnene Vielfalt an instrumentalen Texturen mit spärlichen und meines Erachtens weniger zuträglichen chromatischen Gesangseinlagen bzw. Sprachschnipseln frisiert. Die teilweise epochalen Mammut-Kompositionen, die sowohl organisiertes als auch experimentelles Fundament mit sich tragen, tauchen völlig unorthodox fusionären Freigeist, urbanen und dennoch kalkulierten Metal nebst Floyd'schem Patchwork in einen überhitzten Whirlpool, um diese quirlige Soße mit reichhaltigem Pathos und kompakterem Instrumental-Ambiente zu kompensieren.
Tief verwurzelter 70er Jahre Jazz Rock feiert, wie im zwanzigminütigen "Parallels" ein pompöses Fest und skandiert mit Khalmurzaevs markerschütternden Synthesizer-Schwällen und Brummgeräuschen einen klassisch symphonischen Organismus, der durchaus mit den wiederkehrenden rhythmischen Feinheiten und mediterranen Zwischenspielen zu koalieren vermag. Überhaupt fungieren die reduzierten Klangoasen zwischen drei ausgedehnteren Kompositionen als Ruhepole, anderseits jedoch als Präludium für eine atemberaubende Palette an riskanten Tüfteleien, ohne dabei ihre Berechtigung als wertige klangmalerische Mosaiksteine einzubüßen. Vorne ertönen meditative Röhrenglocken, hinten einige lässige Piano-Arppegios, die kammermusikalisches Flair versprühen. Selbst schlafwandlerische Fripp'sche Ouvertüren wie "Desert Circle" wurden schließlich mit andalusischen Saitenstickereien perforiert.
Popeloffs durchaus diktatorische aber dennoch vakante Saitendarbietungen ergänzen sich prächtig mit dem punktiert kontrastierenden Agieren seiner Mitstreiter bzw. unterstreichen deren unangefochten zwingende Kompaktheit und lenken das musikalisch überladene Schiff auf einen straffen Kurs.
Das haarfeine, jedoch auch druckvolle Soundbild gibt keinerlei Anlass für eine Mängelauflistung und das Gespür für das richtige Maß ist Beleg für einen souveränen Umgang mit einer neuen künstlerischen Musizierebene. Abgesehen von einigen zähen Arrangements oder gar instrumentalen Extremsituationen stehen alle sieben Schöpfungen auf dem allerhöchsten Treppchen und funktionieren allenthalben durch ihren musikalisch unverkrampften Ehrgeiz an Kunstwollen und Virtuosität.
Mittlerweile aus dem dunklen Schlund eines essentiellen Geheimtipps empor geklommen,
dürften die fünf Usbeken und ihre mitwirkende Gästeschar mit dem neuen Werk nun endgültig dem Musik-Olymp der anspruchsvollen Delikatessen bedenklich näher rücken und damit jetzt schon unumgänglich ein Anrecht auf das 'Prog Rock-Album des Jahres' erworben haben.
Für alle visionären Musikhörer, die gern mit wachem Geist und offenem Ohr bei der Sache sind, sei dieses klischeeferne sowie auch belebende Element unbedingt ans Herz gelegt.
Line-up:
Vitaly Popeloff (electric, acoustic, synth & fretless guitars, vocals)
Albert Khalmurzaev (keys, synths, sound design, 12string guitar, vibraphone, vocals)
Ali Izmailov (drums, percussion, marimba, tubular bells)
Igor Elizov (keys, synths, midi, grand piano, vocals)
Sur'at Kasimov (bass guitar, double bass)
Tracklist |
01:Perfect Circle
02:Parallels
03:Desert Cirle
04:Bell Of The Earth
05:Taken
06:Influence Of Time
07:Perfect Love
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