Kid Ramos und Frank Goldwasser sind zwei Gitarristen bei den Mannish Boys. Mit ihm teilt sich Kirk Fletcher die Saitenarbeit. Die All-Star-Band ist allerdings nur eine seiner Haltestellen. Viel herum gekommen ist er mit Charlie Musselwhite und den Fabulous Thunderbirds. Außerdem hat er sich als Sessionmusiker einen guten Namen gemacht. So war er an Aufnahmen von Lynwood Slim, James Harman, den Hollywood Blue Flames, Johnny Mastro & Mama's Boys oder Bobby Jones beteiligt. Okay, einige davon sind Labelkollegen, aber das sollte nicht weiter ins Gewicht fallen.
Bedeutsam waren allerdings seine mehr oder weniger privaten Aktivitäten, die zu diesem Album beziehungsweise deren Songs führten. Fletcher, 1975 geboren, beschäftigte sich, wie er in den Liner Notes niederschrieb, mit Alben von Jimi Hendrix, Joni Mitchell und jeder Menge Gospel-, Soul- sowie Funk-Platten. Mit zwei Blue Music Awards-Nominierungen kommt man nicht daran vorbei, sich mit dem relativ jungen Gitarristen zu beschäftigen. Also bietet sein zweites Album für das Label Eclecto Groove die beste Gelegenheit dafür.
"My Turn" zeigt nicht nur Fletcher, der Gitarrist, sondern auch Fletcher, den Sänger. Letzteres ist neu. Larry Carltons Sohn Travis zupft dreimal die dicken Saiten und in den übrigen Tracks ist es Bobby Tsukamoto.
Der Name Michael Landau muss nicht erst im Line-up fallen. Der Mann hat ebenfalls in die sechs Saiten gegriffen und hat mit dem Protagonisten sowie Gary Novak produziert. Auf der klanglichen Seite gibt es keine negative Kritik. Der Sound ist schön transparent und setzt alle Akteure sehr gut in Szene.
Mit "My Turn" ist Kirk Fletcher ein facettenreiches Album gelungen. Die inspirierenden, privat gehörten Platten spiegeln den Inhalt der CD wider und der Gitarrist mag lange Ausflüge auf seinen Arbeitsgeräten. Wenn er in seinem selbst verfassten Text zur Platte schreibt, dass er für einige Songs auch ans Mikrofon trat, befinden sich ebenfalls Lieder ohne Gesang auf vorliegendem Album.
Mit dem letzten Track bringt er uns in einer Eigenkomposition seine Lesart des Ausnahmegitarristen Jimi Hendrix nahe. Die sechseinhalb Minuten "Continents End" stehen isoliert im Vergleich zur Aufmachung der übrigen neun Tracks. Es ist, wenn man beim Schlusslied ankommt, überraschend, zu welchen Klangcollagen der Mann fähig ist. Der Track steigert sich in eine bemerkenswerte Psychedelic ohne den Saitenmagier auch nur einmal zu zitieren. Daran findet man großes Gefallen.
Genauso, wie an den anderen Stücken. Deutlich wird, welche Bandbreite der Protagonist abzudecken in der Lage ist.
Warum der Mann bisher nicht gesungen hat, bleibt wohl sein Geheimnis. Er verfügt doch über eine gute Stimme. Den ersten Beleg liefert er gleich im zweiten Song ab. Herrlich ist in dieser Nummer der Kontrast zwischen E-Gitarre und Banjo. Klasse gemacht! Wenn sich der Slow Blues aus Jimmy Reeds Feder breit macht, braucht man bestimmt ein Ticket für einen Doppelsitz in bester Lage. Fletcher verfügt über sehr viele verschiedene Aussagemöglichkeiten, die er auf seinem Instrument darbietet. Diesem Musiker hört man einfach gerne zu, auch wenn er seinen Warenkorb mit fremden Sachen gefüllt hat.
Er ist auch noch ein Teamplayer, denn er überlässt seinen Begleiter, vornehmlich den Tastendrückern und Bläsern oder namentlich Dave Melton das Aktionsfeld. Der spielt die Slidegitarre in "Natural Anthem". Dezent treten hier der Saxofonist Paulie Cerra sowie Paul Litteral (trumpet) auf.
Ganz anders ist beim folgenden, vom Groove aufgeladenen "Ain't No Way". Carltons Bass pumpt richtig tief und man hat den Tieftöner richtig schön mit in den Vordergrund gemischt. Die Gebläseabteilung legt sich mit einem Bigband-Sound schon mehr ins Zeug und im jazzig-funkigen Titelstück geht man ordentlich spendabel mit dem Pfefferspender um. Diese von Travis Carlton, Paulie Cerra sowie Luke Miller komponierte Nummer ist ein brillantes Gebräu. In "My Turn" finden sich erste Andeutungen von dem, was im letzen Track zur Vollendung gebracht wird. Fletcher & Co. outen sich als Funkmaster.
Der Braumeister setzt noch einen oben drauf: Fast acht Minuten braucht er für "Way Back Home". Da gibt er seiner Gitarre einen mächtigen Klecks Soul auf die Saiten. Neben "My Turn" ist dieser Track die Spitze des Eisbergs. Nach einer kleinen Pause hat es hier sogar eine kurze versteckte Nummer zu finden: Fletcher für eine Minute an der akustischen Gitarre und im Delta... köstlich.
"Blues For Antone" ist seine Reminiszenz an den leider schon verstorbenen Förderer des Blues, Clubbesitzer sowie Labelgründer Clifford Antone. Dieses Stück spricht für sich...
Kirk Fletcher ist ein bemerkenswerter Gitarrist. Den muss man unbedingt weiter auf dem blankpolierten Blues-Schirm haben. "My Turn" macht richtig Laune und ist eine dieser Platten, die man gar nicht so weit weglegen sollte. In diesem Sinn... gesucht, gefunden und als astrein beurteilt.
Line-up:
Kirk Fletcher (guitar, bass, vocals)
Michael Landau (guitar)
Dave Melton (slide guitar - #3)
Iver Olav Erstad (organ - #4,7,9, Rhodes - #3,7)
Luke Miller (organ - #5,7, clavinet - #5)
Paulie Cerra (saxophone - #4,6, vocals - #4,6)
Paul Litteral (trumpet - #3,4,9)
Travis Carlton (bass - #4,5,7)
Bobby Tsukamoto (bass - #1,2,3,6,9,10)
Gary Novak (drums - #4,5,7)
Tom Fillman (drums - #1,2,3,6,8,10)
James Gadson (drums - #9)
Karen Landau (spoken words - #10)
Tracklist |
01:El Medio Stomp (3:34)
02:Found Love (3:53)
03:Natural Anthem (4:27)
04:Ain't No Way (3:01)
05:My Turn (5:26)
06:Congo Square (5:11)
07:Way Back Home (7:48)
08:Blues For Antone (4:06)
09:Let Me Have It All (5:42)
10:Continents End (6:39)
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