In einem Restaurant sitzend, nicht wissend, was sie mit ihrem zerrissenen Leben anfangen sollte, sagte Ronan O'Rahilly (Gründer des Piratensenders Radio Caroline) zu ihr: »… make a record of your life.«
Marianne Faithfull wusste nicht, wie sie so etwas machen sollte und vergaß diesen gut gemeinten Vorschlag.
Alles braucht seine Zeit und so schreibt sie im Booklet weiter: »Here is my life story on tape.« Womit sie vorliegende Platte meint.
Ende Dezember 1946 in Hampstead, London, geboren, hatte sie 1964 ihren Durchbruch mit der Hit-Single "As Tears Go By", geschrieben von Jagger/ Richards. Erst ein Jahr später erschien die Nummer als Stones-Song.
Die veröffentlichten Alben der Frau mit der tiefen, fragilen Stimme, die so markant ist, waren mehr oder weniger ein Auf und Ab in der Qualität und erst mit "Broken English" (1979) legte sie eine hochklassige Platte vor.
Mit dem englischen Songwriter, Gitarristen und Sänger Barry Reynolds, der übrigens ein tolles Album mit dem Titel "I Scare Myself" veröffentlichte, kam es zu einer intensiveren Zusammenarbeit. Reynolds findet man auch auf Scheiben von Grace Jones, Black Uhuru oder Joe Cocker ("Sheffield Steel").
Von Ende der Achtzigerjahre bis zum aktuellen Zeitpunkt haben Marianne Faithfulls Langrillen einen hohen Standard und nicht erst seit "Blazing Away" hat sie sich vertrauensvoll in die Hände des Produzenten Hal Willner begeben.
Bekannt sein dürfte, dass sie früher ein Verhältnis mit Jaggers Mick gehabt hat. Faithfull ist auch Schauspielerin und brachte ihre Stimme als Erzählerin in Filmen zum Einsatz.
Beim musikalischen Streifzug durch ihr Leben hat sie exzellente Begleiter:
Bereits erwähnter Barry Reynolds wie auch Marc Ribot ( The Lounge Lizards) an der Gitarre, Garth Hudson ( The Band) am Akkordeon und an den Keyboards, Fernando Saunders zupft den Bass und Lew Soloff bläst Trompete sowie Waldhorn. Dougie Bowne liefert Großes am Schlagzeug ab.
Besondere Musiker erfordern vielleicht einen besonderen Ort. An zwei Novembertagen 1989 trat man in der New Yorker St. Anne's Cathedral auf und Dr. John war Gast beim Song "Times Square".
Ungewohnt sphärische Klänge eröffnen das Konzert und am Beifall hört man, dass sich die Protagonistin den Zuschauern zeigt.
Die flächendeckenden Klänge setzen sich vor und darüber singt sie "Les Prisons Du Roy", selbstredend in französischer Sprache. Faithfull, die Chanteuse. Ein ungemein stimmungsvoller Einstieg und bei der Wärme ausstrahlenden Musik wirkt ihre Stimme sehr emotional.
Für Tom Waits' "Strange Weather" fokussiert sich die Band mehr auf die Gitarren. Alles fließt noch ganz dezent dahin und mit dem Einsatz des Akkordeons bekommt die Nummer mehr Volumen. Herrlich, Saunders' Bass klingt wie auf Federn gebettet und Hudson soliert nur kurz. Zwei derart zurückhaltende Nummern an den Anfang des Gigs zu setzen, ist schon mutig, allerdings soll es deliziös weitergehen.
Es gibt mit "Guilt" den ersten Song vom Überalbum "Broken English".
Das Reynolds-Stück ist rockig und wiegt sich dabei ein wenig im Reggae. Nach einer ruhigen Einleitung spielt die Band so etwas von tight, dass es einen gänsehäutet. Zunächst ein cooles E-Gitarrensolo, dann übernimmt Hudson die Hauptaktion. Dafür fährt die Band etwas die Dynamik runter und der Tastenmann macht einen kleinen Abstecher in den Jazz. Butterweicher Übergang, dank Saunders. Frau Faithfull hat noch einige Strophen auf Lager und man nimmt den deftigeren Faden des Tracks wieder auf. Wie oft habe ich diesen Song schon gehört und nach einiger Zeit der Pause muss ich gestehen... der ist immer noch gigantisch gut.
Es geht jetzt Schlag auf Schlag...
Das Publikum applaudiert zu Beginn von John Lennons "Working Class Hero" nur kurz, so, als wolle man nur nichts verpassen. Unumwunden: Eine der besten Interpretationen, die es gibt. Hudson am Akkordeon ist eine ganz große Hausmarke und die beiden Gitarristen, meistens einer davon an der Akustischen unterwegs, ergänzen sich hervorragend. Saunders hat sein tolles Jazz-Solo und Dougie Bowne setzt während dessen klasse Drum-Akzente.
Muss zu "Sister Morphine" noch etwas geschrieben werden?
Faithfull lässt ihre Lebenslinien Revue passieren und auch dieser Song hat so seine Berechtigung, schließlich lieferte sie seinerzeit den Text zur Jagger/ Richards-Musik. Lang ist das Stück und es gibt ausreichend Gelegenheit für Soli, allen voran Reynolds. Ohne einen Deut Zurückhaltung, die Faithfull steckt emotional, zumindest zu diesem Zeitpunkt, ganz tief in dem Lied. Die Kirchen-Atmosphäre ist schon zu spüren, aber welches Gefühl muss einen übermannt haben, tatsächlich dabei gewesen zu sein. Herr Soloff setzt mit seiner Trompete einen anderen Schlusspunkt... etwas abgefahren, will ich sagen.
"As Tears Go By", ihr erster Hit und Türöffner für die spätere Karriere. Ohne Worte, was die Sängerin und ihre Band hier leisten.
Zurück zu mehr Rock, Reggae und der Langrille "Broken English": "Why'D Ya Do It?" mit einer inbrünstig predigenden Engländerin und die Band erlaubt sich zwischendurch einige schöne Klang-Gimmicks.
Diesen Musikern gelang an den beiden Abenden wohl alles... herrlich der Zug durch die "Ballad Of Lucy Jordan" und im Umfeld von großartigen Songs ist "Times Square" leider nur artig.
Das Titelstück wurde mit einem etwas anderen Line-up im Studio eingespielt. Groovig geht es zu und Gib Whartons Pedal Steel steht hier deutlich im Vordergrund.
Mit "She Moved Through The Fair" beginnt die Zugabenzeit.
Ohne sie erwähnt zu haben, die Gänsehaut präsentierte sich oft, wenn die Faithfull allerdings a cappella singt, ist das schon etwas Besonderes. Mit "Broken English" groovt-rockt man die Kirche ganz heftig. Die Platte hat einen famosen Abschluss, zumal man auch diese Nummer zeitlich sehr gut auskostet.
"Blazing Away"... ein Marianne Faithfull-Highlight!
Line-up:
Marianne Faithfull (vocals)
Barry Reynolds (guitar, backing vocals)
Marc Ribot (guitar)
Garth Hudson (accordion, keyboards)
Dr. John (piano, rhythm guitar - #10)
Lew Soloff (trumpet, flugelhorn)
Fernando Saunders (bass, backing vocals)
Doughie Bowne (drums)
Blazing Away Musicians:
Marianne Faithfull (vocals)
Barry Reynolds (guitar)
Kevin Savangar (keyboards)
Gib Wharton (pedal steel)
Fernando Saunders (bass, rhythm guitar, backing vocals)
Charlie Drayton (drums)
Don Alias (percussion)
Tracklist |
01:Les Prisons Du Roy (6:46)
02:Strange Weather (5:12)
03:Guilt (7:51)
04:Working Class Hero (6:07)
05:Sister Morphine (7:25)
06:As Tears Go By (4:25)
07:Why'D Ya Do It? (6:31)
08:When I Find My Life (2:59)
09:Ballad Of Lucy Jordan (5:08)
10:Times Square (4:57)
11:Blazing Away (4:10)
12:She Moved Trough The Fair (2:09)
13:Broken English (7:37)
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