Eigentlich komisch, dass ich noch keines meiner Merrell Fankhauser-Reviews mit dem Satz »Merrell Fankhauser ist hierzulande ein leider noch viel zu unbekannter Musiker« begonnen habe, aber gut, nun isses raus. Der Musiker und (nun auch schon seit vielen Jahren) Moderator seiner eigenen Musik-TV-Show begann bereits in den frühen Sechzigern mit Surf Music. Die Jahre und vor allem der Zeitgeist wandelten sich, Merrell machte Psychedelic und spätestens ab Mitte der siebziger Jahre nur noch sein eigenes Ding (wobei es ungerecht wäre zu behaupten, dass er genau das davor nicht getan hat). Bereits im letzten Jahr erschien nun beim englischen Label Gonzo Multimedia seine Autobiographie "Calling From A Star...", die ihren Weg in diesem Jahr auch in unsere Redaktion fand.
Und wenn die Lebensgeschichte von Merrell Fankhauser irgendwie zu typisieren ist, dann ist sie eine sehr amerikanische. Die ersten Jahre des Protagonisten mit deutschen Vorfahren waren geprägt von vielen Umzügen der Familie, vom Traum der Eltern das zu machen, was sie mochten und zudem noch davon leben zu können, der ewigen Suche nach dem 'crock of gold', wie der Ire so schön zu sagen pflegt. Über einen längeren Zeitraum ansässig wurden die Fankhausers dann irgendwann in Kalifornien, wo der Teenager Merrell seine Liebe zur Musik, zu schnellen Autos und zum Fliegen entdeckte.
Wenn man sie suchte und dafür kämpfte (beides tief in Fankhausers Seele verwurzelte Eigenschaften), dann ergaben sich durchaus Möglichkeiten. Als seine Band The Impacts der Meinung war gut genug zu sein, um Aufnahmen machen zu können und mit ein bisschen Glück sogar noch eine Connection zu einem Produzenten zustande kam, entstanden die ersten Singles sowie ein Album. Aber wie so viele junge Musiker (vor allem zur damaligen Zeit) lasen auch die Jungs von The Impacts die von ihnen unterschriebenen Verträge davor nicht sonderlich gut durch. Das für jeden Musiker größte Drama spielte sich nur kurz danach ab. Merrells neue Band The Surfaris war plötzlich nicht mehr erwünscht und er selbst musste nur kurze Zeit später seinen Song "Wipe Out" (von einer anderen Band, die sich frecherweise ebenfalls The Surfaris nannte) im Radio hören. Die Nummer wurde ein Riesenhit, nur der Komponist hatte nichts davon.
Nach einer frühen Hochzeit und der Geburt seines Sohnes Tim musste die Musik zwar zeitweise etwas kürzer treten (die Kohle für den Lebensunterhalt musste schließlich reinkommen), verschwand aber auch nie aus seinem Leben. In der zweiten Hälfte der Sechziger erschienen (richtig geile, heute eher für teures Geld zu erwerbende) Alben von kurzlebigen Bands mit so schönen Namen wie Fapardokly oder Merrell Fankhauser & H.M.S. Bounty. An der Konzertfront lief es zwar gut, wovon die jeweiligen Bands auch psychisch zehrten und physisch überlebten, aber aufgrund viel zu kleiner Plattenfirmen gab es wenig Promotion, keine Tourneen und somit auch immer wieder enttäuschende Verkaufszahlen.
Zur neuen Dekade zieht die gerade neugegründete Band Mu auf Hawaii, genauer auf die Insel Maui, wo ein etwa zehnjähriges Abenteuer für Merrell im Dschungel begann. Die Band mietete sich eher baufällige Behausungen und erarbeitete sich alles Nötige mit den eigenen Händen. Überraschenderweise schafften sie es sogar, sich arbeitstaugliche Geräte für professionelle Aufnahmen zu leisten und die Band Mu veröffentlichte 1971 ihr erstes Album, das damals sogar ein richtiger Hit an der Westküste (Kalifornien) und den Inseln wurde. Aber die Uhren außerhalb des Festlands, wie eben auf Hawaii (und glaubt mir, ich weiß, wovon ich da spreche) gehen einfach wesentlich langsamer als auf dem Rest der Welt und so dauerte es geschlagene drei Jahre, bis die Nachfolgescheibe entstanden war. Die Band war mittlerweile ebenfalls zerstritten und das war es dann mal wieder...
Aber mehr werde ich jetzt auch nicht mehr verraten, höchstens noch soviel, dass es das noch lange nicht war. Ach so, nur um nochmal auf den anfangs erwähnten 'american lifestyle' zurück zu kommen: Das hier beschriebene Leben ist eines, das sich nicht von Dogmen, von festen Vorstellungen oder falschen Sicherheitsgedanken beeindrucken lässt. Ohne Netz und doppelten Boden, kein Sparkonto, keine Sicherheiten. Merrell Fankhauser verließ sich immer auf seine Musik, ansonsten auf sein Hände, wenn es irgendwo anzupacken galt. Einen Hit hat er nie gehabt, nicht mal ein Album, das sich besonders gut verkaufte. Aber zum Einen hat er die Dinge stets so genommen, wie sie sich von der Situation anboten und zum Anderen hatte er immer jede Menge Energie und Enthusiasmus, um Neues zu bewegen.
Ein Rockmusiker, der trotz des gelegentlichen Bierchens, ein paar Pilzen und dem legendären Maui Wowie-Gras gesundheitlich sehr stabil durch die Jahrzehnte lebte. Klasse (und manchmal auch tragisch) sind natürlich ebenso die Geschichten über Begegnungen mit vielen anderen (wesentlich berühmteren) Musikern, denn er kannte zwar nicht alle, aber doch sehr viele von ihnen.
Dieses Buch ist in englischer Sprache geschrieben, dafür aber sehr flüssig und interessant zu lesen, niemals langweilig. "Calling From A Star - The Merrell Fankhauser Story" darf somit jedem empfohlen werden, der mal für ein paar Seiten in eine andere Welt, ein anderes Leben bzw. eine andere Lebensvorstellung sowie deren Umsetzung eintauchen möchte.
Externe Links:
|