Paolo Fresu / 7/8 (Original Soundtrack)
7/8 (Original Soundtrack) Spielzeit: 74:17
Medium: CD
Label: EMI, 2010
Stil: Jazz

Review vom 17.04.2010


Wolfgang Giese
1961 wurde der Trompeter und Flügelhornspieler in Sardinien geboren. Seine Karriere wurde Anfang der Achtziger angeschoben durch den Bassisten Bruno Tommaso. Einer der anderen großartigen italienischen Jazztrompeter, Enrico Rava, unterrichtete ihn. 1985 erschien Fresus erstes Album, "Ostinato".
Seitdem kam es zu zahlreichen weiteren Veröffentlichungen und Zusammenarbeiten mit anderen namhaften Musikern. Hier sind aus meiner Sicht besonders die Zusammenarbeit mit Enrico Rava auf zwei Tributalben, nämlich "Play Miles Davis" (Miles Davis) und "Shades Of Chet" (Chet Baker) hervorzuheben.
Grundsätzlich passt das auch, wurde und wird sein Stil doch oft mit dem von Davis aus den 50er Jahren verglichen.
Ein weiterer Berührungspunkt entsteht dadurch, dass auch Fresu nun ein Soundtrack-Album vorlegt, so wie das große Vorbild. ("Ascenseur pour l'echafaud" ("Der Fahrstuhl zum Schafott", 1958). Im Film geht es vorwiegend um italienische Jazzmusiker während des zweiten Weltkrieges und deren Verfolgung durch Nationalsozialisten.
Pianotupfer begleiten die sanft dahinstreichenden Schlagzeugbesen und einen knurrenden Bass, über denen sich gestopfte Trompete und Saxofon mit zurückhaltenden und manchmal wie 'weggetreten' wirkenden Beiträgen 'austoben'. Und das kommt so grundsätzlich auf allen Balladen vor - gleich am Anfang mit "Ascensore Per Il Paradiso" (man merke, "Fahrstuhl ins Paradies"; bei Miles fuhr dieser zum Schafott!).
Ansonsten wird das Tempo nur unwesentlich angehoben. Bei "Gio' Cervi's Blues" erfahren wir eine dezente Bluesstimmung, wie es auch auf John Coltranes "Plays The Blues" zu hören ist. Überhaupt schwingt stimmungsmäßig viel vom Coltrane der frühen Sechziger mit. Nur bei "Free Up" wird es 'flott': Trompete und Sax tragen das kurze Thema unisono, bis ein Solo auf dem Sopransaxofon und später auf der Trompete dem swingenden Element viel Leben einhauchen, energisch unterstützt vom hervorragenden Rhythmusteam! Einige Titel haben einen klar erkennbaren Aufbau mit einem wiedererkennbaren Thema, andere fließen dahin und wirken teilweise fragmentarisch ("When Dad Is Coming").
"Gio' Cervi's Ballad", wie der Name schon sagt, eine Ballade - geheimnisvoll wirkend, mit vollem und sattem Trompetenton, verflochten mit dem Saxofon.
Track fünf, "So!", scheint klar 'geklaut', aber hier heißt es eben nur "So!", bei Miles Davis "So What". Sicher wieder eine kleine Anspielung, derer es auf der Platte ja viele gibt. So erinnert an die Stimmung von "Kind Of Blue" auch der Titel "Cool Blues", mit Sopransaxofon vorgetragen. Dieser Tino Tracanna ist übrigens eine tragende Säule der Platte, er verfügt über einen reinen und klaren Ton und bildet mit Fresu eine wunderbare Einheit.
Nicht vergessen zu erwähnen sollte man allerdings auch den Pianisten Roberto Cipelli, der manchmal mit seinem trockenen Spiel ein wenig an Lennie Tristano erinnert.
Noch zwei Nummern verdienen es, gesondert genannt werden, schlagen sie doch etwas aus der Reihe. Erstens der Titeltrack, eines der stark expressiven Stücke, sehr bildhaft dargestellt und ausgerichtet, packend und auf elegante Art mitreissend, mit perkussivem Antrieb und einer der drei Songs, auf denen sich eine Gitarre dazugesellt.
Max Carletti erweist sich als einfallsreicher Musiker, mit einem warm-perkussiven Anschlag. Mich erinnert er tatsächlich ein ganz klein wenig an René Thomas, der ja einst mit Chet Baker spielte, und so mag sich auf diese Weise ein Kreis schließen, atmet die Musik gelegentlich doch auch den Geist dieses großartigen Trompeters.
Und dann wäre da noch "The Shooting", das freieste Stück, mit angreifenden Sax-Klängen, ausdrucksstark intoniertem Klavier und klarer Bildsprache. Mich würde interessieren, ob hier tatsächlich im Film eine Schießerei musikalisch untermalt wurde.
Es bleibt mir anzumerken, dass diese Musik eigenständig zu hören ist, und nicht, wie viele Soundtracks, ohne den Film nicht existieren kann. Es geht insofern, als Entgegenkommen für den soundtrackfreien Hörer, über das hinaus, was Miles Davis mehr fragmentarisch im oben genannten Soundtrack verarbeitete. Dessen einmalig beschriebene Düsternis und ausgedrückte Einsamkeit transportiert Paolo Fresu auch nicht. Also kein neues Referenzwerk in Sachen Soundtrack, aber eine Platte mit hervorragend gespieltem Jazz!
Line-up:
Paolo Fresu (tromba, flicorno)
Tino Tracanna (sax tenore, sax soprano)
Roberto Cipelli (pianoforte)
Attilio Zanchi (contrabbasso)
Ettore Fioravanti (batteria)
Max Carletti (chitarra - #10,11,15)
Tracklist
01:Ascensore Per Il Paradiso (5:03)
02:Gio' Cervi's Blues (Studio Session) (6:23)
03:When Dad Is Coming (2:10)
04:Gio' Cervi's Ballad (Studio Session) (7:22)
05:So! (5:11)
06:Dark Theme (7:09)
07:Cool Blues (4:03)
08:Free Up (3:31)
09:Gio' Cervi's Anatole (Studio Session) (3:53)
10:Gio' Cervi's Ballad (Set Session) 5:24)
11:Sette Ottavi (6:57)
12:Nightingale Song (3:55)
13:Gio' Cervi's Blues (Set Session) (5:59)
14:The Shooting (2:26)
15:Gio' Cervi's Anatole (Set Session) (3:54)
(Composizioni originali e arrangiamenti di Paolo Fresu)
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