Das Staunen war groß. Nachdem ich mich über die ausgesprochen mädchenhafte Stimme von Roberta Flack auf ihrem neuen Beatles-Cover-Album gewundert hatte, schlug ich das Geburtsdatum in ihrer Biografie nach: 10. Februar 1937. Demnach ist sie schon unglaubliche 75!
Und selbst bei ihrem Debüt "First Take" von 1969 war sie bereits 32. Der hochbegabten Roberta Flacks glänzende Universitätskarriere in den Fächern Klavier und Gesang wurde durch den Tod ihres Vaters jäh unterbrochen, der sie zurück nach Hause nach North Carolina zwang. Um ihre Familie zu ernähren, musste sie als Lehrerin arbeiten. Später, in Washington, DC trat sie nebenbei in Clubs auf und engagierte sich u. a. in Wohltätigkeitskonzerten für sozialschwache Kinder. Bei einem dieser Benefits hörte sie der Jazzsänger Les McCann, der sie sofort an Atlantic Records vermittelte. Innerhalb von zehn Stunden nahm sie die Songs für "First Take" auf, darunter "The First Time Ever I Saw Your Face". Dieser Song wurde als Filmtitel von Clint Eastwood für seinen Streifen "Play Misty For Me" (in Deuschland: "Sadistico - Wunschkonzert für einen Toten") bekannt und bescherte dem Album 1972 samt seiner Sängerin eine Goldene Schallplatte. Spätestens mit ihrem größten Hit "Killing Me Softly With His Song" (1973) war die Soul-Lady mit dem riesigen Afro-Mopp weltweit in aller Ohren. Weitere Million-Sellers und auch Grammy-Auszeichnungen u.a. für Duette mit Donny Hathaway folgten. Allerdings blieb ihr gesamtes Schaffen auf Ton- und Bildträgern für die lange Karriere sehr überschaubar, zuletzt waren es Sampler und Cover-Alben, 1999 erschien ihr letztes reguläres "…sings Mariko Takahashi". Die Liste ihrer Auszeichnungen ist ellenlang, neben der Musik vor allem für ihr vielfältiges soziales Engagement.
Die Musik der 'Fab Four' ist Weltkulturerbe und ihre Songs gehören zu den bekanntesten auf diesem Planeten. Trotzdem gibt es nicht so viele ernstzunehmende Coveralben neben den unzähligen Verramschungsprodukten aller Art. Dass sich eine Künstlerin wie Roberta Flack nun daran macht, ist nicht unbedingt naheliegend und hat in der Fachwelt gleich für Aufhorchen gesorgt. Die freundschaftliche Beziehung der Wohnungsnachbarn Lennon / Ono - Flack in der Dakota Suite in New York über den Tod des verehrten Beatle hinaus bis heute, mag vielleicht sogar der Hauptgrund dafür sein. Ein Foto auf dem CD-Cover zeigt das vertraute Trio, die schwierige Yoko hat ihrer Freundin auch eine liebevolle Widmung ins Album geschrieben.
"Let It Be Roberta" ist ein Pop-Album einer großartigen Künstlerin, die im Seniorenalter mit dem Zeitgeist spielt; das Attribut »zeitlos« wird wohl auch in kaum einer Besprechung fehlen. Über die Auswahlkriterien der Songs ist nichts zu lesen, neben den bekanntesten Hits sind auch welche dabei, die sicher nicht so präsent sind. Roberta Flack umschmeichelt mit ihrer charismatischen Stimme die Kompositionen (elf von Lennon / McCartney, eine von Harrison), die von verschiedenen Produzenten mit luftigen Arrangements ins Heute transferiert wurden. Der Grande Dame standen eine Reihe von exzellenten Musikern und Begleitsängern zur Seite. Obwohl sie die Tracks sehr individuell veredeln, sind sie jedoch immer nur das schöne Beiwerk für die grandiose, unverwechselbare Stimme. Selbst die seltenen Streichersätze sind soweit im Hintergrund, dass sie den Hörgenuss für den puristischeren Hörer kaum beeinträchtigen. Wer meint, dass "Hey Jude" und "Let It Be" so abgenudelt sind, dass man sie nicht mehr ohne Brechreiz anhören kann, der darf hier seinen Ohren trauen: Erweckung geglückt! Roberta Flack girrt und liebkost die Textzeilen förmlich, ihr zu lauschen, ist einfach ein Genuss. Und mit ein paar modischen Zutaten ist der alte Mief frühlingsfrisch weg.
Allerdings sind fast alle Stücke mit dieser Kindfrau-Stimme gestaltet, so zärtlich und unschuldig, dass man von Song zu Song mehr auf die Soulröhre der Künstlerin wartet - einen Ausbruch, oder wenigstens mal ein Crescendochen. Es bleibt jedoch weitgehend subtil, hochsensibel, erst gegen Ende wird es mal etwas hormongesteuerter. "Oh Darling" bluest schön mit jazzigem Touch. Die Frau mit ihrem Stuff hält sich nur teilweise an die klassischen Vorgaben und nutzt da die song-typischen Trademarks. Einige Tracks baut sie komplett um, was jedoch nicht immer mit positivem Ergebnis gelingt. So geht beispielsweise "We Can Work It Out" mit seinen Computersounds und Chorgesäusel glatt den Bach runter, auch das Loop-aufgemotzte, Streicher-unterlegte "I Should Have Known Better" klingt mehr als seltsam. Zu der Madonna-mäßigen Version von "And I Love Him" gibt es sicher ebenso geteilte Meinungen. Dagegen verströmt "Come Together" schwitzige Disco-Erotik, genauso interessant ist das vielschichtige "If I Fell". Mit "Here, There, And Everywhere" beschließt ein Live-Track von 1972 kontrastreich das Album, zu Kammerjazz-Begleitung hören wie die Künstlerin so, wie wir sie bisher kannten.
"Let It Be Roberta" ist ein klassisches Album für die blaue Stunde, emotional ohne große Gefühlsausbrüche, aber sicher kein Kuschelmuschel-Soundtrack. Auch nicht die Beatles 'in black', es gibt keine klaren Verschiebungen in ethnischer Stilistik, aber natürlich ausgesprochen feminin. Ob zeitlos, bleibt späterer Betrachtung überlassen. Jedenfalls finden sich hier kompetente (aber nicht immer gelungene) Neu-Interpretationen von Beatles-Stücken anno Zwozwölf im 21. Jahrhundert. Dass die so bei den Hardcore-Fans ankommen, darf bezweifelt werden. Vielleicht hat sich Roberta Flack einfach einen Herzenswunsch mit diesem Cover-Album erfüllt oder den offeneren Beatles-Anhängern eine Freude machen wollen, für deren Musik schon mal ein Update fällig ist; es ist ihr auf jeden Fall ein sehr eigenständiges, mainstreamfernes und qualitativ hochwertiges Stück Pop-Musik gelungen, das seiner Urheber würdig ist.
»I heard she sang a good song
I heard she had a style
And so I came to see her
And listen for a while
And there she was this young girl
A stranger to my eyes
Strumming my pain with her fingers
Singing my life with her words
Killing me softly with her song
Killing me softly with her song
Telling my whole life with her words
Killing me softly with her songs…«
| Tracklist |
01:In My Life
02:Hey Jude
03:We Can Work It Out
04:Let It Be
05:Oh Darling
06:I Should Have Known Better
07:The Long And Winding Road
08:Come Together
09:Isn't It A Pity
10:If I Fell
11.And I Love Him
12.Here, There, And Everywhere
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