RockTimes: Hallo Andreas, wir begrüßen dich als Retter des Saga-Konzerts vom 22. November in Berlin. Wir denken, dass du in der Musikszene relativ unbekannt bist, deshalb möchten wir dich bitten, dass du dich erst einmal vorstellst.
Andreas Gundlach: Na ja, so ganz unbekannt bin ich nicht, die Tina z.B. kennt mich [ Anmerkung der Redaktion: Die Bedienung der Salatmanufaktur Berlin] und wer sich in der Keyboard-Szene mit dem Korg-Equipment auskennt und die alljährliche Frankfurter Musikmesse besucht, dem dürfte ich nicht so unbekannt sein.
RockTimes: Deshalb waren wir der Meinung, schon mal von dir Notiz genommen zu haben. Wir wussten nur nicht woher.
Gundlach: Das kann schon sein, denn wer sich auf der Musikmesse präsentiert, sich zudem dem Korg-Equipment widmet, der gehört quasi in den engen Kreis der Keyboard- und Synthesizer-Spieler. Die Kontakte sind da sehr eng, praktisch wie in einer großen Familie. Letztlich kam auch so der Kontakt zu Saga zustande, denn die Tastenelemente werden bei der Band ebenfalls auf Korg-Geräten gespielt.
RockTimes: Es ist ja auch sehr ungewöhnlich, dass nach dem
kurzfristigen Ausfall von Jim Gilmour in so kurzer Zeit ein Ersatzmann gefunden werden konnte! Es gibt in Berlin Tausende von Musikern und wir fragten uns, wie sind die gerade auf dich gekommen?
Gundlach: Ja gut, wenn ich in Frankfurt leben würde, hätte es natürlich nicht geklappt. Ich bin schon seit Jahren für Korg tätig, mache für die viel Zeug und Frank Voidich, der ebenfalls für Korg arbeitet, betreut Saga mit dem technischen Zubehör für Keyboards. Er kennt mich sehr gut und erwischte mich eher zufällig auf dem Handy, als ich in der Straßenbahn saß. Normalerweise rufst du in so einer Notsituation zahlreiche Musiker an, die aber meist erst für ein paar Tage später zusagen können. Ich war natürlich auch erst mal überrascht und konnte in der Straßenbahn werder zu- noch absagen. Außerdem habe ich noch zwei Kinder, die ich jeden Morgen in die Kita bringen muss und eine Frau, mit der ich mich erst mal absprechen musste. Es war nicht so einfach, alles unter einen Hut zu bekommen. Dank meiner Schwägerin, die spontan ihre Hilfe anbot und meines Improvisationstalentes bzgl. Verschieben meiner Termine, die ich am Dienstag und Mittwoch gehabt hätte, bekam ich den nötigen Freiraum, um letztlich zuzusagen.
RockTimes: Gut so, denn wer möchte nicht mal in einer Band spielen, die seit 30 Jahren dick im Geschäft ist? Immerhin hast du dafür gesorgt, dass das Konzert nicht abgesagt werden musste. Und dass du dir innerhalb kürzester Zeit zehn Songs eingeprägt hast, das schafft auch nicht jeder.
Gundlach: Wir haben sogar zwölf Songs einstudiert, aber nur zehn gespielt. Am Montag war mir klar, dass wir das Ding durchziehen, obwohl ich an diesem Tag bis spät abends noch auf einer Bühne stand. Gegen ein Uhr nachts war ich erst daheim, habe dann zwei Stunden geschlafen, bin aufgewacht und habe mir sofort aus dem Internet die Songs runtergeladen, damit ich erst mal einen Anhaltspunkt hatte. Es ist nämlich nicht möglich, in so kurzer Zeit alles auswendig zu lernen. Bei so vielen Songteilen, die die haben, nee, das geht einfach nicht.
RockTimes: ( Holger spricht) Ich war ja live dabei, hatte eine optimale Sitzposition und bin der Meinung, du hast die Lieder nahezu perfekt gespielt! Ich kenne alle Saga-Stücke, besitze alle Platten und konnte wirklich keinen Unterschied feststellen!
Gundlach: Danke dir! Das ehrt mich sehr, zumal manche Leute der Meinung sind, das kann man nur zu zweit spielen, und es grenzt schon fast an ein Wunder, wenn man es alleine spielt. Ja, was soll ich sagen, es hat auch ein wenig mit Berufsehre zu tun, mit wem und was ich spielen möchte. Letztlich haben wir schon ein wenig abgespeckt, die Sounds waren auf fünf Synthesizer verteilt und ich war mir mit Mike Sadler schnell einig was passt oder eben nicht.
RockTimes: Spielst du noch in anderen Bands, oder war es eine einmalige Geschichte?
Gundlach: Ich habe in den letzten Jahren beim Veronika Fischer-Fest mitgespielt, da waren auch Konzerte dabei, die dieselbe Größenordnung hatten, wie ich es mit Saga erlebte. Im Übrigen mit genauso anspruchsvollen Songteilen!
Saga war mir aus vergangenen Jugendtagen schon ein Begriff, genauso wie Marillion. Doch am meisten fühle ich mich zum Jazz hingezogen.
RockTimes: Wie hast du dich gefühlt, vor so vielen Fans zu spielen, auch wenn du vorab schon Live-Erfahrungen gesammelt hattest? Das Besondere war ja, dass dich niemand kannte und jeder sich fragte, wer das ist.
Gundlach: Ihr werdet staunen, denn mir ist schon mal etwas Ähnliches mit Nina Hagen passiert. Damals ereignete sich fast die gleiche Geschichte, nur dass das Zeug von ihr nicht so schwer ist (er muss herzhaft lachen). Damals ging es ohne Probe auf die Bühne, ich musste Gott sei Dank aber nur am Klavier spielen und zusehen, dass es einfach passte. In solchen Momenten hat man gar keine Zeit an irgendwas zu denken - man sieht zu, dass man einen guten Job abliefert und alles glatt geht.
RockTimes: Aber ein bisschen aufgeregt warst du schon, oder?
Gundlach: Hmm, aufgeregt war ich bis mittags (in diesem Augenblick serviert uns die charmante Christina Bergmann köstlichen, selbst gebackenen Kuchen und Milchkaffee), bis zum ersten Treffen mit der Band, weil sie mich nicht kannten und meine Homepage nicht mal ansatzweise erahnen lässt, dass ich den Job erledigen könnte. Ich vermutete, dass sie denken könnten, der hat nicht mal lange Haare usw. Nun gut, letztlich hatten sie gar keine andere Wahl. Entscheidend war die erste Stunde des Treffens, da hat sich herauskristallisiert, ob wir uns überhaupt riechen konnten. Und wir konnten uns riechen! Sie waren überaus locker, nett, freundlich und machten es mir ausgesprochen leicht. Wir sind dann in wenigen Stunden zu einem Team zusammengewachsen und beim Betreten der Bühne war meine ganze Anspannung und Aufregung wie weggeblasen. Viel schlimmer war die Nacht zuvor, als ich mir die Songs runtergeladen hatte, um mir jede Einzelheit, jeden Scheiß (muss dabei wieder herzhaft lachen) herauszuhören. Ich sage euch, als ich das Material intus hatte, da war ich so richtig erleichtert! Das ist ein Kapitel in meinem Leben, das werde ich niemals vergessen.
RockTimes: Ja Andreas, das glauben wir dir aufs Wort (müssen alle drei lachen), aber wer weiß, vielleicht ergeben sich dadurch noch viele Folgesachen, von denen du bisher noch gar nichts ahnst?
Gundlach: Ehrlich gesagt hoffe ich das auch, denn der Abend lief für mich einfach hervorragend. Zwar sind die Kanadier ziemlich schnell mit oberflächlichem Lob dabei, doch ich hatte das Gefühl, dass ich nach den drei Tagen ernsthaften Dank erhielt und sie genau wussten, dass sie ohne mich aufgeschmissen waren.
RockTimes: Nun hast du ein paar Shows mitgespielt, doch warum hast du nicht weitergemacht?
Gundlach: Na ja, ich bin als Berufsmusiker eh viel unterwegs und mein Kalender, gerade in der Vorweihnachtszeit, ist rappelvoll, d.h., wenn ich bei Saga für mehrere Konzerte zugesagt hätte, dann hätte ich für meine Veranstaltungen Ersatz suchen müssen. Diesen Stress wollte ich mir dann doch nicht reinziehen, zumal sich die anderen Musiker auch auf mich verlassen. Ich sags mal so, hätte es sich um eine Coverband gehandelt, hätte ich gesagt: Ihr habt sie wohl nicht alle. Aber fürs Original konnte ich drei Termine freimachen und klar, wollte ich unbedingt mal mit der Combo auf der Bühne stehen. Diesen Traum konnte ich mir nun verwirklichen!
RockTimes: Wurde vor deinen Auftritten gleich über die Finanzen gesprochen? Also über deine Gage?
Gundlach: Sorry Leute, aber über Gagen rede ich nicht. Der besondere Reiz lag für mich darin, dass fast alle der Meinung waren, dass es in so kurzer Zeit nicht zu schaffen ist. Das hat mich so angefixt, doch ich war mir sicher, ich schaffe das.
RockTimes: Im jeden Fall wirst du in die Saga-Geschichtsbücher eingehen.
Gundlach: Ja, und das ist doch was. Wir hatten auch Backstage viel zu lachen, haben uns viele Geschichten erzählt und es war alles in allem sehr angenehm. Schade, dass die Zeit zu knapp war, um ernsthafte Freundschaften zu schließen. Ich bin mir sicher, wenn ich mit ihnen mehrere Wochen unterwegs gewesen wäre, wir wären als dicke Kumples auseinander gegangen.
RockTimes: Hast du eigentlich mitbekommen, was mit Gilmour genau passiert war?
Gundlach: Nein, so richtig nicht. Er hatte wohl einen Splitter im Auge, der für ein extrem entzündetes Auge sorgte und die Netzhaut angegriffen hat.
RockTimes: Wie war die Zusammenarbeit mit Michael Sadler?
Gundlach: Er ist praktisch der Kopf der Band, hat mehr oder weniger das Sagen. Einmal fragte er mich, ob ich mir ein Piano-Solo zutrauen würde, einfach um auch die Zeit etwas zu strecken. Als ich bejahte war die Sache für ihn erledigt und so spielte ich einfach darauf los, so wie es mir in den Sinn kam. Ich empfand das als sensationellen Vertrauensbeweis!
RockTimes: In der Tat hat er wohl deine Fähigkeiten erkannt. Meinst Du, es gibt ein baldiges Wiedersehen?
Gundlach: Was natürlich klasse wäre, wenn sie wieder ein Berlin-Konzert geben, mich für ein, zwei Songs einladen würden. Darauf hätte ich jetzt schon so richtig Lust. Über weitere Sachen, z.B. Mitwirken auf einer Saga-CD, nachzudenken, ist dann doch wohl zu viel des Guten.
RockTimes: Nochmal auf dein Solo zurückzukommen, könntest du dasselbe noch mal spielen, oder hast du es in deinem Gehirn komplett gelöscht?
Gundlach: Nee, das ist komplett weg, aber ich kann mich noch an ein paar Empfindungen erinnern, z.B., dass ich so manche Phrasen spielen musste, um den 6/8-Takt zu halten.
RockTimes: Warum seid ihr nach Beendigung des Gigs nicht noch nach vorn gekommen, um euch noch einmal zu bedanken und du noch einen gesonderten Applaus einheimsen konntest? Der letzte Ton verklang und schon wart ihr von der Bühne verschwunden.
Gundlach: Ich weiß auch nicht so genau, warum wir gleich abgehauen sind. Ich denke mal, man hat es einfach vergessen, denn bei den nachfolgenden Gigs forderte die Band viel Applaus für mich ein, den ich auch erhielt.
RockTimes: Hast du einen persönlichen musikalischen Favoriten?
Gundlach: Nein, ich habe schon seit Jahren keine Favoriten. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn Menschen Musik machen. Ich mag z.B. volkstümliche Blasmusik, so richtige Typen, die ins Tenor-Horn blasen, da geh ich echt kaputt!
RockTimes: So Andreas, vielen Dank für deine spontane Zusage, uns ein paar Fragen zu beantworten. Wir werden dich weiterhin im Auge behalten und lass uns wissen, wenn du 2012 wieder mit Saga auf der Bühne stehst.
Gundlach: Auch ich bedanke mich bei euch, dass ihr euch die Mühe gemacht habt und extra aus Spandau angereist seid. Und wenn mich Saga 2012 wieder braucht, lass ich es euch wissen!
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